Das Kloster Waldsassen und der Landkreis Tirschenreuth als Träger der beiden Realschulen in Waldsassen haben über "Sondierungsgespräche" für eine Zusammenlegung der beiden Einrichtungen informiert. "Es soll ein neues Stück Schulgeschichte im Landkreis geschrieben werden", heißt es in einer am späten Mittwochnachmittag verschickten Erklärung zur Zukunft der Mädchenrealschule der Zisterzienserinnen-Abtei und der Staatlichen Realschule im Stiftland.
„In den nächsten fünf bis sieben Jahren dürfte es konkrete Entscheidungen geben“, erklärt gegenüber Oberpfalz-Medien Äbtissin Laetitia Fech zum weiteren Vorgehen. Denn akuten Handlungsbedarf gebe es keinen. „Es geht der Mädchenrealschule bestens. Aber ich schaue in die Zukunft“, begründet die Ordensfrau die Überlegungen.
„Zu Beginn meiner Amtszeit hatten wir 500 Schülerinnen.“ Inzwischen seien es etwas mehr als die Hälfte. „In der Knabenrealschule ist es genauso. Und die Entwicklung wird nicht besser“, sieht die Zisterzienserin die demografische Entwicklung im Landkreis. „Jeder, der Eins und Eins zusammenzählen kann, weiß, dass es so nicht bleiben wird. Auch wenn es jetzt optimal ist.“
Kreis übernimmt Defizit
Nach dem Amtsantritt im Mai 2020 kam Landrat Roland Grillmeier mit Äbtissin M. Laetitia Fech überein, den Realschulstandort Waldsassen zu stärken. „Die Realschulen sind das Rückgrat unserer Bildungsregion“, so Grillmeier. Er stellt das jahrzehntelange erfolgreiche Nebeneinander am Realschul-Standort Waldsassen heraus, viele Leistungsträger der Region seien aus diesen beiden Schulen hervorgegangen.
„Bereits nach der Sanierung des Klosters hat der Landkreis mit der Übernahme des Schuldefizits die weiteren Weichen für das Wirken der Mädchenrealschule gelegt", unterstreicht der Landrat. Verwiesen wird auch auf die verstärkte Zusammenarbeit beider Einrichtungen – mit einem Dank an die Verantwortlichen.
Staatliche Trägerschaft
Laut Grillmeier sei es für kirchliche und private Schulen in manchen Unterrichtsfächern jedoch immer schwieriger, die Lehrerausstattung zu sichern. Denn der Staat übernehme so gut wie alle Lehrkräfte ins Beamtenverhältnis. Äbtissin und Landrat seien sich nach vielen Vorgesprächen nun einig, die Weichen für eine noch intensivere Zusammenarbeit zu stellen. Dazu seien weitere Gespräche nötig.
„Ziel ist es, die gebäudlichen Strukturen zu prüfen und über eine Studie aufzuzeigen, wie ein gemeinsamer Schulstandort aussehen kann", erläutert Grillmeier. Das Kultusministerium habe bereits signalisiert, den Weg der Zusammenführung unter staatlicher Trägerschaft mitzugehen. Wichtig sei auch, dass Lehrkräfte keine Nachteile bei der Zusammenführung hätten. Ein attraktiver Schulstandort müsse die Wünsche aller Beteiligten berücksichtigen.
Landrat ist zuversichtlich
„Wir als Landkreis haben gezeigt, dass wir bereit sind, enorme Mittel in Bildung zu investieren und Schulstandorte zu stärken", ist Grillmeier zuversichtlich und nennt Stiftland-Gymnasium, Realschule Kemnath oder Berufsschule Wiesau als Beispiele. "Ich bin davon überzeugt, dass uns auch in Waldsassen eine gute Lösung gelingen wird.“
In die Gespräche eingebunden waren MdL Tobias Reiß, Kultusministerium, Regierung der Oberpfalz, Katholisches Schulwerk, die Diözese Regensburg sowie die Abtei und der Landkreis. Als Grundoption für weitere Überlegungen in diese Richtung habe Äbtissin Laetitia Fech stets angeführt, dass „das christliche Profil gerade in unserer sehr pluralen und sich rasch wandelnden Gesellschaft nicht verloren gehen darf“.
Bildung als christlicher Auftrag
Gegenüber Oberpfalz-Medien verweist Äbtissin Laetitia auf die Bildung als christlichen Auftrag. „Das liegt mir schon am Herzen“, sagt die Zisterzienserin und konkretisiert im Hinblick auf den Sendungsauftrag des Klosters: „Ich möchte nicht, dass die Bildung der weiblichen Jugend aus diesem Kloster auszieht.“ Die frühere Beschränkung auf die weibliche Jugend schließe in der heutigen Zeit Jungs nicht aus, räumt die Äbtissin ein. "Wenn alle zusammenarbeiten, dann haben wir alle miteinander eine Zukunft." Im Moment gehe es darum, schon miteinander zu denken und gegenwärtig noch eigenständig zu entscheiden.
Das breite Spektrum beider Schulen mit dem einzigartigen Fächerangebot sei die besondere Chance der künftigen einen Realschule. „Eine Co-Edukation von Buben und Mädchen“, wie es heißt, könne gerade auch im Blick auf die Integration bei der Herkunft der Kinder mit Migrationshintergrund förderlich sein. Äbtissin Laetitia wolle das Erbe des christlich-benediktinischen Abendlandes in eine multiplurale Gesellschaft hinein bewahren und in einer gemeinsamen Bildungsvision von Kommune und Kloster weiterpflegen.
Bürgermeister Bernd Sommer begrüßt in einer Stellungnahme gegenüber Oberpfalz-Medien das vorausschauende Handeln der Äbtissin, „rechtzeitig und ohne Druck“.
"Ball beim Landkreis"
„So etwas braucht schon einige Jahre“, erklärt die Ministerialbeauftragte für die Realschulen in der Oberpfalz, Mathilde Eichhammer, auf Anfrage, bis wann die Zusammenlegung erfolgt ist. Der Stein sei seitens der Äbtissin ins Rollen gebracht worden, wegen der Anzahl von Schülerinnen. Beide Schulen vor Ort pflegten ein "ganz tolles Miteinander". Man werde sehen, wohin die Reise geht, so die Ministerialbeauftragte und meint: "Der Ball liegt jetzt beim Landkreis."
Kerstin Reiter, Leiterin der Mädchenrealschule, verweist auf Anfrage auf die Erläuterungen der Äbtissin als Vertreterin des Schulträgerin. Stephan Drexler sieht den Landkreis als Träger am Zug. Der Leiter der Realschule im Stiftland stellt die topmoderne Ausstattung und den anhaltend großen Zulauf an Schülern heraus. „Die Zahlen zeigen steil nach oben.“
Die beiden Realschulen in Waldsassen
- Die Staatliche Realschule im Stiftland besuchen 309 Schüler in 13 Klassen. 28 Lehrerinnen und Lehrer gehören dem Kollegium an.
- Die klostereigene Mädchenrealschule der Zisterzienserinnen in Waldsassen feierte 2015 das Jubiläum „150 Jahre Mädchenbildung im Stiftland“ und blickte 2017 auf „70 Jahre Mädchenrealschule der Zisterzienserinnen“ zurück.
- Mit 289 Schülerinnen (in 12 Klassen) und 25 Lehrkräften ist die Schule laut Mitteilung "im Moment eine blühende kirchliche Realschule, die sich zugleich Umweltschule in Europa nennen darf". Verwiesen wird zudem auf die Partnerschulen in Rom, Verona und Marcoussis (Frankreich).
"Ich bin davon überzeugt, dass uns auch in Waldsassen eine gute Lösung gelingen wird.“
"Ich möchte nicht, dass die Bildung der weiblichen Jugend aus diesem Kloster auszieht."
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