Beim dritten „Demokratie-Snack“ mit dem Titel „Politische Farbenlehre 2021: Links? Mitte? Rechts? Extremistisch? Oder braucht es ganz andere Begriffe“ kam es nach dem Vortrag zu regen Diskussionen. Die Reihe geht aus von der Demokratie-Werkstatt im Netzwerk Inklusion Landkreis Tirschenreuth in Kooperation mit dem Evangelischen Bildungswerk Oberpfalz und der Volkshochschule.
„Alle Parteien wollen dasselbe – diese Aussage ist ein Offenbarungseid. Auch wenn es Mühe macht: Es lohnt sich, sich mit den Unterschieden auseinanderzusetzen, statt nicht zu wählen“, sagte Referent Friedrich Wölfl laut Mitteilung. Er verwies darauf, dass die bisherigen Zweierkoalitionen für stabile Mehrheitsverhältnisse in der Bundesrepublik gesorgt hätten. Die Kleinparteien seien ein hilfreiches Korrektiv gewesen, da es um eine Mehrheit schaffende wechselnde Abstimmung in der Sache gehe. Die bisherigen Koordinatensysteme (kirchennah, arbeitergeber- oder arbeitnehmernah) galten bis in die 1990er und sicherten damit, dass ein Regierungswechsel keine grundlegenden Veränderungen auslöste.
Was heißt das für die aktuelle Situation? Taktisches Wählen hänge inzwischen mehr davon ab, „wer mit wem könne“. Die Selbstzuschreibungen der Parteien als konservativ, sozial, liberal seien inzwischen sehr offen und nur konkret über Parteiprogramme definierbar. Angebote wie der "Wahl-O-Mat" böten hier eine gute Orientierung. Heute würden die Wähler eher mit einem Wertecocktail statt einem Wertesystem leben. Dies zeige sich anhand der Vielfalt der Lebensformen und dem Strukturwandel in Bildung und Arbeit.
Die bisherigen Bindungen haben abgenommen: die Parteibindung der Volksparteien hat seit 1990 um 50 Prozent abgenommen, aktuell sind nur 1,5 Prozent der Bevölkerung im Westen und 0,8 Prozent im Osten Parteimitglieder, nur 14 Prozent der Arbeitnehmer sind gewerkschaftlich organisiert, über ein Drittel der Bevölkerung ist inzwischen konfessionslos.
Die Politikwissenschaft beschreibe das aktuelle Wahlverhalten als „volatil oder unbeständig". Neue Themen tauchen auf: bürgerschaftliches Engagement bei „Fridays for Future“ oder „Black Lives Matter“, Digitalisierung, Energiewende. Diese neuen Themen würden sich in neuen Parteien oder neuen Flügeln der Parteien wiederfinden. Die neue Parteienlandschaft müsse nach dem demokratischen Konsens, der demokratischen Grundordnung, kategorisiert werden. Die neuen Koordinaten an denen sich das „links-rechts“ Spektrum ausrichte, seien Markt, Staat und Liberalität sowie Autorität. Manche Studien unterscheiden auch nach „Mobilen“ und „Dagebliebenen“.
In der anschließenden lebhaften Diskussion wurde auch eingeworfen, dass der größte Beeinflusser des Wahlverhaltens dieses Jahr auch die Corona-Pandemie sein werde. Sie spalte immer mehr auch Freundeskreise und Familien, ganz unabhängig von Lebensformen und Milieu. Die nächste Veranstaltung mit dem Titel „Gibt es eine neue Offenheit bei Koalitionen? Was in Bund und Ländern alles denkbar ist“ ist am Freitag, 21. Mai, um 18 Uhr, Anmeldung per E-Mail: info[at]inklusion-tirschenreuth[dot]de.
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