Die Vorgeschichte zeigt, dass freie Meinungsäußerung nicht immer erwünscht war in Bayern. Auch dann nicht, wenn ein prominenter Rundfunk- und Fernsehjournalist danach trachtete, Näheres über ein brisantes Thema von einem Interviewpartner zu hören. Dagobert Lindlau, fester Begriff in der Medienszene, war 1986 Chefreporter beim Bayerischen Rundfunk und er verfolgte aufmerksam, was der Schwandorfer Landrat Hans Schuierer (SPD) in seinem Widerstand gegen die atomare Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) bei Wackersdorf vehement zu sagen hatte.
Der Haken war nur: In Bayern hätte Lindlau mit dem damals bundesweit bekannt gewordenen Politiker aus der Oberpfalz über die WAA zwar reden können. Doch es erschien höchst fraglich, ob dieser Beitrag dann auch auf Sendung gegangen wäre. Denn Schuierer galt seinerzeit als nicht besonders erwünscht beim Bayerischen Rundfunk. Zu vermuten war, dass die Staatsregierung unter Franz Josef Strauß dahinter steckte.
Besuch in Bremen
Dagobert Lindlau, nur unwesentlich älter als Hans Schuierer, wusste Rat. Denn zu jener Zeit moderierte der Journalist auch die Fernseh-Talkshow "III nach 9" bei Radio Bremen. "Dann kommen Sie halt dorthin", lud er Hans Schuierer ein. "Also gut, ich werde da sein", befand der Landrat. Er durfte neben dem Fahrer noch weitere zwei Gäste mitnehmen. Seine Wahl fiel auf den Landratsamtssprecher Franz-Joseph Vohburger und den NT-Redakteur Wolfgang Houschka.
Am 24. Januar 1986, einem eiskalten Wintertag, wurde nach Bremen aufgebrochen. Erst kurz vor Sendungsbeginn um 21.30 Uhr trafen die Oberpfälzer im Studio an der Hans-Bredow-Straße ein. Dann ging Schuierer eiligst in die Maske, wurde für seinen Auftritt gestylt und durfte anschließend in der Talkrunde sagen, wonach ihm der Sinn stand. Befragt dabei von Lindlau, der nicht locker ließ in seinem Nachbohren zu den Auseinandersetzungen um die WAA. Schuierer durfte live seine Meinung sagen. Sie wurde bundesweit ausgestrahlt.
Danach waren alle Teilnehmer zu einer Brotzeit eingeladen. Da gab es dann zwei Männer, die einen noch größeren Bekanntheitsgrad hatten als Hans Schuierer. Der Landrat aus Schwandorf saß neben Regisseur Hans-Wilhelm Geissendörfer, der an diesem Abend mit Gastgeber Lindlau über den Start seiner jetzt nach über drei Jahrzehnten zu Ende gehenden Sonntags-Serie "Lindenstraße" geplaudert hatte.
Noch einer war da: Kammersänger Rudolf Schock. Der Publikumsliebling unternahm zu dieser Zeit Wanderungen durch schöne Gegenden der Bundesrepublik und machte daraus sehr erfolgreiche TV-Sendungen. "Den laden wir jetzt ein", entschloss sich Hans Schuierer spontan und unterbreitete Schock sein Angebot. "Das machen wir", war die Antwort. Doch zu einem Besuch des Kammersängers und Opernstars sollte es nicht mehr kommen. Denn er starb im November 1986. Seine Witwe aber machte sich später auf in den Landkreis Schwandorf und besuchte Schuierer.
Vereiste Autobahnen
Die Heimfahrt begann nach Mitternacht. In Bremen konnte nicht bis zum anderen Morgen schlafend in einem Hotel abgewartet werden. Denn Hans Schuierer hatte einen wichtigen Termin bei Regensburg. Ihm und seinen Begleitern ist diese Hunderte von Kilometern lange Tour bis heute im Gedächtnis geblieben: Dichter Schneefall, vereiste Autobahnen. Eine Rutschpartie, die nur ein einziges Mal kurz unterbrochen wurde. Gegen 4 Uhr morgens gab es Erbseneintopf an einer Raststätte. Er kostete - auch das ist bis heute erinnerlich - preiswerte 4,95 D-Mark. Die Rechnung zahlte der Landrat. Ihre Erschwinglichkeit freute den als äußerst sparsam bekannten Mann aus Klardorf.
Die Verbindung zu dem jetzt in Vaterstetten/Oberbayern gestorbenen Dagobert Lindlau war übrigens nicht auf diese eine Begegnung beschränkt. Der Journalist lud Hans Schuierer noch zu einem weiteren Treffen nach Stuttgart ein.
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