Der Arzt hat auch Zahlen, die er belegt: Als er 1982 in Vohenstrauß zu Praktizieren anfing, nahm die Bürokratie gerade einmal 15 Prozent ein, heute sind es anteilig 68 Prozent seiner Tätigkeit. "Eigentlich könnten wir Patienten gar nicht mehr brauchen", klagt Gref. Doch nicht nur das. Vieles liege im Gesundheitswesen im Argen. "Chirurgie hat viel mit Menschlichkeit zu tun - heute aber nicht mehr."
Die Politik müsse vernünftige Rahmenbedingungen schaffen, forderte er von Landtagsabgeordneter Annette Karl, die im Gasthof "Zur Post" zum Thema "Auf ein Wort mit Annette Karl" vom SPD-Ortsverein eingeladen wurde, um mit Bürgern ins Gespräch zu kommen. Vorsitzender Markus Kick begrüßte 22 Besucher, darunter einige Stadträte über Parteigrenzen hinweg. Die Landtagswahl werde eine Richtungswahl werden, meinte Karl. Immer mehr Lehrer und Polizisten seien in Großstädten im Dienst. Für diese Leute fordere sie nach fünf Jahren ein Rückkehrrecht in ihre Heimat. "Was den Münchenern bei der Behördenverlagerung versprochen wurde, muss auch für die Oberpfälzer gelten."
Für Gref werde in Bezug auf die Lehrerverfügbarkeit viel gelogen, tatsächliche Zahlen würden verschwiegen. Schon bei seiner Tochter fielen Unterrichtsstunden aus, und jetzt bei seinem Enkel zeichne sich das gleiche Bild ab. Der Mediziner nannte es pervers, wenn sich Lehrer im August arbeitslos melden müssen.
Offiziell fehlten keine Lehrerstunden, berichtete Karl, denn "man kratzt alles zusammen, vom Ruheständler bis zu mehr Stunden für Referendare und zu Crash-Kursen". Gref bezeichnete dieses Vorgehen eine "Granatenschlamperei". Statt Kombiklassen wären kleinere Einheiten viel besser. Karl: "Auch in Vohenstrauß hat man gemeint, noch eine Kombiklasse einführen zu müssen, weil man die größte Grundschule im Landkreis ist." Zudem forderte sie eine kostenlose Kinderbetreuung.
Weitere wichtige Punkte waren die Kindergrundsicherung und bezahlbare kleine Wohnungen, die selbst in Weiden nicht mehr vorhanden seien. Danach ging die Abgeordnete auf die älteren Menschen über. "Von der Zusicherung der Barrierefreiheit bis zum Jahr 2023 sind wir Lichtjahre entfernt." Verstärkte Anregungen brauche es auch für die wohnortnahe Gesundheitsversorgung sowie eine Aufwertung der Pflege- und Gesundheitsberufe. Ihren aufrichtigen Dank schickte sie zu den "höchst engagiert arbeitenden Polizeibeamten", die Sicherheit gewährten, obwohl die Dienststellen unterbesetzt seien und die Beamten zwei Millionen Überstunden hätten. "Knapp 30 Prozent der Sollstellen sind nicht besetzt."
Andererseits gebe es so viele Neueinstellungen wie nie. Trotzdem hätten viele Menschen Angst und fühlten sich unsicher, "weil man auch halt merkt, dass mit dem massiven Zuzug von Flüchtlingen andere Mentalitäten und andere Straftaten auftauchen, die wir in dieser Form vorher nicht hatten". Das dürfe nicht unter den Tisch gekehrt oder als heile Welt verkauft werden. Der vom Polizeipräsidium vielgepriesene "Eiserne Schutzmann" trage nicht gerade zu einem besseren Sicherheitsgefühl bei. Karl kritisierte auch die neu geschaffene Grenzpolizei, die nichts anderes mache als Schleierfahnder. Besser wäre es gewesen, die Schleierfahndung aufzustocken.
Die Gewerkschafterin und Gerresheimer-Betriebsrätin, Lydia Armer, prangerte das gesellschaftliche Problem in Sachen Schulbildung an. "Heute stehen Ingenieure an den Spritzgussmaschinen." Was in den Berufsschulen gelehrt werde, stimme nicht mehr damit überein, was in den Prüfungen abgefragt werde, klagte sie. In den Köpfen der Eltern müsse sich wieder mehr durchsetzen, dass auch ein Mittelschüler eine gute Ausbildung absolvieren kann. Nicht jeder könne ein Akademiker sein. Eltern seien nur mehr zufrieden, wenn sie ihre Kinder auf Gymnasien schicken könnten. Armer findet diese Entwicklung schade.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.