Waidhaus
08.06.2018 - 08:34 Uhr

Dieben und Mördern auf der Spur

Als es auf Mitternacht zugeht, erwachen die Hagendorfer erst richtig. Allerlei Geschichten aus fernen Tagen und skurrile Ereignisse rücken bei einem Treffen des Heimatkundlichen Arbeitskreises im Waidhauser Ortsteil in den Vordergrund.

(fjo) Die Bewohner sind stolz auf das eigene Dorf. Die Ortschaft stellte die erste Prinzengarde im einstigen Landkreis Vohenstrauß auf die Beine. Dies belegte Josef Glaser den Mitgliedern des Heimatkundlichen Arbeitskreises (HAK) mit Fotos aus dem Jahr 1957. Darüber hinaus habe es lange ein vielfältiges kulturelles Leben im Ort gegeben: Es sei Theater gespielt worden, Schäfflertänze wurden aufgeführt, ein Spielmannszug unterhalten und die nostalgische Holz-Kegelbahn bei der Dorfkapelle wäre oft gelaufen. Sogar einen eigenen Männergesangverein habe es gegeben. Beim Gartenbauverein sei Hagendorf sogar Vorreiter bei der Gründung gewesen. Die Hagendorfer hätten schließlich den größten Zweigverein in der Region gehabt. Glaser berichtete ebenso von den alljährlichen Erntedankumzüge, die bis nach Miesbrunn und Reinhardsrieth geführt hätten.

"Drud" stellt Schmuggler

Ein brutales Ereignis, das nun beinahe 200 Jahre zurückliegt, kam ebenfalls zur Sprache. "So fest habe ich doch gar nicht zugestochen, und mir wurde übel, als mir das Blut brühwarm über das Gesicht lief." Diese Rechtfertigung stehe in den Verhörprotokollen eines Paschers, der am 10. November 1821 einen Hagendorfer niedergestochen hat. Lange Jahrzehnte erinnerte eine Inschrifttafel am "Bildbaum" auf dem Weg nach Reinhardsrieth an die grausige Tat. Der Täter war nicht allein. Die Diebe flüchteten nach dem Mord nach Rosenthal, erzählte der ehemalige Wirt Ludwig Puff.

Heimatforscher Karl Ochantel aus Vohenstrauß fand dazu sogar kürzlich eine Bestätigung im Waidhauser Marktarchiv. Vom März 1967 existiere eine Mitteilung der Forstdienststelle Reinhardsrieth an das Forstamt in Vohenstrauß. Darin gehe es um das Marterl am Bildbaum. Verwiesen wird darin auf einen Eintrag im Miesbrunner Kirchenbuch, wonach die Errichtung in der Flur "Kleinhochberg" einem "grausigen Mord in dieser Gegend" geschuldet sei. Der vermählte und erst 32 Jahre alte Bauer Joseph Gilch "ward von Dieben, die auf Schweinestehlen ausgegangen waren, durch zwei Lungenflügel hindurch erstochen und erstochen gefunden am 16. November, zwischen 11 und 12 Uhr nachts."

Zur Vertiefung der Tragik trägt ein Zusatzvermerk bei: "Dieser Mann war gegen 1000 Schritte im bloßen Hemde von zu Hause entfernt erstochen gefunden." Weiter unten ist ein Nachsatz angefügt, der nicht vorenthalten werden soll: "Der Mörder, so weit überliefert wurde, hieß Neubauer und starb nach der verbüßten Kerkerhaft erst um 1860 herum im Alter von nahezu 100 Jahren." Als die ursprüngliche Holztafel mit ihrem Hinweis auf die Tat in den 1990er Jahren verschwand, habe es Ersatz durch einen Nachbau gegeben. Hierzu sei ergänzend ein Glasschrein angebracht worden, mit einer Figur der Szene "Jesus im Kerker". Beides sei aber nicht lange an dem Baum gehangen.

"Mein Opa war angeblich der größte Schmuggler, erzählten mir die Leute", wusste Glaser. Dabei müssen ihm einmal das "Dürrnlou-Geigerl" und die "Drud" in die Quere gekommen sein. Als Sage finde sich das Geschehen im Waidhauser Heimatbuch von Siegfried Poblotzki. Dann erzählte Rudolf Theiß von einem 18 000 bis 20 000 Jahre alten Steinkeil, der jetzt im Heimatmuseum Vohenstrauß ausgestellt ist. Es gebe eine große Fundstelle der Steinzeit nahe des Spatwerks. Bis nach Ödkührieth sei früher alles Sumpf gewesen, wusste Glaser ergänzend. Dorthin hätten sich die Hagendorfer während der Hussitenzeit immer geflüchtet. Das habe Christoph Puff, der Vater vom "Wirts-Luk" immer erzählt.


Granaten gefunden

Um 1900 brach ein Großfeuer im Dorf aus, bei dem viele Anwesen abbrannten. Glaser erzählte dazu: "Die Waidhauser Feuerwehr verschanzte sich mit Kommunbier in der alten Kapelle und rühmte sich ihres Einsatzes: Dem Dorfweiher lassen wir das Feuer nicht." Will heißen, es wurde die "Gegenwehr" auf den Erhalt der Anwesen auf der anderen Seite beschränkt. Und dann meinte Theiß noch. "Das wär' auch noch eine Gschicht'." Als Achtjähriger habe er 1945 eine Handgranate gefunden. Später habe er noch weitere gefunden, so 14 oder 15 Stück, die er in der Feldspat-Grube ausprobiert habe: "Die sind alle gegangen, bis auf eine oder zwei."

Ebenso wusste Theiß noch von einem Flüchtling aus Oberschlesien, der mindestens acht Bienenkörbe aus seiner Heimat nach Hagendorf mitgebracht hatte. Mindestens 70 Flüchtlingskinder seien damals hier gewesen: "Die ganze Bude war voll." Mit der Zeit "haben sich alle verrannt." Und schließlich erfuhren die Heimatkundler noch von drei Totenbrettern auf dem Kühbühl am Totenweg; dort wo eine Christkönigs-Säule noch heute steht.

 
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