Tirschenreuth
31.10.2019 - 17:44 Uhr

Vom Traumjob in den Ruhestand

Seit 1980 arbeitete Peter Gold am Kreisjugendamt in Tirschenreuth. Nicht nur Problem-Kinder, sondern auch Problem-Eltern gehörten zu seinen Fällen. Jetzt ging der Leiter des Allgemeinen Sozialdienstes in Ruhestand.

Viele Stationen durchlief der Sozialpädagoge, bis er 2013 Leiter des allgemeinen Sozialdienstes und stellvertretender Leiter des Kreisjugendamts wurde. Ende Oktober räumt er seinen Schreibtisch für seine Nachfolgerin Astrid Bösl. Der 65-Jährige erzählt im Interview von vielen Veränderungen, seinem Markenzeichen und warum er keine Angst vorm tiefen, schwarzen Loch hat.

ONETZ: Ende Oktober gingen Sie in Ruhestand. Waren Sie wehmütig oder zählten Sie die Tage?

Peter Gold: Grundsätzlich freue ich mich schon auf diese Zeit. Aber nach 40 Jahren in einer Abteilung, da ist ein bisserl Wehmut sicherlich dabei. Aber die Freude überwiegt.

ONETZ: Wie sind sie am Kreisjugendamt in Tirschenreuth gelandet?

Peter Gold: Ich bin in Deggendorf geboren und in Gauting aufgewachsen. In München hab ich Sozialpädagogik studiert. Meine erste Stelle hatte ich dann am Jugendamt in Fürstenfeldbruck. Meine Frau stammte aus Tirschenreuth. Sie ist etwa ein Jahr nach unserer Heirat gestorben. Wegen unserem kleinen Sohn bin ich nach Tirschenreuth gezogen, weil hier die Eltern meiner Frau lebten und unseren Sohn mit betreuen konnten. 1980 hab ich dann die Stelle im Jugendamt angetreten.

ONETZ: Welche Abteilungen haben sie am Amt durchlaufen?

Peter Gold: Ich habe hier eigentlich fast alle Stationen durchgemacht. Ich habe in der Jugendpflege gearbeitet, als Jugendgerichtshilfe, im Pflegekinderdienst und im Sozialdienst. Ich kenne den ganzen Landkreis. 2013 bin ich Leiter des Allgemeinen Sozialdienstes geworden und gleichzeitig stellvertretender Jugendamtsleiter.

ONETZ: Was sind ihre Hauptaufgaben als Leiter des allgemeinen sozialen Dienstes?

Peter Gold: Ich bin Anlaufstelle für die Kollegen, als fachliche Beratung. Dann gehört noch der Kinderschutz dazu - Meldungen über Kindeswohlgefährdung anzunehmen und bei Schwierigkeiten zu beraten. Dann haben wir eine ganze Reihe von Sonderdiensten, die bei uns ausgegliedert sind, wie Schulbegleitungen, Jugendsozialarbeit an Schulen oder ambulante Hilfen. Für diese Bereiche sind wir fachliche Beratungsstelle und Steuerungsstelle.

ONETZ: Wie hat sich ihre Arbeit im Laufe der Jahre verändert?

Peter Gold: Die hat sich enorm verändert! Früher war das auch in der Bevölkerung so bekannt: Das Jugendamt greift immer ein, wenn es in der Familie schwierig ist. Unser Ansatz ist heute vorher schon zu helfen, die Familie zu unterstützen und erst wenns gar nicht mehr geht, einzugreifen. Die Präventionsarbeit ist unsere Kernaufgabe. Wir sind mehr zum Servicecenter geworden.

Auch personell hat sich unheimlich viel getan. 1980 waren wir im Sozialdienst drei Leute. Heute sind wir 13. In meiner Anfangszeit habe ich den Pflegekinderdienst und die Jugendgerichtshilfe gemacht. Das sind heute drei Vollzeitstellen.

Die Aufgaben sind größer geworden, die Problemlagen in den Familien vielschichtiger. Der Hilfebedarf ist bei uns in der ambulanten Betreuung besonders stark gestiegen. Dafür ist die Heimerziehung zurückgegangen. Die Jugendhilfe hat sich verändert, ebenso wie das Familienbild.

Ein weiterer Punkt ist, dass wir ein gutes Netzwerk haben. Mit anderen Beratungsstellen, Schulen und anderen Fachstellen. Früher war das Jugendamt eher ein Einzelkämpfer.





ONETZ: Gibt es im Landkreis einen sozialen Brennpunkt?

Peter Gold: Nein, das kann man nicht sagen. Solche Brennpunkte kann man heute nicht mehr ausmachen. Früher hat sich unsere Arbeit auf bestimmte Städte konzentriert. Das ist nicht mehr so. Familien mit Schwierigkeiten gibt es nicht nur an einem Ort. Wir haben den Landkreis in zehn Bezirke unterteilt, die Aufgaben und Fälle sind überall ähnlich.

ONETZ: Sind ihnen einige Fälle besonders im Gedächtnis geblieben?

Peter Gold: Es gibt schon viele Fälle, wo man sehen kann, dass die Hilfe gegriffen hat. Das freut einen schon, da kann man stolz sein. Wenn man mitbekommt, der hat jetzt eine Arbeitsstelle, obwohl man vorher nie vermutet hat, dass das gelingt. Schön ist auch, wenn eine kurzzeitige Betreuung hilft. Das gelingt aber auch nicht immer. Manche Fälle begleitet man über Jahre. Einige Kinder unterstützt man durch die Jugend bis zum Berufseinstieg, von der stationären Behandlung bis zur Verselbstständigung.

ONETZ: Gibt es auch „Wiederholungstäter“?

Peter Gold: Manchmal pflanzen sich Probleme in der Familie. Es kann es schon vorkommen, dass man den gleichen Namen immer wieder auf dem Schreibtisch hat. Auch wenn ein Kollege von der Familie "Sowieso" aus seinem Bezirk erzählt, kann ich oft sagen: Ja, kenn ich schon. In über 40 Jahren in einem Amt, da kriegt man schon viel mit.

ONETZ: Sie haben auch die Erstaufnahme von minderjährigen Flüchtlingen mitbetreut.

Peter Gold: Das war im Juni 2016. Als Jugendamt waren wir von jetzt auf gleich gefordert. Die Politik hat plötzlich entschieden, dass wir jetzt für die minderjährigen Asylsuchenden zuständig sind. Peng. Wirklich von heute auf morgen mussten wir 25 Kinder und Jugendliche unterbringen. Egal wie. Am nächsten Tag kommen die an. Und wir wussten nicht wohin. Das war schon sportlich. Da war viel Druck da. Das bewältigt man nur im Team und mit viel Engagement. Ich habe in der Unterbringung sogar mal mit übernachtet, als nicht genug Betreuer da waren.

ONETZ: Sie sind mit Leib und Seele Sozialpädagoge. Was zeichnet sie aus?

Peter Gold: Mit der Zeit wird man gelassener, ist nicht mehr so schnell aufgeregt oder schockiert. Ich denke diese Ruhe ist zu meinem Markenzeichen geworden.

ONETZ: Fehlt ihnen diese Arbeit nicht, wenn sie am Schreibtisch sitzen?

Peter Gold: Ich hätte nie nur am Schreibtisch sitzen können. Als Sozialarbeiter darf den Bezug zu den Kindern und Jugendlichen nicht verlieren. Es hat sich soviel verändert, die ganze digitale Welt zum Beispiel. Man muss wissen wie die ticken, welche Musik sie hören, was ist modern. Das kriegt man nur mit, wenn man dabei ist. Als Jugendpfleger war ich deshalb oft bei Fahrten dabei. Ab und zu übernimmt man als Leiter auch einige Spezialfälle. Wenn man einen Kollegen berät, ist man immer am Fall. Und in der Rufbereitschaft bin ich auch mit eingeteilt. Diese Fall-Arbeit ist wichtig.

ONETZ: War es ihr Traumjob?

Peter Gold: Eigentlich schon, ja. Was mich sehr stark interessiert ist Geschichte. Wenn ich heute entschieden müsste, stünde ein Geschichtsstudium in Konkurrenz. Aber wahrscheinlich würde ich trotzdem bei Sozialpädagogik bleiben (lacht).

ONETZ: Was werden sie besonders vermissen?

Peter Gold: Die Kollegen werde ich vermissen, das ist klar. Aber ich weiß, dass alles in guten Händen ist. Und ich habs relativ leicht, denn das Amt ist am Ort. Da komm ich öfter min Radl vorbei. Es ist nicht so, dass ich in ein tiefes schwarzes Loch fallen würde. Ich habe viele andere Interessen.

Erst letzte Woche habe ich einen ehemaligen Kollegen getroffen, beim Boule spielen - in Frankreich der Freizeitsport der Rentner (lacht). Er ist seit Anfang des Monats im Ruhestand und hat geschwärmt!

ONETZ: Suchen sie sich neue Herausforderungen im Ruhestand?

Peter Gold: Nein, ich denke ich werde meine bisherigen Hobbys eher intensivieren. Es haben schon einige Leute mitbekommen: Der Gold hat jetzt bald viel Zeit. Da kommen schon einige Anfragen, ob ich eine Frankreich-Fahrten begleiten kann. Das nehm ich gerne an.

 
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