"Mit 66 Jahren, da geht das Leben an." Den Hit von Udo Jürgens kann Olga Luft nun bald singen. In diesem Jahr wird die stets für ihre Mitmenschen engagierte Tirschenreutherin 66 Jahre alt. Singen ist auch für sie ein Thema, jedoch weder professionell noch in einem Chor.
Olga Luft singt gern, unbürokratisch und spontan: am Telefon mit ihren Gesprächspartnern. "Viele alte Leute sind sehr einsam", nennt sie den Hauptgrund, warum sie das tut. Olga Luft ist als ehemalige Vorsitzende im Frauenbund, ehemalige Kreisrätin, Stadträtin und Seniorenbeauftragte in Tirschenreuth keine Unbekannte. In der Altenpflege arbeitet sie seit vielen Jahrzehnten mit, kümmerte sich in den Seniorenheimen vor allem darum, dass die älteren Mitbürger auch von Außenstehenden des Heimes Unterhaltung bekommen.
Einfach ein wenig plaudern
Seit Corona, klagt sie nun, sei dies leider nicht mehr möglich. "Die Senioren brauchen aber ihre Ansprache weiterhin. Und wenn es nur darum geht, ihnen zu erzählen, was es Neues gibt in der Stadt", weiß Olga Luft. Ihre Erfahrungen stammen aus der Praxis. Nahezu täglich drei bis vier Mal wird sie angerufen. Meist, sagt sie, seien es ältere, ihr bekannte Leute, die einfach nur ein wenig plaudern wollen.
Olga Luft hat Sorge, dass die daheim lebenden Senioren vergessen werden. Zwar werde für sie eingekauft und jetzt hätten sich die Corona-Einschränkungen auch wieder gelockert. "Aber viele trauen sich immer noch nicht richtig rausgehen." Alte Leute seien nicht anspruchsvoll, sagt sie. Oftmals habe ein kurzer Spaziergang über den Marktplatz gereicht.
Oft keine Angehörigen
Während in den Heimen täglich mehrmals nach den Bewohnern geschaut werde, gebe es viele ältere Menschen, die den ganzen Tag allein in ihren Wohnungen oder Häusern seien. "Jeder sollte sich das vorstellen: Ab Morgen bin ich ganz allein. Vielleicht denken manche dann bewusster daran, was das wirklich für einen Menschen heißt." Olga Luft will Abhilfe schaffen. Das sei kein großer Aufwand beim Telefonieren, hat sie festgestellt. "Die Leute wollen nur von sich erzählen und ab und zu eine Stimme hören." Wegen der Landflucht und berufsbedingt hätten viele Senioren keine Angehörigen mehr hier. Das könne frustrierend sein. Sie selbst habe über Ostern, wegen Corona, Einsamkeit verspürt. "Wenn mich in der Karwoche jemand angerufen hat, habe ich mit ihm den Kreuzweg übers Telefon gebetet." Dreimal täglich sei das vorgekommen. Klingelt es bei Olga Luft, kommt meist die zaghafte Frage: "Haben Sie ein bisschen Zeit?" Olga Luft hat Zeit, nimmt sie sich. "Die Leute kennen mich aus vielen Vereinen. Deshalb trauen sie sich, mir ihre Einsamkeit anzuvertrauen." Und helfen könne man auch als Privatperson, die sie nun sei. Sich kümmern sei Missionsauftrag eines Christen, erworben durch Taufe und Firmung, sagt sie. "Man kann auch ohne Amt helfen", sagt die 65-Jährige und singt unter anderem mit einer der vielen Anruferinnen "Meerstern, ich dich grüße", ein bekanntes Kirchenlied, gemeinsam am Telefon. Sie zünde dazu bei sich eine Kerze an, verrät sie. "Es soll ja nicht nur Unterhaltung sein, sondern ein wenig ein kleiner Messfeier-Ersatz."
Olga Luft wünscht sich mehr Eigeninitiative von Vereinsvorständen oder Privatleuten in der Seniorenarbeit. "Jeder Verein hat Mitgliederlisten. Es ist nichts dabei, diese mal durchzuschauen nach älteren, oftmals nur zahlenden Mitgliedern und dort anzurufen." Eine kurze Frage nach dem Befinden könne Wunder wirken gegen Einsamkeit.
Altennachmittag wieder aktivieren
"Enkel sollten ihren Omas und Opas ab und zu einen ganz normalen Brief oder eine Postkarte schreiben", schlägt sie vor. Auch würden es die Senioren schätzen, gratuliere man ihnen spontan zum Namenstag. Das sei früher üblich gewesen. Viele kleine Dinge seien möglich mit wenig Aufwand. Olga Luft geht in Zeiten der Corona-Lockerungen nun auch einen Schritt weiter. Sie möchte gern die Altennachmittage wieder aktivieren. "Der Pfarrsaal ist groß. Man kann mit weniger Gästen beginnen wegen der Abstandsregelungen. Hauptsache, die alten Leute haben wieder mehr Ansprache".
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