Das Städtchen Plesná, ehemals Fleißen, dürfte schon bald weit über seine Grenzen hinaus Beachtung finden. Dies ist dem jungen, sehr rührigen Bürgermeister Petr Schaller zu verdanken. Wie schon sein Name vermuten lässt, waren ein Teil seiner Vorfahren Deutsche. Als die ehemaligen Bewohner im Jahre 1946 aus ihrer Heimat vertrieben wurden, musste aber seine Großmutter zurückbleiben: Ihre Arbeit in der Textilfabrik war damals auch unter den neuen Machthabern unverzichtbar.
Alleine unter Fremden war es für sie ganz unvorstellbar, dass einer ihrer künftigen Enkelsöhne Bürgermeister von Fleißen, das nun Plesná hieß, werden könne. Die ehemalige Textilfabrik Tosta ist nur noch eine mächtige Ruine inmitten des Ortes. Für Petr Schaller aber ist sie ein Ort der Erinnerung - an die Industriegeschichte seiner Heimatstadt und an das Schicksal seiner Familie.
In Tschechien wird die deutsche Vergangenheit längst nicht mehr ignoriert oder diffamiert: Aber das bittere Schicksal der Vertreibung ist für viele der danach zugezogenen Bewohner kaum vorstellbar. Für Petr Schaller sind diese leerstehenden Fabrikgebäude ein idealer Ort der Erinnerung. Gemeinsam mit dem Atelier Aust aus Cheb entwickelte er einen ungewöhnlichen Plan: Ein Teil der Gebäude wird abgerissen oder verkleinert, andere bleiben und bieten genügend Platz für die Ausstellungshallen, auch der Fabrikschlot soll erhalten bleiben. Auf dem ehemaligen Werksgelände entsteht ein kleiner Park, ein Platz für die Autos der Besucher, ein Café und Ausstellungsgelände im Freien.
Der Bürgermeister hat schon viele kreative Ideen: Schulklassen werden in eine nachgebaute Wohnung aus dem Jahre 1946 geführt. Dort sollen die jungen Besucher innerhalb kurzer Zeit auswählen, was sie mitnehmen würden, wenn sie ihre Heimat verlassen müssten. "Es sind aber nur 30 Kilo erlaubt. Deshalb wird es für die Kinder nicht einfach sein, sich zu entscheiden." Dann können die Kinder einen Güterwaggon besteigen um nachzufühlen, wie dieser bittere Abschied erlebt und erlitten wurde. Petr Schaller möchte auch erreichen, dass es nicht nur bei einmaligen Besuchen bleiben wird. Deshalb knüpft er schon jetzt Kontakte zu anderen Museen, um später mit ihnen Leihgaben für Sonderausstellungen auszutauschen. Im Idealfall wäre es dann möglich, dass deutsche und tschechische Partnerschulen das Museum gemeinsam besuchen. Die Kenntnis der Vergangenheit soll Lehre für eine bessere Zukunft in freundschaftlicher Nachbarschaft sein.
Ein weiteres Ausstellungsthema wird die Geologie der Region sein: Nový Kostel, das Epizentrum der Erdbeben im Egerer Becken, ist nur 7 Kilometer von Plesná entfernt. Der junge Bürgermeister ist optimistisch: "Die Eröffnung des Museums ist für den Dezember 2020 geplant." Auch die Kosten machen ihm keine großen Sorgen: "Umgerechnet 2,5 Millionen Euro. Aber es gibt eine EU-Förderung von 80 Prozent." Ermöglicht wird dies durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit der Stadt Erbendorf im Landkreis Tirschenreuth. Gemeinsam wurde schon einmal ein sogenanntes Spiegelprojekt durchgeführt, als die Stadtparks von Erbendorf und Plesná saniert wurden, unterstützt durch Fördermittel der Europäischen Union. Nun plant auch Bürgermeister Hans Donko ein Museum: Es befasst sich ebenfalls mit der Kriegs- und Nachkriegsgeschichte und außerdem mit der geologischen Vergangenheit der beiden Partnerstädte.
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