Leonie Beer und Paula Zwerenz laufen neben Gandalf , während das große Pferd zügig durch die Reithalle galoppiert. Hintereinander ziehen sich die beiden Mädchen am Sattelknopf hoch. Ein spektakulärer Einstieg in nur eine der Voltigier-Übungen. Jetzt geht es aber erst richtig los: Leonie lässt sich kopfüber fallen, lediglich gehalten von Paulas Hand hängt sie am Rücken des Pferdes.
Was die Mädchen da machen, heißt Voltigieren und ist beim Reitverein Tirschenreuth möglich. Reitlehrerin Lena Dostler hat sich dafür extra zwei Jahre lang zur Voltigier-Trainerin ausbilden lassen. Die 26-jährige Pferdenärrin betreut mit ihrer Kollegin Caro Ernstberger diese bei Mädchen sehr beliebte Reitabteilung.
Nun sind Luisa Zeitler und Annika Müller an der Reihe. Gandalf hat sein Tempo erhöht. Luisa (15) klettert auf Annika (14) Rücken, die inzwischen auf dem Pferd kniet. Luisa steht auf und streckt die Hände weit aus. Es ist eine siegessichere Pose. Die Mädchen wissen, was sie tun.
Um solch mutige Sachen im Galopp überhaupt ausführen zu können, sind intensives Training, gut ausgebildete Trainerinnen und ein enges Verhältnis zum Pferd unabdingbar. Wie Dostler erklärt, beginnt das mit Trockenübungen. Dafür hat sich der Verein Holzböcke in Pferdegröße angeschafft. Auf diesen Geräten trainiert am Samstagmorgen um 11 Uhr die Kindergruppe mit Mädchen im Alter von vier bis 11 Jahren, gefolgt von den Fortgeschrittenen im Alter von 12 bis 18 Jahren.
Gery wartet derweil in aller Ruhe auf seinen Einsatz. Er ist das Kleinpferd für die Kindergruppe und die Gemütlichkeit selbst. Gemächlich trabt er am Voltigiergurt in der Longe im Kreis. Die Kinder vertrauen ihm. Und Lena Dostler lässt natürlich weder Kind noch Pferd jemals aus den Augen. „Wollen Sie das auch versuchen?“, lacht die Trainerin, während ein kleines Mädchen auf Gerys Rücken vorsichtig aufsteht.
Nach einem erschrockenen Blick Richtung Pferd wartet Dostler nicht auf ein „Ja“ zu ihrer Frage. Sie will mit den Kindern eine Trockenübung durchexerzieren. Alle kommen dran und alle strengen sich mächtig an. Denn erst wenn der Bewegungsablauf sitzt, darf das Gelernte auf dem „echten“ Pferd wiederholt werden. Die Trainerin weiß, was sie tut und tun muss.
„Seit 1984 gibt es das hier bei uns“, erzählt Vorsitzender Karl Zintl, der kurz in die Reithalle kommt. Cordula Köhler-Weinrich habe das Voltigieren eingeführt und das Interesse sei ungebrochen.
40 Voltigiererinnen machen aktuell mit. „Mehr geht nicht“, bedauert Dostler, dass die Kapazität der Abteilung damit erschöpft sei. Zintl stellt den pädagogischen Wert des Voltigierens heraus. „Die Kinder lernen intensiv den Umgang mit den Pferden.“ Zudem sei das Reiten ohne Sattel gut für den (menschlichen) Rücken. Voltigieren mache natürlich zu allererst wahnsinnig viel Spaß. Aber es erfordert auch hohe Konzentration und soziale Kompetenz.
Die Teilnehmer müssten Vertrauen haben zu sich selbst und dem Tier. Und sie müssten konzentriert trainieren, um auf dem trabenden oder galoppierenden Pferd gefahrlos turnen zu können „Wir üben den Stützschwung“, ruft Dostler und bittet die Fortgeschrittenen zum Holzbock. Deren Protest „Ach neee…“ überhört sie schmunzelnd. Was sein muss, muss sein. Schon allein wegen der Sicherheit.
Wenig später zeigen die Jugendlichen das Geübte auf dem Pferd. Dabei geht die Post ab. Das Tempo ist enorm. Gandalf macht alles problemlos mit. „Dabei ist es nicht einfach, ein passendes Pferd zu finden“, weiß Zintl. Bei den Fortgeschrittenen ist Dostler strenger, sie gehen auch auf Turniere.
Luisa und Annika zeigen, was sie drauf haben: Mit anmutig Leichtigkeit machen sie Handstand, Grätsche und Standübungen auf dem Rücken des galoppierenden Gandalf. Das sieht super aus. Man darf nur nicht ganz genau hinschauen, wo sich die Mädchen just in diesem Augenblick befinden. Sonst wird einem schwindelig vor derart viel Wagemut.
27.07.2018 - 10:38 Uhr
Voltigieren beim Reitverein Tirschenreuth: Luisa und Annika wagen sich aufs Pferd
Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Meistgelesene Artikel

E-Mail eingeben
Sie sind bereits eingeloggt.
Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.