Vohenstrauß
20.06.2018 - 14:16 Uhr

Maria wacht über Reiseservice

In und am Gebäude des ehemaligen Amtsgerichts herrscht geschäftiges Treiben: Dort zieht bis Mitte Juli der neue Reiseservice Bayern (RSB) ein. Er koordiniert Dienst- und Fortbildungsreisen für alle Mitarbeiter des Freistaats.

Bei der Madonnenfigur, die Kirchenmalerin Monika Müllner wieder instand setzte, handelt es sich um ein besonders wertvolles Exemplar. dob
Bei der Madonnenfigur, die Kirchenmalerin Monika Müllner wieder instand setzte, handelt es sich um ein besonders wertvolles Exemplar.

Die Arbeiter führen derzeit die letzten Arbeitern der grundlegenden Renovierung aus. In der vergangenen Woche wurden die ersten Möbelcontainer in das neue Amtsgebäude transportiert. Augenfällig ist besonders die restaurierte 1,65 Meter große Madonna, die wieder an ihrem angestammten Platz steht und in Richtung Osten blickt.

Das ehemalige Amtsgerichtsgebäude hat eine 120-jährige Geschichte hinter sich. Der Verein Katholisches Kinderasyl plante Ende des 19. Jahrhunderts den Bau eines eigenen Kinderasylheims. Den Plan fertigte der bekannte Architekt Heinrich Hauberrisser und die Bauausführung oblag dem Vohenstraußer Baumeister Johann Ach. Fertiggestellt wurde das Mädchen- und Kinderasylgebäude am 8. Oktober 1898. Der erste Bau steht parallel zur Pfarrgasse. Damals umfasste das Asylgebäude zwei Schulzimmer, einen Handarbeitsraum, einen Kindergartensaal, Schwesternwohnungen und Wirtschaftsräume. Bereits am 19. September 1898 trafen die ersten Schulschwestern vom Orden der "Armen Schulwestern" in Vohenstrauß ein. So dokumentiert es der 20. Streifzug des Heimatkundlichen Arbeitskreises mit dem Titel "Kinderasyl, Kleinkinderschule, Kindergarten".

Im August 1899 übertrug Bischof Ignatius von Senestrey an Pfarrer Eduard Griener die Pfarrei Vohenstrauß. Der neue Pfarrer nahm sich in der Folgezeit in besonderer Weise um das Kinderasyl an. 1901 wurde in Vohenstrauß die Porzellanfabrik Seltmann gebaut. Damit war die ehemalige Kreisstadt Sitz des lange Zeit größten und bedeutendsten Industriebetriebs. Viele Leute fanden damals Arbeit und die vorhandenen Kindergartenplätze reichten durch den stetigen Zuzug nicht mehr aus. Bereits im Jahre 1904/05 wurde ein neuer Erweiterungstrakt beim Asylgebäude ausgeführt. Drei Jahre später nahm unter Leitung der Armen Schulschwestern die weithin bekannte Haushaltsschule ihren Betrieb auf. Unvergessen ist das Vohenstraußer Kochbuch, das erstmals 1930 von den Haushaltsschülerinnen erstellt worden ist. Unter dem Namen "Kinderasyl" wurden nun die drei Einrichtungen Volksschule, Kleinkinderbewahrungsanstalt und Haushaltungsschule zusammengefasst. Nach einem Anbau eines Kinder- und Altenheims an das bestehende Asylgebäude wurde der neue Anbau "Bruder-Konrad-Heim" benannt.

Die Klosterschwestern sind untrennbar mit der Geschichte des Asylgebäudes bis zur Aufhebung der Klosterniederlassung am 16. August 1982 verbunden. Die Schwestern haben in Vohenstrauß Tausende von Kindern in ihre Obhut genommen. Acht Jahre später zog dann Justitia mit der Amtsgerichtszweigstelle Weiden vom Areal der Friedrichsburg in das ehemalige Kloster in die Pfarrgasse um. Nach 16 Jahren wurde diese am 1. Juli 2016 dem Amtsgericht Weiden einverleibt. Damals war von der Aussicht die Rede, dass im Zuge der Behördenverlagerungen der Reiseservice Bayern in die Pfalzgrafenstadt umziehen würde.

Bei der Renovierung wurde die wertvolle Madonna, die das Gebäude in markanter Weise am Eck des Ostgiebels ziert, grundlegend restauriert. Restauratorin und Kirchenmalerin Monika Müllner aus Vohenstrauß spricht von einer absoluten Rarität, denn die Madonna ist eine Terracotta-Figur und dürfte nach ihren Recherchen aus der Ursprungszeit der Gebäudeherstellung stammen. Damals gab es in Berlin große Manufakturen, die derartig Figuren herstellen konnten. Nach Müllners Untersuchung mit Skalpell und Lupe ist die Figur vermutlich dreimal restauriert worden, letztmals im Jahr 1967.

Müllner stellte nun die ursprüngliche Fassung wieder her. Anhand vorhandener Halterungen konnte festgestellt werden, dass die Strahlenkränze fehlten. Auch das Kreuz auf der Weltkugel war nicht mehr vorhanden. Die Kirchenmalerin rekonstruierte es mit Hilfe von Metallbauer Roland Hartinger. Zudem wurden Zepter-, Krone- und Saumvergoldungen vollkommen erneuert und erstrahlen in ganzer Pracht. Nachdem der Einzug schon mehrmals nach hinten verschoben wurde, rechnen die Verantwortlichen nun endgültig im Juli mit der Betriebsaufnahme im neu renovierten Haus.




So präsentierte sich das Haus mit alter Fassade. dob
So präsentierte sich das Haus mit alter Fassade.
Älteste Ansicht des ehemaligen Asylgebäudes in der Pfarrgasse, in dem bis vor kurzem die Zweigstelle des Amtsgerichts Weiden untergebracht war. dob
Älteste Ansicht des ehemaligen Asylgebäudes in der Pfarrgasse, in dem bis vor kurzem die Zweigstelle des Amtsgerichts Weiden untergebracht war.
 
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