Das LTO widmete sich am Freitagabend bei der Premiere von „Judas" und "Ismene, Schwester von“ einem Verfemten und einer Antiheldin. Das Stück stammt von der Holländerin Lot Vekemans. Die Dramatikerin gilt als Spezialistin für große Fragen.
Bei den zwei Monologen im Schloss Friedrichsburg „Judas“ und „Ismene, Schwester von“ dürfen die Zuschauer ganz schön grübeln. Jona Manow (verantwortlich für Ismene, Schwester von) und Bernhard Neumann (Judas) brachten die Geschichte von zwei völlig unterschiedlichen Personen auf die Bühne.
Ismene, Schwester der Antigone und Tochter des Ödipus zweifelt angesichts der viel berühmteren Verwandtschaft an ihrem Existenzrecht. Immer blieb sie im Schatten ihrer heldenhaften und weltberühmten Schwester, der alles gelingt, und hat selbst nie etwas Großartiges und Denkwürdiges vollbracht. Denn Helden sind Menschen, die Dinge tun, und nicht Menschen, die Dinge sein lassen.
Tausende von Jahren nach ihrem Tod beginnt sie zu erzählen – von den kleinen Interessen und Sehnsüchten des Menschen, die immer über ihre großen Ideale siegen. Dreitausend Jahre hat niemand mehr an sie gedacht, war ihr Leben vergessen ebenso wie ihr Tod. Unerlöst befindet sich Ismene in einem Zwischenreich, nach einem Dasein ohne eigenen Inhalt und einem Ableben ohne Erinnerung. Alles an ihr scheint fremdbestimmt – durch die antiken Helden ihrer Familie.
Der Name Judas – niemand heißt heute mehr Judas –, dessen Namen noch heute für Verrat steht, ist noch immer ein Schimpfwort. Das Monologstück Judas lässt den Verräter, der Christus den Römern ausgeliefert hat, selbst zu Wort kommen. Er ist ein Mann, der jahrhundertelang von jedem geschmäht wurde.
Welche Bedeutung hat der Verrat für jeden einzelnen von uns? Wie viel Verräter steckt in uns allen? Weshalb steht der Name Judas Iskariot bis heute für Verrat schlechthin? Wer war der Mann, der Jesus den Tod brachte, und warum tat er es? Es sind bis heute für das Christentum große Fragen. Es gibt in jedem Zeitalter Spekulationen über Judas und seine Motive. In einer selbst inszenierten Show begeht er den letzten Versuch, seine Tat wieder auf ein menschliches Maß zurückzubringen und sein 25-köpfiges Publikum dahin zu führen, wo es lieber nicht sein möchte: zu dem Judas in sich selbst.
Lot Vekemans
- Geboren 1965 in Oss (Niederlande)
- Studium der Sozialgeografie und Ausbildung als Theaterautorin
- Theaterstücke (Auswahl): Truckstop (2002), Gift (2009), Judas (2007)
- Roman: "Ein Brautkleid aus Warschau" 2012
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