Tirschenreuth
10.04.2019 - 19:22 Uhr

"Tirschenreuther Passion" bekommt ein neues Gewand

"Danach ist Tirschenreuth in Europa ein Begriff", formuliert Vinzenz Rahn die Bedeutung der Europassion, die 2020 in der Kreisstadt über die Bühne geht. Und die wird anders sein als zuvor.

Organisatoren und Schauspieler waren gespannt wie Johannes Reitmeier die „Tirschenreuther Passion“ modifiziert hat. Bild: tr
Organisatoren und Schauspieler waren gespannt wie Johannes Reitmeier die „Tirschenreuther Passion“ modifiziert hat.

Schon vor einem Jahr saßen der Europassions-Delegierte Vinzenz Rahn, Bürgermeister Franz Stahl und die Regisseure Johannes Reitmeier und Stefan Tilch zusammen und beschlossen, dass der "Tirschenreuther Passion" dafür ein moderneres Gewand gut zu Gesicht stehen würde. Regisseur und Autor Johannes Reitmeier hat seither an seiner Passion gefeilt. Jetzt stellte er sein Konzept vor.

Das "Herz der Passion"

Bürgermeister Franz Stahl bezeichnete Reitmeier als das Herz der Tirschenreuther Passion. 300 Flyer, die auf das Ereignis hinweisen wurden bisher verschickt, einer davon an Ministerpräsident Markus Söder mit der Anfrage zur Übernahme der Schirmherrschaft. Die Antwort aus der Staatskanzlei kam vergangene Woche, und ja, Markus Söder ist der Schirmherr der Europassion 2020 in Tirschenreuth, die er sich auch ansehen will.

Für das große Ereignis habe man keine Kosten und Mühen gescheut um Optik und Akustik im Saal aufzuwerten. Eine komplett neue Soundanlage, Verdunklungs-Jalousien und eine Zuschauertribüne sollen die bisherigen Defizite beseitigen.

Vinzenz Rahn freute sich über neue und junge Gesichter in den Reihen der Schauspieler. "Trotzdem können wir schon noch den einen oder anderen brauchen", warb er für weitere Mimen und Komparsen. Er erinnere sich noch gut wie 1997 alles angefangen habe als Johannes Reitmeier nach einer Truppe suchte, mit der sich eine Passion im Dialekt verwirklichen ließe. "Dass wir diese Truppe wurden ist ein Ritterschlag."

Tausende Passionen

Der Sprecher sagte, dass es Tausende von Passionen gebe. Kirchen-, Stations-, Palast- und Hallenpassionen, wozu auch die Tirschenreuther zähle. Er informierte darüber, dass sich Anfang der 1980er Jahre zahlreiche Passionsorte zur Gemeinschaft Europassion zusammengeschlossen haben. Modernität sei zu dieser Zeit kein Thema gewesen. "Alles waren erzkonservative Produktionen." Mittlerweile gehörten 80 Orte in 16 Ländern dazu. Jede Passion sei inspirierend für das eigene Tun. So hätten auch große Passionen schon Teile der Tirschenreuther in modifizierter Weise in ihr Spiel einfließen lassen. Ziel der Europassion sei es die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu von der Bühne in die Welt hinauszutragen. Im kommenden Jahr erwartet Rahn viele Delegationen in der Kreisstadt. Aus Italien, Portugal und Spanien habe er bereits Zusagen. "Dass man bei der sechsten Auflage nicht wieder das gleiche spielen kann ist klar, das läuft sich sonst tot", stellte Rahn fest. Selbst Bischof Rudolf Voderholzer habe ihn bereits gefragt, was denn anders werde bei der neuen Passion. "Bisher musste ich immer sagen, ich habe keine Ahnung, hoffe aber, dass es nicht zu viel sein wird, wie es beispielsweise bei einer polnischen Inszenierung einer Studentengemeinschaft der Fall gewesen sei, als Jesus am Ende erschossen wurde."

Frauen mehr Bedeutung

"Jesus wird in der neuen Tirschenreuther Passion nicht erschossen", beruhigte Reitmeier gleich zu Anfang, als er die Katze aus dem Sack ließ und erklärte, was er vorhat. Nach seinen Ausführungen steht fest, dass sie auch kein Musical, kein neues "Jesus Christ Superstar" und dass Jesus keine Frau sein wird, wie es im Vorfeld die Gerüchteküche "wusste". Allerdings widmet der Autor Frauen diesmal viel mehr bedeutenden Raum als das bisher der Fall war.

Die größte Änderung erfährt aber die Figur des Judas Iskariot. Die ist völlig neu angelegt und wird aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet - mit einem Ergebnis das Staunen lässt. Nach den Ausführungen des Autors und Regisseurs steht fest: Johannes Reitmeier hat seiner modernisierten Tirschenreuther Passion keine actionreiche Effekthascherei angetan. "Aber wir wollen auch keine Schwarzweiß-Passion mehr", sagte er, der im vergangenen Jahr einen wahren Berg an Fachliteratur gelesen, an Details gefeilt und lange mit sich gerungen habe, wie sich an der Form Dinge verändern ließen, ohne dabei der "Tirschenreuther Passion" die Seele zu entreißen. Er sei zu dem Schluss gekommen, die Form zu behalten wie sie sei, eine Barockpassion zwischen Prosa- und Evangelistentexten, inklusive innehaltenden, reflektierenden Momenten, umgesetzt mit Ensembles und Arias.

"Die ,Tirschenreuther Passion' ist nicht so ohne weiteres austauschbar, das kann man nicht einfach so auf den Müll der Geschichte werfen. Deshalb wollte ich nicht plötzlich ein reines Prosa-Werk daraus machen", so der Autor. Trotzdem habe er mehr Raum für Text und gespielte Szenen geschaffen. Dafür werde auf zeremonielles Beiwerk wie Aufzüge und Abtritte, bis eine Klagefrau steht und ein Evangelist sitzt, verzichtet. Nicht ganz. Beim Szenenübergang sollen eine bis drei Personen aus der abgeschlossene Szene auf der Bühne bleiben und auf der Basis von Choraltexten oder Gebeten Revue passieren lassen was gerade passiert ist.

Neue Ensembles und Arias

Zwölf neue Arias und Ensembles hatte der Regisseur im Gepäck. Damit dürfen sich jetzt Marianne Stangl und Manfred Grüßner auseinandersetzen und die Texte in glasklaren Oberpfälzer Dialekt übersetzen. "Die neuen Teile sind verteilt über fast alle Szenen", erklärte Reitmeier. "Auch neue Szenen sind dazu gekommen und rein optisch wird sich das Werk ganz anderes als bisher präsentieren." Das Bühnenbild dominiert ein überdimensionaler Felsen, der zum Spielzentrum wird und in den Zuschauerraum hineinreicht. Dieses Monstrum ist auf einer Seite ziemlich hoch und schroff, auf der anderen hat er Stufen. "Das sieht aus, wie eine Arena", beschreibt Reitmeier die Form des Felsens, der in den Werkstätten des Landestheaters Tirol gefertigt wurde. Ebenfalls anders aussehen werden die Kostüme. "Strenger und nicht mehr ganz so viel Krippen-Orient", sagt der Regisseur. Sie werden farbig so konzipiert, dass der Zuschauer die einzelnen Gruppen klarer gegeneinander abgrenzen kann. Und die Evangelisten, werden künftig hochdeutsch sprechen, damit alle Deutschsprachigen Zuschauer verstehen, was da auf der Bühne vor sich geht. "Ich liebe den Oberpfälzer Dialekt", sagte Reitmeier, "aber er ist so speziell, dass schon der Oberbayer nicht mehr alles versteht."

Zwölf Arias und Ensembles hatte Johannes Reitmeier (Mitte) mitgebracht. Die Texte sind bereits vordialektisiert. Die Aufgabe von Manfred Grüßner und Marianne Stangl ist es nun sie ins reine „Hochoberpfälzisch“ zu bringen. Bild: tr
Zwölf Arias und Ensembles hatte Johannes Reitmeier (Mitte) mitgebracht. Die Texte sind bereits vordialektisiert. Die Aufgabe von Manfred Grüßner und Marianne Stangl ist es nun sie ins reine „Hochoberpfälzisch“ zu bringen.

Danach ist Tirschenreuth in Europa ein Begriff.

Vinzenz Rahn Europassions-Delegierter

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Noch vor den Sommerferien sollen die Texte fertig sein und an die Schauspieler überreicht werden. Erste Vorproben gibt es dann im November mit Co-Regisseur Stefan Tilch, Intendant des Landestheaters Niederbayern und ebenfalls bestens bekannt in der Kreisstadt. Zu der Zeit startet auch der Kartenvorverkauf. Die Hauptprobenphase vor der Premiere leitet dann Johannes Reitmeier, der sagt: „Es wird eine schöne neue aber nicht entwurzelte Passion.“ Ab sofort können sich die Schauspieler für die einzelnen Rollen eintragen. Das Organisationsteam leitet die Liste dann an den Autor weiter, der sie mit seinem Partner Stefan Tilch bespricht. In etwa zwei Wochen soll die Besetzung stehen. Ob er einen Wunschkandidaten für die neu angelegte große Rolle des Judas habe, wollten wir von Johannes Reitmeier wissen. Zu einem Namen ließ er sich nicht hinreißen, ist sich aber sicher, dass es drei bis fünf Kandidaten in der Truppe gibt, „die das schultern können.“ Wer sich für eine Rolle interessiert, soll schnellstmöglich eine E-Mail mit dem Betreff „Passion 2020“ an poststelle[at]stadt-tirschenreuth[dot]de senden.

 
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