Waldsassen
17.04.2020 - 14:36 Uhr

"Auferstandener ohne Wunden wäre leeres Versprechen"

Waldsassens Stadtpfarrer Thomas Vogl regt mit Worten zum bevorstehenden "Weißen Sonntag" zum Nachdenken an.

Stadtpfarrer Thomas Vogl. Archivbild: tr
Stadtpfarrer Thomas Vogl.

Weil wegen der Coronakrise derzeit keine öffentlichen Gottesdienste stattfinden, sprechen evangelische und katholische Pfarrer über Oberpfalz-Medien zu den Gläubigen. Hier schreibt Dekan und Stadtpfarrer Thomas Vogl zum Thema "Wunden, die heilen".

"In Hamburg hat ein Kindergottesdienstteam die einzelnen Stationen des Kreuzweges Jesu kindgerecht gestaltet. Symbole wurden ausgewählt, so zum Beispiel Steine für die Last des Kreuzes, kleine Tränen aus Papier für den Schmerz und die Trauer", berichtet Vogl und zitiert aus dem Magazin zum Kirchenjahr "Andere Zeiten":

"Wir stehen an einer der letzten Stationen mit dem Bild des verwundeten Jesus. Kraftlos ist er unter der Last des Kreuzes zusammengebrochen. Davor stehen ein geöffneter Verbandskasten und ein Korb voller Pflaster. Wir denken an eigene Verletzungen und richten den Blick wieder auf den geschundenen Jesus. Dieser Gott kennt sich wirklich aus mit Verletzungen, er ist vertraut mit Wunden und er weiß, wie man sie heilt. Als Erinnerung sollen wir ein Pflaster mitnehmen. Wir stimmen das Lied an und wollen weiterziehen zur nächsten Station. Doch die drei Kinder, die das Kreuz vorantragen sollen, bleiben stehen. Ein etwa sechs Jahre altes Mädchen nimmt sein Pflaster, zieht in aller Ruhe die Klebestreifen ab und klebt es auf die Jesusfigur am Tragekreuz. Dann streichelt es Jesus noch sanft. Wo vorher die Seitenwunde klaffte, klebt nun das Pflaster. Das war nicht angeleitet und auch nicht geplant. Für einen Moment halten wir Erwachsenen sprachlos inne, leicht irritiert und doch vor allem berührt durch diese Geste. Sie steckt uns an. Nach und nach tun alle es dem Mädchen gleich. Die Jesusfigur ist schließlich über und über bedeckt mit unseren Pflastern. Die mächtigen Bilder und Worte von Qual und Sterben werden nun überwältigt durch Zärtlichkeit und Mitgefühl. Es braucht keine weiteren deutenden Worte."

Das Wesentliche verstanden

Da habe ein kleines Mädchen das Wesentliche intuitiv verstanden, so Pfarrer Vogl. Und deswegen habe es gehandelt, Jesus am Kreuz habe ein Pflaster auf seine Seitenwunde bekommen. "Anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen", zitiert Vogl spöttische Worte von Hohepriestern und Schriftgelehrten bei der Kreuzigung. "Er hat sich selber nicht erspart, was er an Wunden bei den Menschen gesehen, erspürt und mitfühlend geheilt hat. Darum hat er sich am Kreuz Hände und Füße, ja sogar das Herz durchbohren lassen. Wunden, die für immer bleiben, auch nach der Auferstehung. Davon erzählt das Evangelium dieses Sonntags", betont Vogl. "Es schildert die Begegnung zwischen dem Apostel Thomas und dem Auferstandenen. Thomas will die Wunden sehen und sie berühren. Er will einen Beweis, dass Jesus in seiner Auferstehung wirklich den Tod überwunden hat. Die Wunden müssen sein, damit er glauben kann. Jesus zeigt Thomas seine Wunden. Sie gehören untrennbar zu ihm. Sie haben eine wichtige Bedeutung. Thomas führten sie zum Glauben. Im kleinen Mädchen rufen sie Mitleid wach. Und bei mir?" Vogl zitiert den Apostel Petrus , der an die ersten Christen in Rom schrieb: "Durch seine Wunden seid ihr geheilt." Das bedeute laut Vogl: "Jesus war nicht nur solidarisch. Er ist nicht einfach nur in die Bresche für uns gesprungen, damit wir verschont bleiben. Seine Wunden heilen. Das klingt zwar paradox, ist aber die Konsequenz von Weihnachten. Gott ist in Jesus wirklich Mensch geworden, verwundbar und sterblich, damit es nichts gibt, was uns von Gott und seiner in Jesus versprochenen Treue und Liebe trennen könnte."

"Können selbst heilsam werden"

Ein Auferstandener ohne Wunden wäre ein leeres Versprechen oder auf Neudeutsch ein "Fake", so Vogl. "Weil dem nicht so ist, können wir die Wunden unserer Welt, dieser Zeit, unsere eigenen ihm überlassen und von ihm heilen lassen. Und so können wir selbst mitfühlend und heilsam werden, gerade jetzt."

 
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