"Zum Glück noch fit": Mit dieser positiven Nachricht meldet sich Eva Kappl aus ihrer Quarantäne in Wackersdorf. Die 21-Jährige nimmt die nicht ganz freiwillige Einsamkeit gelassen hin - immerhin ist sie mit ihren Eltern im selben Boot. Einen direkten Zwang zur Isolierung gab es ursprünglich nur für ihren Vater: In seiner Arztpraxis war vor einigen Tagen ein Patient, der sich mit dem Virus angesteckt hatte. Die Folge: Praxis für 14 Tage geschlossen. Um niemanden anzustecken, wählten auch Eva Kappl und ihre Mutter den Rückzug in private Räume, der nun auch noch andauert, obwohl ein Test auf das Coronavirus beim Vater gut ausgegangen ist.
"Ich hatte mir ohnehin für die Zeit nach der Wahl freigenommen", berichtet die 21-Jährige, die als studentische Hilfskraft arbeitet, in Potsdam "Geschichte, Politik und Gesellschaft" studiert und für die Partei "Die Linke" gerade den Sprung in den Kreistag geschafft hat. "Mit der Zeit kommt man in einen Rhythmus", so ihre Erfahrung am "Tag acht".
"Wenn man nur rumliegt und spät aufsteht, das könnte schon depressiv machen", sinniert sie. Am schwierigsten waren für sie die ersten Tage, die dominiert waren von der Frage, ob sich nun ein Familienmitglied - allen voran der Vater - angesteckt hatte. "Das Ergebnis des Tests war negativ, trotzdem müssen wir jetzt abwarten", schildert Kappl die Quarantäne-Regeln. Vor allem das doch einige Tage dauernde Warten aufs Testergebnis fand sie schon zermürbend. "Seltsam" ist es für sie, die ganze Entwicklung rund um die Coronakrise nur "von außen" mitzubekommen.
Die Studentin hat sich Disziplin verschrieben, ist bisher jeden Tag um 8 Uhr aufgestanden. Sie hat die Zeit ohne Sozialkontakte mit dem Schneiden von Videos gefüllt und ihr E-Mail-Postfach gründlich aufgeräumt. "Täglich haben mindestens vier Leute angerufen, ob sie für uns einkaufen sollen", schildert sie die Hilfsbereitschaft von Freunden und Verwandten. Gartenarbeit ist eine willkommene Abwechslung, und gekocht wird in diesen Krisenzeiten gemeinsam. "Momentan wird die Gefriertruhe geplündert", berichtet die Studentin, die sich jetzt schon auf ein saftiges Steak am Abend freut, "Wein haben wir genügend da." Inzwischen habe sich die Familie ganz gut mit der Isolation arrangiert, oft ist Spieleabend, bevorzugt mit Rummikub, das hält die Gehirnzellen fit.
"Man darf sich nicht zu verrückt machen und sollte auch nicht zu viel Zeit im Internet verbringen", lautet Kappls Ratschlag für alle Leidensgenossen. Einer ihrer Freunde teilt das gleiche Schicksal in Berlin, da bietet sich dann ein Austausch per Video-Anruf an. Ein wenig schade fand es die 21-Jährige allerdings schon, dass sie den Wahlabend und damit den Erfolg der Linken nur von der Couch aus verfolgen konnte.
Freiwilliger Selbstschutz
Für Claudia Hoffer aus Schwandorf allerdings ist eine Party momentan in weite Ferne gerückt. Die 19-Jährige leidet unter Mukoviszidose, eine Erkrankung, die besonders die Atemwege beeinträchtigt. Sie gehört damit zu den Menschen in der Gruppe mit einem hohen Risiko, was das Coronavirus betrifft. "Ich gehe gar nicht mehr aus dem Haus", berichtet sie von ihrer Selbstschutz-Quarantäne. Zehn Tage ist es zum Zeitpunkt des Interviews mit Oberpfalz-Medien her, dass die Auszubildende sich freiwillig in die Isolation begeben hat. "Mein Arbeitgeber hat dafür Verständnis", erzählt die künftige Bürokauffrau, die in einem Sanitätshaus arbeitet. Häufige Krankenhaus-Aufenthalte gehören zu ihrem Alltag, der geprägt ist von einer chronischen Lungenentzündung. "Hygienevorschriften wurden mir schon eingetrichtert, bevor ich gehen konnte", erinnert sich die 19-Jährige, die sich angesichts der aktuellen Nachrichten nicht nur um die eigene Gesundheit, sondern auch um ihre Eltern sorgt: "Das ist der Horror für sie."
An Vorurteile gewöhnt
"Ich weiß, wie ich mich beschäftigen kann", meint die junge Frau, schließlich sei sie schon ein ganzes Leben lang erprobt in Quarantäne. Sie ist irritierte Blicke gewohnt, wenn sie mit Mundschutz unterwegs ist und hat es schon erlebt, dass sie aus Angst vor einer Ansteckung aus einem Bus geworfen wurde. "Viele können es einfach nicht verstehen, dass es auch junge Leute mit solchen chronischen Krankheiten gibt", bedauert sie. Es ist fraglich, wann sie je wieder aus dem Haus gehen kann, jetzt, wo auch noch ihr persönlicher Vorrat an Mundschutz schwindet.
"Was mich nervt sind Leute, die in so einer Lage unnötig das Haus verlassen, die das abblocken und einfach keine Rücksicht nehmen", gestand Claudia Hoffer, als noch keine Ausgangsbeschränkung galt. Sie appellierte vor allem an die Jugend, den Risikogruppen zur Hand zu gehen, zu Hause zu bleiben und sich solidarisch zu zeigen. "Erst wenn die eigene Großmutter stirbt, wird das manchen Menschen die Augen öffnen."
Risiko Mukoviszidose
Mukoviszidose ist eine vererbte Stoffwechselerkrankung. Betroffene leiden unter zähflüssigen Sekreten. Erste Symptome zeigen sich bereits in der frühen Kindheit, heilbar ist die Krankheit nicht. In Deutschland leben bis zu 8 000 Patienten mit Mukoviszidose. Der zähe Schleim verstopft eine Reihe lebenswichtiger Organe. Hierzu zählen vor allem die Lunge (Husten, Atemnot, wiederkehrende Entzündungen), die Bauchspeicheldrüse (Unterernährung, Gedeihstörung, Diabetes), die Galle (verstopfte Gallengänge), die Leber sowie der Darm (chronische Verstopfung, möglicher Darmverschluss). Menschen mit dieser Erkrankung gehören automatisch zu einer Risikogruppe, die besonders gefährdet ist, wenn sie sich mit dem Coronavirus ansteckt.
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