Waidhaus
14.10.2018 - 13:36 Uhr

Dem Hirsch auf die Knochen gehen

Bis der Braten auf dem Tisch steht, ist es ein weiter Weg. Die Enderlein-Brüder zeigen in einem Kurs der VHS Vohenstrauß, wie Rotwild fachgerecht zerwirkt wird.

„Zerwirken“ heißt im Fachjargon das Zerlegen von Wildbret. Christian Enderlein vom Hartwichshof ist Metzger und Jäger zugleich und gilt als Experte auf diesem Gebiet. Bild: fjo
„Zerwirken“ heißt im Fachjargon das Zerlegen von Wildbret. Christian Enderlein vom Hartwichshof ist Metzger und Jäger zugleich und gilt als Experte auf diesem Gebiet.

Keule, Oberschale oder Bürgermeisterstück: Lange bevor Christian Enderlein mit der Jägerei begann, waren ihm diese Begriffe schon vertraut. Seit seiner Metzgerlehre gehört das Wissen um die verschiedenen Fleischstücke zu seinem Handwerk. Mit der Jägerprüfung hat der ehemalige Vorsitzende des Vohenstraußer Faschingsvereins sein Wissen noch einmal erweitert.

So enstand die Idee eines Zerwirkkurses. Enderlein arbeitete mit den Jägern der Kreisgruppe und mit der Vohenstraußer Volkshochschule (VHS) zusammen. Rund 250 Jäger gehen im Altlandkreis ihrem Hobby nach, von denen 180 in der Kreisgruppe organisiert sind. Darunter auch Bruder Stefan Enderlein, der ergänzende Tipps und Hinweise während des Zerlegevorgangs immer wieder einflocht.

„Frisches Wildfleisch muss entweder sofort verbraucht oder eingefroren werden“, erklärte Christian Enderlein bei der Präsentation des Rotspießers. Hygiene und Lebensmittelsicherheit seien ungemein wichtig. Außerdem brauche der Handwerker sensenscharfe Messer. „Ohne Spezialschürze, Stech-Handschuh und Schnittschutz sollte man am Besten die Finger davon lassen.“ Erst nach diesen eindringlichen Ratschlägen rückt das Wild selbst in den Mittelpunkt.

Das Tier hatte zuvor mehrere Tage in der Kühlung gelagert, um bei minimaler Temperatur über dem Gefrierpunkt „abzuhängen“. Das fettarme, eiweißreiche Fleisch wird dadurch mürbe und entfalte einen typischen Eigengeschmack: „Wenn das Zerwirken genau dann erfolgt, verspricht dies den größten Genuss.“ Ausgenommen und abgehäutet war das Tier bereits. Nun wetzte Enderlein erstmals ein schmales, spitzes und langes Fleischermesser. Es ist nicht das letzte Mal. Über die sauber und mit schärfsten Werkzeuge ausgeführten Schnitte hinaus, muss der Jungjäger-Beauftragte auch stets mit einem enormen Körpereinsatz agieren. Kälteempfindlich darf Enderlein dabei nicht sein, denn das Tier muss immer kühl gehalten werden. Das Entfernen von Sehnen, Häuten, Fett oder Knorpeln ist also nur in der Kühle eines fast eisigen Schlachthauses möglich. Als „Laass“ ist dieses Bindegewebe im Sprachgebrauch der Jäger verankert. Hier ist es wichtig, korrekt zu schneiden und auszulösen.

Nach über einer Stunde liegen zwei Stapel auf der edelmetallenen Tischauflage: Werden die bereits entfernte Decke (Fellhaut), Geweih, Knochen und Hufe hinzugerechnet, bleibt vom einstigen Lebendgewicht etwa die Hälfte des rund 90 Kilogramm schweren Rotspießers übrig. Darunter die Bratenstücke, wie Filet, Brust oder Ober- und Unterschale, sowie für Gulasch geeignete Stücke aus Hals und Schulter.

„Mehr Bio geht nicht“, sagt Vorsitzender Christian Ertl aus Vohenstrauß über das Wildbret, aus freier Wildbahn. Das Fleisch werde untersucht. Seine Kreisgruppe verfüge über eine eigene Becquerel-Messstation zur Prüfung der Strahlenbelastung, die bei Veterinär Dr. Hubert Reindl in Moosbach steht. „Alles, was über 600 misst, wird entsorgt.“ Noch ein zweiter Hinweis ist dem Vorsitzenden wichtig: „Alle Jäger sind so genannte ‚kundige Personen‘ und haben sich ihr Fachwissen als Teil der Jägerausbildung erworben.“ Die Kontrolle der Tiere beginne schon vor der eigentlichen Jagd.

Laut Ertl hätte sich die Verarbeitung von Wild in den vergangenen Jahren gewandelt. Früher waren Wildbraten und -gulasch gefragt. Inzischen gibt es auch Bratwürste und Leberkäse aus Wildfleisch, bis hin zur Dosenwurst. Wer zur Kirwa oder Weihnachtszeit Lust auf Wild bekommen hat, kann sich an jeden Jäger wenden. Die Region gilt zwar offiziell als Rotwild freies Jagdgebiet, jedoch wechseln in die großen Waldgebiete entlang der Grenze immer wieder Tiere aus Böhmen herüber. Auf zwischen 70 und 80 Stück belaufe sich die jährliche Zahl der erlegten Hirsche innerhalb dieser Kreisgruppe des Bayerischen Jagdverbands.

Die Teilnehmer des Zerwirkkurses mit VHS-Geschäftsführerin Erika Grötsch (Vierte von links). Bild: fjo
Die Teilnehmer des Zerwirkkurses mit VHS-Geschäftsführerin Erika Grötsch (Vierte von links).
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.