„Der Gebende von heute, kann der Nehmende von morgen sein.“ Bis in zehn Jahren, so die Prognosen, wird es doppelt so viele alte und kranke Menschen, wie heute geben. In den hellen, freundlichen Räumen der solitären Tagespflegeeinrichtung der Sozialstation der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Braunetsriether Weg feierten die über 50 Beschäftigten mit vielen Gästen das 25-jährige Bestehen der Alten- und Krankenpflegestation. Diese lange Zeit sei ein Ausflug in die Vergangenheit wert, um zu sehen, was sich aus den kleinen, bescheidenen Anfängen mit vier Kolleginnen und ein paar Patienten entwickelte, meinte AWO-Ortsvereinsvorsitzende und Sozialstationsleiterin Karin Gesierich. Viele sind der Einladung gefolgt, doch die wichtigsten Personen waren an diesem Tag die Kollegen aus der Pflege, der Hauswirtschaft, der Betreuung, der Verwaltung, der Tagespflege und des Fahrdienstes.
Dekan Alexander Hösl anerkannte, dass die Mitarbeiter in den 25 Jahren des Bestehens vielen Menschen in ihrer Bedürftigkeit und in ihrer Pflege begleiteten. Dafür sagte der Geistliche „Vergelt‘s Gott“ für diesen wertvollen, christlichen Auftrag, den wir alle immer wieder in unserem Leben umsetzen sollen. „Danke, dass es sie gibt und, dass sie in diesem Bereich tätig sind.“ Der Pfarrer zitierte von einem AWO-Plakat: „Dass die Schulung der Mitarbeiter in Theorie und Praxis an erster Stelle stehen muss, bedarf keiner Begründung.“ In unserer Gesellschaft gebe es einen enormen Notstand in den Sozialberufen wie Alten- und Krankenpflege, aber auch bei den Lehrern oder Erziehern. Diese Entwicklung lasse viele Menschen mit großer Sorge in die Zukunft schauen.
Das Fehlen der Pflegekräfte sei ein Alarmzeichen und brauche eine Reaktion aus der Gesellschaft heraus. Da sei nicht nur die Politik gefragt. Diese Berufe bräuchten wieder mehr Wertschätzung. Umso schwieriger sei es, junge Menschen zu motivieren, genau in diese Berufsfelder einzusteigen. „Es müssen endlich wieder die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass diese Berufe für unsere nachwachsende Generation attraktiv wird.“ Der Geistliche forderte einen gesellschaftlichen Ruck, wenn wir unser Gesellschaftssystem, das auf Solidarität und Subsidiarität aufgebaut ist, in eine gute Zukunft führen wollen. Darüber hinaus müsse durch die Abschaffung der Wehrpflicht ein verpflichtendes soziales Jahr eingeführt werden für die Jugendlichen, damit diese für die Berufe in den sozialen Bereichen sensibilisiert werden.
„Ich kann nur mit jemanden mitreden, wenn ich in dessen Schuhen gegangen bin“, besagt ein afrikanisches Sprichwort. Die Tatsachen, die der Geistliche aufzählte, begründen es, „allen Pflegekräften ein aufrichtiges Wort des Dankes zu übermitteln, denn sie leisten in einer Zeit, in der vieles nicht mehr selbstverständlich ist, einen ganz wertvollen Beitrag in der Gesellschaft“. An so einem Jubiläum dürften aber auch die Menschen nicht vergessen werden, die bereits in die Ewigkeit hinüberwanderten. Deswegen schloss sich ein Gedenken an, in dem an die verstorbenen Mitarbeiter oder Patienten erinnert wurde.
Als unverzichtbare Stütze und feste Größe bezeichnete Bürgermeister Andreas Wutzlhofer den AWO-Verein. Eine Organisation, die ganz nahe am Puls der Gesellschaft stehe und dies seit nunmehr 25 Jahren. „25 Jahre Sozialstation in Vohenstrauß, das sind ein Vierteljahrhundert Dienst am Menschen und gelebte Gemeinschaft.“ Dieser Dienst veränderte sich aufgrund des Wandels der Gesellschaft ständig. „So hat es die AWO Vohenstrauß seit 1994 immer wieder als starker Dienstleister auf dem sozialen Sektor geschafft, zukunftssichere Antworten zu geben“, führte das Stadtoberhaupt aus. „Wo es um soziale Belange geht, geht es immer um die Teilhabe der Menschen am gesellschaftlichen Leben und die Möglichkeit, möglichst lange in der eigenen vertrauten Umgebung bleiben zu können.“
Und genau hier leiste das Team der AWO mit dem ambulanten Pflegedienst oder auch der Tagespflegeinrichtung Großartiges.“ Besonders die Schwächsten in der Gesellschaft haben die AWO-Kräfte im Blick. Als „das Herzstück der AWO-Sozialstation“, bezeichnete Wutzlhofer die solitäre Tagespflege, in der seit zwei Jahren gezielt darauf hingearbeitet wird, dass den zu betreuenden Patienten weitgehend die Selbstständigkeit erhalten bleibt und sie motiviert werden, den Tagesablauf ein wenig aktiver mitzugestalten. Mit einer Geldspende zum Jubiläum dankte der Bürgermeister für den Einsatz in den 25 Jahren und gratulierte ganz herzlich. Solist Horst Peugler spielte zur Unterhaltung auf. Mit einem abwechslungsreichen und köstlichen Büffet verwöhnte das AWO-Team im Anschluss die Gäste bei der geselligen Feier.
Viele Bilder kamen Gesierich beim Rückblick in den Sinn: Bilder von 1000 kleinen Freundlichkeiten, Zärtlichkeiten, guten Worten, geschickten Handgriffen aber auch Augenblicke von schwerer körperlicher Arbeit. Sie denke aber auch an professionelle Verwaltungsarbeit und optimale Einsatzplanung, alles zum Wohl von Menschen die ihnen anvertraut sind. Woody Allen sagte einmal: „Erfolgreich zu sein heißt, anders als die anderen zu sein“, zitierte Gesierich.
Sie und ihre Kolleginnen könnten von Erfolg reden, wenn man betrachte, was sich in diesen 25 Jahren entwickelte und noch entstehen wird. Ihre Großmutter gab ihr einmal den Rat: „Es ist schwer die richtige Mitte zu finden. Das Herz zu härten für das Leben, aber zugleich weich zu halten für die Liebe.“ Für die Härte stünden Professionalität, Konsequenz, Einhaltung von Normen und Standards, Wirtschaftlichkeit, Refinanzierung, Pünktlichkeit und Distanz, alles Dinge die eingehalten werden müssen in der Pflege. Für die Liebe und das Leben stünden die Patienten in ihrer Not, in ihrem Leid und mit den Bitten „Bleib doch noch ein bisserl“. Für die Liebe könnten jedoch auch die vielen Handgriffe die man macht, weil sie eben gemacht werden müssen, gedeutet werden. Hinzukommen Geduld, Empathie, Verständnis und vieles andere mehr. Sie unterstellte allen ihren Kolleginnen, dass sie „diese Mitte“ gefunden haben.
Gelungen sei es auch, das AWO-Team rechtzeitig zu verjüngen. Die Alten lehren mit ihrer Erfahrung und die Jungen bringen Esprit ins Team ein. Weiter nannte Gesierich das gute Arbeitsklima in der Einrichtung, das allseits geschätzt werde. „Jeder darf so sein wie ihn die Natur geschaffen hat. Der eine quirlig, temperamentvoll und der andere eher ruhiger, in sich gekehrt und wir dürfen auch Fehler machen, die verziehen und nicht nachgetragen werden.“ Gesierich bedankte sich für die immerwährende Hilfe bei der Stadt, für die Grundstücksverhandlungen bis hin zu einem schattenspendenden Baum für den Garten und bei den Pfarrern für die so geschätzten Wortgottesdienste in der Tagespflege. Ein Patient, der gesundheitsbedingt keinen Gottesdienst mehr besuchen kann, sagte einmal: „Ihr heits ma wirklich koi bessere Freid machen kina.“ Dafür sagte Gesierich ein herzliches „Vergelt’s Gott“.
Sie dankte ebenfalls den AWO-Vorstandsmitgliedern für das uneingeschränkte Vertrauen und das Mittragen aller Beschlüsse sowie bei Rainer Kaldun, der sich zuverlässig um die technischen Angelegenheiten und EDV-Anlagen in der Einrichtung kümmert. Zudem erarbeitete der Böhmischbrucker die Festschrift zum Jubiläum, hob Gesierich hervor. Zu allen gewandt sagte sie: „Ihr seid einfach ein Spitzen-Team.“
25 Jahre Alten- und Krankenpflege der Arbeiterwohlfahrt in Vohenstrauß
Am 1. April 1994 haben 4 Pflegfachkräfte und 1 Verwaltungsangestellte, 2 Räume bei Georg Fischer angemietet, die mit gebrauchten Möbeln von der Stadt und Spenden ausgestattet wurden. „Der Fischer Schorsch war sehr froh, dass er ein paar Moidla ins Haus bekommen hat“, wusste Gesierich. Ausgestattet mit den allerwichtigsten Utensilien wie einem Blutdruckmessgerät und einer kleinen Pflegetasche und ohne Dienstautos sondern mit den eigenen Privatautos starteten die Schwestern ihren Pflegedienst. „Wir waren zufrieden.“ Viel wichtiger sei dem Team damals wie heute gewesen, ihre Ideologien zu verwirklichen. Ein Plakat aus dieser Zeit präsentierte Karin Gesierich am Sonntag den Gästen mit den gesetzten Zielen: „Optimale, individuelle Patientenbetreuung, Zeit und Geduld für Pflegebedürftige, Zuwendung und Diskretion und dadurch Verbesserung der Lebensqualität für Pflegebedürftige und deren Angehörige.“ Bald wurden die Räumlichkeiten zu klein. Es fehlte ein Besprechungsraum, der schließlich durch einen Umbau geschaffen wurde. Leider konnten die AWO-Verantwortlichen den Wunsch Fischers nicht erfüllen, möglichst lange in den Räumen zu bleiben, erinnerte Gesierich. „Die Parksituation wurde durch die umliegenden Firmen und Arztpraxis untragbar.“ Das frühere, leerstehende Obag-Gebäude im Braunetsriether Weg stach der Vorsitzenden auf dem Heimweg dann ins Auge. Altbürgermeister Josef Zilbauer half mit, dass der Bezirksverband das Gelände zu einem passablen Preis erwerben konnte, berichtete Gesierich. So konnte eine Sozialstation nach eigenen Bedürfnissen eingerichtet werden. Ein An- und Umbau wurde jedoch ein paar Jahre später unumgänglich. Das erweiterte Angebot forderte wiederholt Erneuerung. Ambulant vor stationär mache auch politisch Sinn. „Dieses Angebot wollten wir auch den Angehörigen und Patienten bieten. Die Tagespflege kommt an, denn die Patienten wissen, sie dürfen wieder nach Hause. Alle Plätze sind ausgebucht.“ Derzeit entsteht eine wunderbare Sinnesgartenanlage, auch für Demenzkranke.
Wie schnell ein Bürgermeister in der Gunst seiner Mitbürger steigen kann, bewies das Stadtoberhaupt im Zusammenhang mit der 25-Jahrfeier der Alten- und Krankenpflegestation der Arbeiterwohlfahrt (AWO) am Sonntagnachmittag. „Wir haben einen umsichtigen und bürgernahen Bürgermeister“, lobte AWO-Ortsvereinsvorsitzende Karin Gesierich, gleichzeitig als Leiterin der Sozialstation mit Tagespflegeeinrichtung, als sie mit einer kleinen Geschichte die Jubiläumsfeier einleitete.
Am Freitag habe sie das schöne Rednerpult bei der Stadt in der Friedrichsburg bei der Eröffnung des Kultursommers entdeckt, traute sich aber nicht zu fragen, ob sie es für den eigenen Festakt ausleihen könnte. Ein Anruf am Samstag kam für Gesierich überraschend vom Bürgermeister höchstpersönlich, mit der spontanen und fürsorglichen Nachfrage, ob Gesierich denn für den Festakt am Sonntag ein Rednerpult vorrätig hätte, worauf Gesierich verneinte. Kurzum erklärte sich Wutzlhofer bereit: „Ich bringe dir eins vorbei.“ Glücklich über diese Wendung habe sie Wutzlhofer in ihr Abendgebet eingeschlossen. Deswegen wollte sie ihn am Tag der Jubiläumsfeierlichkeit, unter großem Applaus der Gäste, auch allen anderen Besuchern vorneweg willkommen heißen.
Es ist schwer die richtige Mitte zu finden. Das Herz zu härten für das Leben, aber zugleich weich zu halten für die Liebe.
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