Waldsassen
30.06.2022 - 12:25 Uhr

Gemeinsame Schule in Cheb/Eger und Waldsassen als Wunschprojekt

Warum es ein Problem mit den Tischdecken im Rathaus gab, erfuhren Besucher des Zeitzeugengesprächs zur Grenzöffnung vor 32 Jahren im Kunsthaus. Dabei kam auch ein Vorschlag auf den Tisch, der die Sprachbarrieren beseitigen helfen soll.

Erinnerungen an die Ereignisse vor genau 32 Jahren – am 1. Juli 1990 – weckte der Abend im Kunsthaus Waldsassen: Drei Persönlichkeiten erzählten in einer lockeren Runde, wie es damals war, als der Eiserne Vorhang plötzlich weg war. Die Gesprächsrunde leitete Tim Wehinger. Der OTV-Moderator hatte sich mit der Lektüre der damals erschienenen Zeitungsberichte und mit Vorgesprächen in das Thema eingearbeitet. Denn als Wehinger – Jahrgang 1997 – geboren wurde, wurde auf deutscher Seite des Grenzübergangs Waldsassen-Eger ein neues Abfertigungsgebäude errichtet.

Viel mehr Besucher hätte das Kunsthaus nicht fassen können: Groß war das Interesse an dem, was die Persönlichkeiten zu erzählen hatten: Aus Cheb/Eger der ehemalige Bürgermeister-Stellvertreter Michal Pospíšil, der frühere Rathaus-Geschäftsleiter Karl-Hans Hofmann sowie Horst Eisel. Er war damals Staatssekretär im Bonner Bundesinnenministerium und somit eng in die Verhandlungen eingebunden.

Schon in der zweiten Hälfte der 80er Jahre habe die Bundesrepublik Deutschland den Eisernen Vorhang durchlässiger gestalten wollen. Für dessen "Perforierung", so Eisel, sei die Zeit aber noch nicht reif gewesen; Verhandlungen in Prag hätten keine Ergebnisse gebracht. "Die Angelegenheit hatte erste Priorität", erklärte Horst Eisel und nannte vor allem Innenminister Schäuble als treibende Kraft für die Öffnung des Grenzübergangs Waldsassen-Eger.

Tischdecken in Nato-oliv

Michal Pospíšil sprach von den historischen Verbindungen der westböhmischen Region über das Zisterzienserinnen-Kloster und die Neugier der Menschen in Cheb/Eger auf Land und Leute hinter der Grenze. Karl-Hans Hofmann erinnerte an Vorgespräche mit den Vertretern im Rathaus von Cheb und an den 26. April 1990: Bei einer Feier am Gedenkort zur Befreiung der Stadt Eger durch die US-Amerikaner lud der damalige Bürgermeister Franz Fischer die Anwesenden spontan zur Grenzöffnung am 1. Juli nach Waldsassen ein. "So klar war das aber noch nicht", verwies der Ministerialbeamte a. D. Eisel etwa auf die Sichtvermerkspflicht für Bürger aus der damaligen Tschechoslowakei beim Grenzübertritt. "Es war nicht so einfach, aber es hat geklappt."

Karl-Hans Hofmann erzählte eine Geschichte am Rande des großen Ereignisses. Bei einer Begehung des Rathaussaals am Tag vor dem großen Datum habe den Mitgliedern der Delegation aus Bonn die weißen Tischdecken nicht gefallen. „Grüne Tischdecken, in Nato-oliv“, so Hofmann, würden benötigt. Helferin in der Not war Helmine Gläßel: Die Inhaberin der Pension, wo auch die Delegationsmitglieder übernachteten, hatte die gewünschte Tischauflage zur Verfügung gestellt. Die darauf unterzeichneten Verträge hätten auch nicht die Öffnung des Grenzübergangs betroffen, sondern die bilaterale Vereinbarung über den Bau der Autobahn über Waidhaus.

Präzision und Qualität

"Vom Ende der Welt in die Mitte Europas" gerückt sah Karl-Hans Hofmann Waldsassen. "Die Vernunft, die Goethe schon gelobt hat, hat sich sich praktisch ausgezeichnet", erklärte Eisel in Anspielung auf die Aufzeichnungen des Dichters in der "Italienischen Reise" über das Engagement Waldsassens. Die Verantwortlichen hätten frühzeitig Kontakt aufzunehmen mit den tschechischen Nachbarn.

"Ich muss dem Freistaat Bayern und der Bundesrepublik Deutschland danken", sagte Pospíšil und meinte damit die Möglichkeit für Pendler, in Deutschland arbeiten zu können. Mit dem deutlich größeren Verdienst sei der eigene Besitz in Tschechien aufgebaut und renoviert worden. Außerdem hätten sich "Präzision und Qualität", so Pospíšil, auch auf Handwerker aus Westböhmen übertragen. Zur Sprache kamen auch der Austausch zwischen Vereinen und die sprachliche Barriere. "Das könnte man noch etwas intensivieren", so Eisel über die aktuelle Situation: "Deutsche sprechen weniger tschechisch als Tschechen deutsch sprechen."

Dabei erinnerte Pospíšil an die Tschechisch-Kurse, die gleich nach Grenzöffnung sein Vater Jaroslav Pospíšil hielt – für eine Gruppe aus Mitterteich, der unter anderem auch der damalige Landrat Karl Haberkorn angehörte. „Ich bin etwas enttäuscht“, wunderte sich Pospíšil, dass es noch keine gemeinsame Schule im Raum Waldsassen-Eger gebe. Diese könnte auch an mehreren Orten etabliert werden. Absolventen könnten dort zwei, drei Sprachen lernen – darunter auch die jeweilige des Nachbarlandes, so der Vorschlag. Horst Eisel bezeichnete die Grenzöffnung als Teil eines Prozesses, der später für den eigentlichen Anlass zum Feiern geführt habe – den EU-Beitritt Tschechiens im Jahre 2004 mit uneingeschränkter Reisefreiheit und Freizügigkeit in Europa.

 
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