Wackersdorf
29.09.2024 - 09:02 Uhr

Dokumentarfilm "Spaltprozesse" erinnert an WAA-Auseinandersetzungen

Erinnerungen an die Auseinandersetzungen um die geplante WAA in Wackersdorf weckt der Dokumentarfilm "Spaltprozesse". Er wird bei einer besonderen Vorführung gezeigt – im BMW-Werk.

Der Titel des Dokumentarfilms „Spaltprozesse“ ist doppeldeutig. Physikalisch geht es um die Spaltung des Atomkerns, menschlich um die Spaltung der Gesellschaft während der Auseinandersetzung um die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf. Die „Zwickl-Dokumentation“ in der BMW-Halle weckte Erinnerungen.

Unter dem neuen Format „Zwickl light“ präsentiert Anne Schleicher Dokumentarfilme an ungewöhnlichen Orten. Die Initiatorin der 2012 ins Leben gerufenen Schwandorfer Dokumentarfilmtage verlegte das Kino diesmal in die Fertigungshalle des Wackersdorfer BMW-Werks. Auf Einladung des dortigen Standortleiters Christoph Peters, der die Tore des Innovationsparks regelmäßig für Sport- und Kulturveranstaltung öffnet, „um der Region etwas zurückzugeben“.

Bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen

Vor 40 Jahren herrschte an der Stelle, an der heute die Wirtschaft prosperiert, das reinste Chaos. Daran erinnert der Film des Regisseurs Bertram Verhaag, der sich am Freitag persönlich dem Gespräch stellte. Der 80-jährige Münchner wollte 1986 bewusst „einen tendenziösen Film“ drehen, ließ die Bilder der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen für sich sprechen und dokumentierte in Interviews den Stimmungsumschwung in der Bevölkerung und den immer stärker werdenden Widerstand.

Viele der einstigen WAA-Gegner waren gekommen. Allen voran Altlandrat Hans Schuierer, der den Film vorher nicht gekannt hatte und „doch etwas enttäuscht war über den Leerlauf in einigen Szenen“. Regisseur Bertram Verhaag gab zu: „So würde ich den Film heute nicht mehr machen“. Er stellte sich damals bewusst auf die Seite der WAA-Gegner, um ein Zeichen zu setzen.

Der Betreuer der Gedenkstätte am Franziskusmarterl, Wolfgang Nowak, ist Anne Schleicher dankbar, „dass sie die Tür zu BMW geöffnet und damit Gräben geschlossen hat“. Stellvertretender Landrat Jakob Scharf war damals einer der wenigen CSU-Leute, die sich offen gegen den Bau der WAA ausgesprochen haben. Der Steinberger Altbürgermeister erinnert sich: „Ich war heftigen Anfeindungen aus den eigenen Reihen ausgesetzt“.

Maßregeln lassen mussten sich auch die beiden katholischen Geistlichen Leo Feichtmeier und Andreas Schlagenhaufer vom damaligen Diözesanbischof Manfred Müller, der sie wegen ihrer Anti-WAA-Haltung wiederholt ins Ordinariat zitierte. „Der Kampf ist immer noch nicht vorbei“, sagte Andreas Schlagenhaufer am Freitagabend. Die Klärung der Endlagerung stehe schließlich noch aus.

Sondervorstellung für Schüler

Das Wackersdorfer Urgestein Walter Buttler (80) erinnert sich ebenfalls an die schwierige Zeit: „Für uns ging es nach dem Aus der BBI um die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die wir uns mit dem Bau der WAA erhofften“. Der Rektor der Grund- und Mittelschule, Dominik Bauer, hat die Zeit zwar nicht mehr bewusst miterlebt, will die Erinnerung aber wachhalten. Deshalb nutzte er die Gelegenheit zu einer Sondervorstellung am Freitagvormittag und war beeindruckt von der Betroffenheit der Schüler.

Für die 160 Besucher der Vorstellung ließ Anne Schleicher eigens Kinostühle aus dem "Schwandorfer Metropol" nach Wackersdorf schaffen. Um die aufwendige Technik kümmerte sich BMW. Der Film startete mit einem Imagetrailer der Gemeinde Wackersdorf, der den Aufschwung der Region nach dem Aus der WAA deutlich macht.

Hintergrund:

Dokumentarfilm "Spaltprozesse"

  • Regisseur: Bertram Verhaag, der später auch die Themen Rassismus und Gentechnik aufgriff.
  • Auszeichnungen: Dokumentarfilmpreis der Stadt München und der Stadt Freiburg, Preis der deutschen Filmkritik, Preis der Gesellschaft für Kommunikationskultur, bester Dokumentarfilm 1987 der Leserjury epd-Film.
  • Erscheinungsjahr: 1986, Dauer 90 Minuten
  • Ablehnung: Der Bayerische Rundfunk hat die Ausstrahlung im Gegensatz zu anderen regionalen Sendern stets verweigert.
 
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