(dob) Ein Fußballtrainer (Wolfgang Krebs) aus der ostdeutschen Provinz packte am Donnerstag bei der Premiere des Landestheaters Oberpfalz im Schloss Friedrichsburg beim Stück "Leben bis Männer" gehörig aus. Seit mehr als 20 Jahren ist er der Stratege am Rand, im Training ein harter Knochen, auf dem Platz ein Erlöser. Sein Verein hieß einst "Tatkraft Börde". Jetzt zieht er vom Leder und plaudert aus dem Nähkästchen: Weil einer seiner Spieler als Mauerschütze vor Gericht gestellt wurde, hat die Mannschaft den Aufstieg versemmelt. "Leben bis Männer" ist der leidenschaftlich komische Monolog eines Mannes, der als Fußballtrainer aus der Provinz mit allen abrechnet: mit dem Fußball genauso wie mit der Wende und der deutsch-deutschen Wiedervereinigung.
Für die Spielvereinigung war es naheliegend, für dieses Stück erstmals eine LTO-Patenschaft zu übernehmen. Und weil man eine Patenschaft bekanntlich nicht ausschlägt, waren diesmal auch Fußballer der Spielvereinigung unter den Premieren-Gästen und verbanden Kultur und Sport. "Als Fußballpublikum sind Frauen sowieso völlig untauglich. Weil Fußball zu gucken, erfordert ein Bekenntnis. Man ist für die oder die - und man kann auch während des Spiels wechseln - aber man muss Partei ergreifen, sonst ist es langweilig. Und man muss sogar den Verstand abgeben und einen völlig sinnlosen Enthusiasmus einschalten.
Das können Frauen nicht", findet zumindest der Schauspieler. "Ein Trainer muss brüllen können, denn das ist leidenschaftliches Denken. Der Trainer ist der Julius Caesar am Seitenrand mit einer klaren Anweisung am Spielfeldrand aus - das ist es. Andere hatten Familie - ich hatte 'Tatkraft Börde'. Eigentlich ist der Mensch für Fußball nicht geschaffen, denn: Wir haben zu wenig Fuß im Kopf".
Anita Schäftner aus Straßenhäuser, 50 Jahre: "Ich habe heute viel über die Fußballgeschichte gelernt, auch über Fußball zu DDR-Zeiten. Deutlich wurde in diesem Stück, dass Fußballtrainer ein sehr schweres Leben haben. Das wurde mir noch nie so bewusst, obwohl ich immer am Spielfeldrand stehe und die Fußballbegegnungen der Spielvereinigung beobachte". Trotz der vielen markanten Seitenhiebe gegen Frauen, werde sich die fußballbegeisterte Zuschauerin nicht vom Spielfeldrand vertreiben lassen und weiterhin die Fußballspiele besuchen. "Das lasse ich mir nicht nehmen". Anita Schäftner empfiehlt den Monolog unbedingt weiter. "Das muss man gehört haben".
Sophia Janner aus Vohenstrauß, 19 Jahre: "Schauspielerisch fand ich es sehr interessant. Das war eine wahnsinnige Leistung. Echt top", schwärmte die Zuschauerin, die selbst aus der LTO-Schauspielerei kommt und als Spielerfreundin an Fußball interessiert ist. Als "Nachwende"-Kind hatte sie allerdings teilweise Probleme den geschichtlichen Aussagen zu folgen. "Über so lange Zeit das Publikum zu begeistern und bei einem Monolog bei sich zu halten", sei für sie faszinierend gewesen und bestimmt nicht leicht. Für sie war es der erste Monolog gewesen, den sie verfolgen konnte und sehr interessant. "Für Fußballkenner nur weiter zu empfehlen".
David Dupal aus Vohenstrauß, 20 Jahre: "Das war ein wilder Ritt durch die Fußballhistorie und sehr unterhaltsam für ein monotones Stück". Als aktiver Fußballer konnte er den Ausführungen sehr gut folgen. "Das Wissen um das runde Leder ist meiner Meinung nach Grundvoraussetzung um alle Hintergründe zu verstehen". Beim Gebrülle des Trainers erinnerte er sich leibhaftig an seine eigenen Spiele als Fußballer mit Trainer Bernd Reil, der die Mannschaft stets wortstark vom Spielfeldrand aus anfeuerte.
Thomas Groß aus Vohenstrauß, 70 Jahre: "So ein Monolog erfordert ja in erster Linie höchste Ansprüche an den Schauspieler, und das hat der Mann hervorragend gelöst. Das hat mich beeindruckt. Des Weiteren fand ich sehr amüsant und gut gelöst wie man Fußball mit banalen Alltagsthemen, gesellschaftspolitischen oder auch sogar höchst politischen Themen auf oberster Ebene verbinden kann. Das hat diesen Monolog eigentlich nie langweilig gemacht. Es kam immer wieder zu Aussagen über die man schmunzeln konnte oder etwas tiefer nachdenken musste". Anerkennenswerte auch die Leistung des Autors, (Thomas Brussig, Anmerkung der Redaktion) der dieses Stück geschrieben hat. "Eine starke Leistung", anerkannte Groß.
Uli Münchmeier aus Vohenstrauß, SpVgg-Vorsitzender, 38 Jahre: "Ein spannendes Stück mit viel Ironie und Sarkasmus, gewürzt mit Humor, aber auch mit einer starken Gesellschaftskritik. Man muss das Stück historisch zur Zeit der Wende einordnen. Da wurde das Stück ja auch geschrieben. Mit dem Thema Fußball gelingt es dem Schauspieler sehr gut, diese Epoche den Zuhörern herüberzubringen. Vor allem die Probleme die dieses Ereignis mit sich brachte und vielleicht noch immer mit sich bringt - dieses Zusammenwachsen oder den Umgang mit der Geschichte. Empfehlenswert, aber bestimmt keine leichte Kost", fand Münchmeier. Die Quintessenz des Stücks beeindruckte ihn dann aber doch ganz besonders. "Man muss viel aus der Geschichte wissen, um zu verstehen".
Vohenstrauß
15.06.2018 - 10:52 Uhr
Trainer macht Theater
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