Hoffen und Bangen, Freude und Enttäuschung lagen ganz nahe beieinander, als die Stadt zwischen 1953 und 1969 um die Ansiedlung einer Bundeswehr-Garnison kämpfte. Es gab ein Ringen um über 1100 krisensichere Arbeitsplätze, es ist aber auch eine Geschichte von politischen Seilschaften und kämpferischen Grundbesitzern, allen voran die Hohenwalder Bauern. Gelungen ist der Coup schließlich nicht.
Los ging es 1953, als Bürgermeister Karl Ruffing den Tirschenreuther CSU-Bundestagsabgeordneten Geiger darum bat, sich für die Kreisstadt um die Ansiedlung einer Garnison "der neuen Wehrmacht" zu bemühen. Was dann fast 16 Jahre lang folgte, schwankt zwischen Drama, Tragödie und Komödie ständig hin und her.
150 Wohneinheiten
Vor allem zwischen 1963 und 1966 gab es in manchen Monaten beides: Zusagen und Absagen, vertrösten und gratulieren. Dazwischen stand eine Verwaltung, die sich jahrelang mit dem Bundesverteidigungsministerium, mit nachgelagerten Behörden, und auch mit über 120 Grundstücksbesitzern auf 307 Flächen (150 Hektar) herumschlagen musste. War zunächst ein Gelände mit Kaserne und Truppenübungsplatz im Süden der Stadt vorgesehen, wurde später die Kaserne auf das Gebiet der "Roten Erde" verschoben. Der Schießplatz war schon immer im Gelände zwischen Großklenau und Großensees vorgesehen. Über 150 Wohneinheiten für die Familien der Soldaten sollten rund um die Planer Straße durch die Gewog gebaut werden. Der Übungsplatz wurde wegen ungeeignetem Gelände im Süden mehr in Richtung Westen, Richtung Hohenwald, verschoben. Eskaliert ist die Geschichte dann, als man 6. Juli 1966 Besuch vom Regierungsdirektor Dr. Gödel von der Wehrbereichsverwaltung in München bekam. Ab sofort gab es (wieder einmal) eine absolut sichere Zusage, allerdings jetzt für ein Panzergrenadierbataillon. Deshalb brauche man nunmehr nicht die seit 10 Jahren geplanten 150 Hektar Grund, sondern 300 Hektar. Und die Sache eilt!
Dunkle Wolken
Bürgermeister Oberndorfer sah dunkle Wolken am Horizont, Michael Kraus, Bürgermeister der Gemeinde Hohenwald, prophezeite "höchsten Widerstand", denn allen war klar, dies ging nur wieder auf Kosten der Hohenwalder Bauern. Am 13. Juli 1966 sendete die kleine Tirschenreuther Nachbargemeinde eine Resolution an das Bundesverteidigungsministerium. "Widerstand mit allem was wir haben", kündigten die geplagten Landwirte an, die auch noch fürchten mussten, für den geplanten Gumpener Stausee Grundstücke abtreten zu müssen. Die befürchteten Auseinandersetzungen blieben aber aus, denn sechs Monate später war alles vorbei. Das Verteidigungsministerium blies im Januar 1967 alles ab, "Haushaltsschieflage", Tirschenreuth wird zurückgestellt. Bis heute!
Amüsant dagegen - natürlich nur im Nachhinein betrachtet - war der "Kampf der Gemeinde Wiesau und der Stadt Tirschenreuth" um die Garnison. Auch Wiesau hatte davon Wind bekommen und seine Truppen in den Kampf um die Garnison entsandt. Im Zentrum stand dabei der grundsolide CSU-Bundestagsabgeordnete Franz Wittmann, einer der wenigen Getreuen, die Tirschenreuth in der großen Politik hatte. Er war von 1953 bis 1961 und nochmals von 1964 bis 1965 im Bundestag vertreten. Als Kreisobmann des Bauernverbandes und CSU-Kreisverbandsvorsitzender in Tirschenreuth war er jeweils über die Liste gewählt worden.
In einem Brief 1959 an Verteidigungsminister Franz Josef Strauß schilderte er den Widerstand der Landwirte im Bereich Wiesau, vor allem der Leugaser Bauern gegen eine Kaserne in ihrem Bereich: "Mit Dreschflegeln und Sensen bewaffnet, haben sie am Straßenrand gestanden, als die Kommission der Bundeswehr zur Besichtigung des Geländes durch ihren Ort fuhr." Die Nachricht war deutlich: Die Wiesauer Bürger wollten keinen Grund hergeben.
Später berichtet Wittmann in einem Anruf im Tirschenreuther Rathaus von einer CSU-Seilschaft aus Landrat Sproß, Landtagsabgeordnetem Freundl und Bundestagsabgeordnetem Geiger sowie Bürgermeister Seidl für eine Garnison in Wiesau. Von Erfolg war die Initiative nicht gekrönt: Wittmann machte sich damit natürlich keine Freunde, sowohl Sproß als auch Hubert Seidl, damals aktuell Zweiter Bürgermeister, schossen scharf. Seidl drohte dem "Parteifreund" einen "Artikel im Spiegel" an. Sproß schwärzte Wittmann dagegen beim damaligen CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Hermann Höcherl, an, er habe die Ansiedlung einer Garnison in Wiesau "hintertrieben". Diesen bat er, er möge sich darum bemühen, dass Tirschenreuth seine Bewerbung zurückziehe. Ruffing tobte ob seiner Parteifreunde.
Wittmann ficht das nicht an. "Nach Wiesau gehe ich erst recht und werde Herrn Seidl sagen: Ich hab für Wiesau nichts getan, weil ich ja nichts verstehe!" Wittmann schilderte in der Folge die Vorgeschichte: Seidl hatte bei der Kandidatenaufstellung für den Bundestagsliste, als Wittmann an die Reihe kam, folgendes geäußert: "Lasst's doch den Wittmann gehen (also nicht nehmen), der versteht ja nichts und kann nichts!" Parteifreunde halt, Ludwig Thoma hätte seine Freude daran gehabt. Irgendwann
Mitte der 60er Jahre, nach vielen weiteren, kleinen Scharmützeln, waren die Wiesauer dann draußen. Der Führungsstab des Heeres begründete seine Entscheidung damals mit der Größe und der besseren kulturellen und schulischen Ausstattung Tirschenreuths. 1967 wurde dann das Ende des Kapitels "Garnison in Tirschenreuth" eingeläutet. Am 5. Januar 1967 wurde noch Hoffnung gemacht, am 17. Januar, also wenige Tage später, dann die Information aus dem Verteidigungsministerium: Finanzlücke, Ende der Planung, verschoben auf unbestimmte Zeit. Der Traum war vorbei!
In den nächsten Jahren nach der Absage wurden auch die Grundstückskäufe des Ministeriums wieder rückabgewickelt. Einen Platz auf der "Roten Erde" stellte das Ministerium der Stadt für den Bau einer "Höheren Bildungsanstalt" zur Verfügung, natürlich nur im Tausch. Im Jahr 1969, als schließlich der Bundestagsabgeordnete Franz Weigl auch die leise Hoffnung auf eine mögliche Bundesgrenzschutz-Kaserne zerstörte, wurden die Akten "Kaserne in Tirschenreuth" endgültig geschlossen.
Uranfunde
Es gäbe noch viel zu erzählen aus dieser unruhigen Zeit, etwa über Uranfunde im Gelände des zukünftigen Übungsplatzes. Seit Sommer 1957 gab es im Schirmerwald ein kleines, wenig beachtetes Versuchsbergwerk. Damit hatte nun wirklich kein Mensch gerechnet, aber "beachtliche Uran-Funde" des Bergamtes Amberg hätten im Mai 1959 fast alles zu Fall gebracht. Oder über den Egerer Stadtwald, den die Stadt gerne als Tauschobjekt für ihre Flächen gehabt hätte. Auch die Geschichten um zwei vermeintliche "Verräter" aus dem Großbürgertum und dem Stadtrat und um bedeutende Finanzlücken, die sich auftaten, weil Tirschenreuth bereits im Vorfeld massiv in die Infrastruktur investierte, ohne je eine schriftliche Zusage zu haben, stellen interessant Episoden dar.
Keine Niederlage
Fazit: Die Stadt war Ende der 60er Jahre um eine Hoffnung ärmer, hatte viel Geld in die Wasser- und Abwasserversorgung investiert, hatte 1963 eine zu große Oberrealschule (um-)gebaut, hatte Tausende von DM für eine teure Zwischenfinanzierung der Maßnahmen bezahlt. Schließlich wurde im Dezember 1968 eine Entschädigung in Höhe von 290 000 DM an die Stadt Tirschenreuth gezahlt. Viel zu wenig, wie die Stadtväter fanden. Sie hatten Zuschüsse in Höhe von 880 000 DM und Darlehen in Höhen von 1,4 Millionen Mark im Laufe der Jahre beantragt.
Rückblickend war die damalige Absage keine nachhaltige Niederlage für die Stadt. Kein Schießlärm, keine Umweltverschmutzung, keine Altlasten, dafür eine für damalige Verhältnisse optimierte Infrastruktur. Alt-Stadtbaumeister Karl Zintl war im Interview immer noch begeistert darüber, vor allem über die erste biologisch-mechanische Kläranlage, die er mit baute: "Die modernste weit und breit, nur etwas groß." Hintergrund
Das Ringen um die Garnison hat Thomas Sporrer bei seinen Recherchen für die neue Tirschenreuther Stadtchronik, die im Herbst 2020 erscheinen soll, nachgezeichnet. Es gab Anfang der 60er Jahre auch Widerstand gegen den Kasernenbau, und nicht zu knapp. Er fand sogar überregionale Beachtung. So schrieb das Coburger Tagblatt am 4. Februar 1960 unter der Überschrift „Es geht um den Bau einer Kaserne“ folgendes: „Groß war die Überraschung für Bürgermeister Karl Ruffing jedoch, als seine „Untertanen“ – so formulierte es der Redakteur – darüber nicht begeistert waren und in Briefen sogar beim Stadtrat energisch gegen den geplanten Kasernenbau protestierten. Ruffing, der befürchtete, die Vorteile fielen jetzt an die Nachbargemeinde Wiesau, reagierte in einer Sitzung des Stadtrates mit den bezeichnenden Worten: „Wir aber haben die Protestunterschriften. Sie werden in die Chronik der Stadt aufgenommen, auf dass einmal unsere Nachfahren wissen, wer den wirtschaftlichen Aufstieg ihrer Heimatstadt hintertrieben hat!“















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