Die Emotionen kommen ungebremst mit voller Wucht. Wenn Edith Piaf im schlichten schwarzen Kleid aus dem Dunkel der Bühne ans Mikrofon tritt, wird sie eins mit ihren Chansons und ihrem geliebten Publikum. Aber auch die kühle Marlene Dietrich schafft es mit seltenen Nuancen, in denen sie von ihrer kontrollierten Art abweicht, tief zu bewegen.
Starke Darstellerinnen
Dass das Kammermusical „Spatz und Engel“, mit dem das Landestheater Oberpfalz (LTO) seinen Kulturherbst einläutet, eine Erfolgsgeschichte wird, ist vor allem den beiden Darstellerinnen zu verdanken.
Mica Bara glänzt mit einer gesanglich beeindruckenden und extrovertierten Darstellung als Piaf, während Claudia Lohmann den komplexen Charakter Dietrichs sehr authentisch transportiert. Der musikalische Leiter und Pianist Thomas Basy und Akkordeonspieler Michael Bertelshofer hüllen die Gesangsparts mit Titeln wie „La vie en rose“, „Frag nicht, warum ich gehe“ oder „Milord“ in eine herrliche, kontinuierlich getragene Chanson-Stimmung.
Zwei wie Licht und Schatten
Die (Liebes-)Geschichte ist wahr: Die Sängerinnen begegnen sich 1948 in New York. Die Eine eine Offizierstochter, die Andere das Kind eines Zirkusakrobaten und einer Straßensängerin. Die Eine wechselt ihre Männer wie ihre Garderobe, die Andere träumt stets von der großen Liebe. Stilikone Dietrich, bereits ein Weltstar, verhilft der deutlich talentierteren, aber labilen Piaf zum Durchbruch und verhindert so lange es geht, auch deren Absturz.
Christian A. Schnell lässt in einer mitreißenden und stilsicheren Inszenierung seinen Protagonistinnen viel Raum. Bara und Lohmann nutzen ihn für die lebendige Ausgestaltung ihrer überzeugenden Figuren. Wenn Bara als bereits erkrankte Piaf trotzig und ohne Rücksicht auf Verluste ihr „Non, je ne regrette rien“ schmettert und Lohmann mit dem von Dietrich perfekt intonierten – und leider sehr aktuellen – Antikriegslied „Sag mir, wo die Blumen sind“ das Publikum zum Taschentuch greifen lässt, bekommt der Abend seine großartigen Momente.
Als in der Schlussszene eine hochbetagte Marlene Dietrich geistige Zwiesprache mit ihrer seit 25 Jahren verstorbenen Freundin Edith Piaf hält, lässt sie die so unterschiedlichen Lebensentwürfe noch einmal aufeinanderprallen. Sanfter dieses Mal, aber doch – ohne Altersmilde – nicht weniger überzeugt.
Der Spatz, der ein Leben am Anschlag führte und früh verbrannte und der Engel, der sich in ein preußisches Korsett aus Regeln zwängte und mit mehr als 90 Jahren zurückgezogen und vereinsamt starb – es war eine Freundschaft besonderer Menschen. Wie die vollauf begeisterten Zuschauer das Ende nun bewerten, bleibt ihnen selbst überlassen. Was bleibt, ist auf jeden Fall ein Abend mit schlicht umwerfender Musik und großen Gefühlen.
Infos: www.landestheater-oberpfalz.de
Termine „Spatz und Engel“
- 13., 14., und 15. Oktober Stadthalle Vohenstrauß;
- 10., 11., und 12. November Ring-Kino Weiden („Die Sünde“);
- 16. Februar Schwarzachtalhalle, Neunburg vorm Wald;
- 22. und 23. März, Spitalkirche St. Marien Nabburg.
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