Tirschenreuth
19.11.2024 - 13:06 Uhr
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Wie vorgehen bei Messer-Attacke im Jugendamt? Polizei trainiert in Tirschenreuth für den Ernstfall

Angenommen, ein bewaffneter Angreifer attackiert Mitarbeiter im Kreisjugendamt in Tirschenreuth: Wie geht die Polizei nach dem Eintreffen einer solchen Meldung vor? Genau das trainierten jetzt Beamte der PI Tirschenreuth.

Polizisten mit schwerer Schutzausrüstung samt Helm laufen am helllichten Tag vom Gelände ihrer Inspektion aus auf die Bahnhofstraße in Tirschenreuth, stoppen dazu den Verkehr. Dann eilen sie weiter, ihr Ziel ist das Gebäude, in dem der Allgemeine Sozialdienst (ASD) des Kreisjugendamtes untergebracht ist. Was ist da los? Das dürften sich so manche Passanten voller Sorge gefragt haben. Doch was dramatisch aussah, war lediglich eine Übung.

Wie Polizeihauptkommissar Tobias Merkl berichtet, führten Beamte der Polizeiinspektion Tirschenreuth am vergangenen Freitag eine Sonderübung in den Räumen des Jugendamts durch. Trainiert wurde demnach das Zusammenwirken von Einsatzkräften bei einer "besonders fordernden polizeilichen Einsatzlage". Verwendet werde hierfür auch der Oberbegriff "Lebensbedrohliche Einsatzlage". "Darunter fallen beispielsweise Bedrohungen unter Mitführung von Waffen wie Messern oder Schusswaffen", erklärt Merkl.

Schnelles und koordiniertes Handeln

Konkret gingen die Tirschenreuther Beamten von einem Angreifer aus, der mit einem Messer Mitarbeiter des Jugendamtes attackierte, so Merkl. "In solchen Fällen ist schnelles und entschlossenes, ebenso wie koordiniertes Vorgehen erforderlich", betont Merkl. Die Polizeibeamten hätten schwere Schutzwesten angelegt und seien mit entsprechender Bewaffnung vorgerückt, um den Täter schnellstmöglich zu stellen und handlungsunfähig zu machen.

Die weitgehend unbekannte Übungsörtlichkeit habe für die Einsatzkräfte "zusätzlich Würze ins Ganze" gebracht, wie es Merkl in seinem Bericht formuliert. "Für alle Beteiligten war die Übung ein großer Erfolg und brachte wertvolle Erkenntnisse", bilanziert der Polizeihauptkommissar. Diese würden im Zuständigkeitsbereich der PI Tirschenreuth aber hoffentlich nie im Ernstfall benötigt, so die Hoffnung Merkls. "Sollte es dennoch erforderlich sein, so ist die Polizei entsprechend vorbereitet", ergänzt Merkl.

Novum für PI Tirschenreuth

Auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien informiert Erster Polizeihauptkommissar Günther Burkhard, Leiter der PI Tirschenreuth, dass die Initiative zur Durchführung dieser Übung von der Dienststelle selbst ausgegangen sei. "Wir wollten damit unsere Abläufe überprüfen, um im Fall der Fälle bestmöglich gewappnet zu sein." Eine Sonderübung wie diese sei eine Ergänzung des regelmäßigen Trainings der Beamten, das pro Jahr mehrere Fortbildungen beinhalte. Auch andere Dienststellen, wie etwa jene in Neustadt/WN und Weiden, hätten in jüngerer Vergangenheit ähnliche Übungen angesetzt. "Bei der PI Tirschenreuth gab es das in der Form zuvor aber noch nicht", so Burkhard weiter.

Unter welchen Bedingungen würde im Falle eines bewaffneten Angreifers auch ein Sondereinsatzkommando verständigt? Bei dieser Frage bittet Burkhard um Verständnis, dass er keine einsatztaktischen Details preisgebe. "Wenn eine bestimmte Lage eingetreten ist, wird entschieden, welcher Kräfteeinsatz erforderlich ist", so Burkhard. Könnte es unter Umständen nicht relativ lange dauern, bis eine Sondereinheit vor Ort ist? Dazu erklärt Burkhard, dass diese Kräfte recht schnell anrücken könnten. "Das muss ja nicht auf dem Straßenweg geschehen."

Anlieger im Vorfeld informiert

Rund 20 Kilo wiegt jeweils die spezielle Schutzausrüstung, die für die Sonderübung angelegt wurde, wie Burkhard auf weitere Nachfrage berichtet. Sie umfasst neben einem Helm auch eine im Vergleich zum Standardmodell größere und schwerere Schutzweste. "Die hält mehr aus", erklärt Burkhard. Angesprochen auf die auf einem Foto erkennbare Maschinenpistole, teilt Burkhard mit, dass in diesem Fall Übungswaffen verwendet worden seien.

Die Mieter und Vermieter der Häuser in der direkten Umgebung des Jugendamtes seien im Vorfeld informiert worden, wie Burkhard auf Nachfrage berichtet. In einer Firma habe es für die Belegschaft auch einen Aushang gegeben. "Eine Mieterin hat wegen der Sache angerufen, aber das konnten wir schnell klären." Um einige Autofahrer, die wegen der Straßenüberquerung der Beamten kurzzeitig anhalten mussten, habe sich der PI-Chef auch selbst gekümmert: "Denen habe ich gesagt: Keine Sorge, das ist nur eine Übung."

Mitarbeiter nicht eingebunden

Walter Brucker, Pressesprecher des Landratsamtes Tirschenreuth, teilt auf Anfrage von Oberpfalz-Medien mit, dass es für die Auswahl der Jugendamts-Stelle als Übungsobjekt keinen bestimmten Anlass in der Vergangenheit gegeben habe: "Die PI Tirschenreuth hatte aufgrund des Raumangebots und der Nähe zu ihrer Polizeidienststelle beim ASD angefragt." Auf die Arbeit der Einrichtung habe sich die Übung nicht ausgewirkt. "Die Übung fand außerhalb der Öffnungszeiten des Jugendamtes statt. Die Mitarbeiter des Jugendamtes waren auch nicht anwesend und auch thematisch nicht mit eingebunden", informiert Brucker.

Wie Brucker weiter auf Nachfrage erklärt, gab es beim Allgemeinen Sozialdienst des Jugendamtes bisher noch keine brenzlige Situation. "In anderen Bereichen war schon mal die Polizei bei der Durchsetzung des Hausrechts mit beteiligt", so Brucker. Gibt es für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamtes Kurse oder Fortbildungen zum richtigen Verhalten in Bedrohungslagen? Hier verweist Brucker rückblickend auf einen Kurs zur Selbstbehauptung bzw. Selbstverteidigung für Frauen sowie ein Seminar mit dem Titel „Deeskalierender Umgang mit aufgebrachten und aggressiven Antragstellern“.

Hintergrund:

Lebensbedrohliche Einsatzlage (LbEL)

  • Einsatzlage mit hohem Gefährdungspotential für das Leben von Opfern, Unbeteiligten und Einsatzkräften, bei denen ein oder mehrere Täter insbesondere mittels Waffen, Sprengmitteln, gefährlichen Werkzeugen/Stoffen oder außergewöhnlicher Gewaltanwendung gegen Personen vorgehen, diese verletzt oder getötet haben und möglicherweise weiter auf Personen eingewirkt werden kann.
  • Lebensbedrohliche Einsatzlage bereits gegeben, wenn Anhaltspunkte ein solches Täterverhalten unmittelbar erwarten lassen.
  • Endgültige Feststellung einer Lebensbedrohlichen Einsatzlage erfolgt durch zuständige Polizeibehörde.

Quelle: www.brandwacht.bayern.de

 
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