Kinosaal 5 ist bis auf wenige Plätze belegt. "Margot Flügel-Anhalt kommt später. Sie gibt gerade Interviews im Hofer Kino", erklärt Kinobesitzer Michael Neidhardt. Leises Gemurmel folgt auf die Nachricht, dass die Hauptdarstellerin des Films "Über Grenzen" noch nicht da ist. Margot Flügel-Anhalt hat ein großes Publikum, in Tirschenreuth, in Hof und am selben Abend noch einmal in Marktredwitz. 18 000 Kilometer soll die 64-jährige Nordhessin durch Zentralasien gefahren sein. Erstmals auf einem Motorrad und ohne Motorradführerschein. Das weckt Neugierde. Diese Frau, die etwas wagte, was nur wenig sich trauen, fesselt mit ihrer gefilmten Reise zwei Stunden lang ihr Publikum.
Der Beginn: Margot Flügel-Anhalt lernt in ihrem Dorf in Nordhessen Iranisch. Wenig später steigt sie auf ihre Enduro. Gen Polen geht die Fahrt, in die Ukraine, nach Russland und Kasachstan weiter nach Kirgistan bis zum Pamir-Highway in Zentralasien, dann in den Iran und über die Türkei zurück. Die erste Panne, ein Motorradschaden, passiert in Gera.
Ihr Film "Über Grenzen" unter Regie von Paul Hartmann und aus 218 Reisestunden zusammengestellt, wird spannender als ein Krimi. Margot Flügel-Anhalt filmt sich selbst. Nur zwölf von 117 Reisetagen wird sie von einem Filmteam begleitet. Die Filmemacher sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Auf dem Pamir Highway in 4600 Meter geht der mutigen Frau sprichwörtlich die Luft aus. Sie kann kaum atmen in diesen Höhen, quält sich durch Schneeregen auf Schlammstraßen über das Gebirge. "Um diese Jahreszeit soll es hier trocken sein", erklärt sie. Die Reiseinformation sei falsch gewesen. Die Nordhessin stürzt, kann das Bike nicht allein hochstemmen. Die Filmer springen aus dem Jeep und helfen. Kommentar des Regisseurs in die Kamera: "Ich schiebe gerade ein Motorrad über den Pamir-Highway." Margot Flügel-Anhalt überwindet auf ihrem Weg durch 18 Länder körperliche, kulturelle und sprachliche Grenzen. Im Iran, wo sie als Frau auf einem Motorrad nicht bejubelt wird, diskutiert sie mit iranischen Männern über die Kopftuchregelung der Frauen. Es wird ihr geraten, im Hotelzimmer zu bleiben. Moderne Medien helfen, technische Pannen zu lösen. Ersatzteile liefern eine Bestellung per Internet oder das Filmteam, im Iran wieder bei ihr. Margot Flügel-Anhalt lernt fremde Menschen kennen, die spontan helfen mit Unterkunft, Essen und Ratschläge. Genau das habe sie sich mit dieser Reise beweisen wollen, sagt sie. Die Welt sei gut, überall gebe es freundliche Menschen.
Bei einem Sturz verletzt sie sich, muss eine Woche auf 3600 Meter Höhe im kargen Gebirge in ärmlichen Verhältnissen auf Genesung hoffen. Die Bergbauernfamilie räumt ihre einzige Schlafkammer aus, schläft zu sechst auf dem Küchenfußboden, damit Margot ein Bett hat. Die Nordhessin genießt ihre neue Freiheit, lässt die vielen, auferlegten Verpflichtungen der westlichen Welt zurück. Ihr Fazit: "Ich will nicht mehr nach Hause."
Der Abspann flimmert über die Leinwand. Margot Flügel-Anhalt steht nun vor ihrem Publikum. Viele Fragen sind offen. Wo haben Sie geschlafen? Hatten Sie Angst? Was haben Sie gegessen? Was hätten Sie gemacht, wenn beim Sturz auf dem Pamir Highway kein Filmteam dagewesen wäre? Margot Flügel-Anhalt und Paul Hartmann antworten und erzählen weiter. Die DVDs zum Film und das Buch "Über Grenzen", (Dumont-Verlag) finden am Ende, signiert von der Autorin, etliche Abnehmer.















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