Vohenstrauß
20.06.2022 - 22:12 Uhr

„Auerhaus“ bei LTO: Erfolgreich erwachsen werden

Frieder liegt am Boden. Es ist ein Moment, in dem alles still zu stehen scheint. Die temporeiche Handlung, die Welt draußen, das Publikum und sogar die Zeit selbst, scheint eingefroren. Doch das ist noch nicht das Ende von „Auerhaus“.

Höppner, Frieder, Vera, Cäcilia, Harry und Pauline sind sich im Grunde bewusst: „Auerhaus“ bedeutet Freiheit, aber nur auf Zeit. Der Name für die WG ist Programm, stammt er doch von den Dorfbewohnern, die den Madness-Song „Our House“ dort hören und ihn – ebenso wie die Jugendlichen an sich – nicht verstehen.

Mit dem Stück nach einem Roman von Bov Bjerg wagt sich das Landestheater Oberpfalz (LTO) auf der Bühne in der Friedrichsburg an einen anspruchsvollen Stoff heran und bürdet gleichzeitig seinen jungen Darstellern eine große Last auf. Zumal kurzfristig Ersatz für ein ausgefallenes Ensemblemitglied gefunden und die Premiere um einige Tage auf vergangenen Sonntag verschoben werden musste.

Was zunächst wie eine normale Coming-of-age-Geschichte beginnt – die Freunde ziehen in das Haus von Frieders verstorbenem Großvater um jenseits ihrer problematischen Elternhäuser das Leben zu genießen – erfährt bald eine dramatische Wandlung. Die Jugendlichen wollen eigentlich nur aus der Kette „Geburt – Schule – Arbeit – Tod“ ausbrechen. Zwischen Neugier auf das Leben und „No future“ belasten Drogen, sexuelle Experimente, nicht ausgetragene Konflikte sowie Straftaten zunehmend das Zusammenleben.

Psychische Probleme

Doch da ist noch mehr. Frieder (Philipp Rosenthal) hat einen Suizidversuch durch Zufall überlebt und bringt eine Bekannte aus der „Klapse“, Pyromanin Pauline (Lara Thomas) mit in die WG. Die hat mit dem planlosen Höppner (Julian Kühndel), dem zwielichtigen Harry (Jakob Roidl), der lebenslustigen Vera (Theresa Weidhas) und der behüteten Cäcilia (Jana Tölzer) ohnehin schwierige Charaktere zu bieten.

In seiner (zumindest vorerst) letzten Inszenierung für die Festspielsommer des Landestheaters überlässt Till Rickelt nichts dem Zufall. Kulissen, Kostüme und Beleuchtung – viele Passagen lässt der scheidende künstlerische Leiter des LTO durch seine Bearbeitung in einem wenig optimistischen Einheitsbrei verschwimmen, um ihn dann durch spannende (inhaltliche) Farbtupfer immer wieder aufzulösen. Die clevere Bearbeitung zeichnet eine Menge sarkastischen Humors, turbulente Momente und Überraschungen aus.

Die verdichteten Szenen aus der zugrundeliegenden Theaterfassung von Robert Koall, in denen die Darsteller immer wieder in die Perspektive des Erzählers wechseln, Handlungssprünge, Wendungen und rasante Tempiwechsel nahtlos ablaufen, spiegeln das Sprunghafte in den jungen Erwachsenen wider.

Balanceakt geglückt

Trotz allem verliert der Plot durch eine bemerkenswerte Ensembleleistung nie den Überblick, trennt mit wachsender Zuspitzung adoleszente „Melancholie“ sauber von echter Depression. Insbesondere die Machtlosigkeit der Freunde angesichts Frieders Labilität und der drohenden Suizidgefahr ist ungeheuer authentisch. Als die Handlung schließlich erneut die Schüsselszene nach Frieders Baumfällaktion passiert, hat sich viel verändert. „Ich war ganz da“, sagt Frieder. Das ist auch das Premierenpublikum, das gespannt auf die Auflösung von „Auerhaus“ wartet. Mehrere Vorhänge (und der befreite Jubel des Ensembles hinter den Kulissen) zeigen: Mit der sehenswerten Inszenierung ist Till Rickelt und seinen Darstellern etwas Besonderes gelungen.

Weitere Termine: 25. und 30. Juni, 3.,7. und 23. Juli. Karten bei nt-ticket.de

OnetzPlus
Leuchtenberg26.05.2022
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.