Der Internist schlägt mit Blick auf die Dienstpläne im August und September Alarm. Er spricht von einer "Gefährdung der Besetzung der Notarztstandorte". Davon gibt es im Landkreis drei: Waldsassen, Tirschenreuth und Kemnath.
Fortelny ist für den Notarztstandort in der Klosterstadt zuständig und erstellt auch die Dienstpläne. Derzeit hat er elf Leute zur Verfügung. Darunter sind neben niedergelassenen Ärzten, auch Mediziner, die an der Uniklinik in Regensburg und Erlangen oder als Oberärzte in Weiden und Hof arbeiten, aber im Stiftland wohnen. Beispielsweise übernimmt auch Magdalena Jancová aus Eger Dienste. Sie ist hauptberuflich als Notärztin in Eger tätig und spricht fließend Deutsch. Während ihrer Schichten ist sie am Standort in Waldsassen. "Es wird immer schwieriger, Notärzte zu bekommen. Das ist ein harter Kampf", bedauert Fortelny, der im August selber neun Nachtschichten besetzte.
Die Schließung des Akutkrankenhauses Waldsassen Mitte 2019 habe seine Aufgabe nicht leichter gemacht. Denn bis dahin seien aufgrund der kurzen Transportwege die Einsatzzeiten für den Notarzt noch absehbar gewesen. Diese würden nun durch Transporte nach Tirschenreuth, Weiden oder Marktredwitz deutlich zunehmen. "Durch die zusätzliche zeitliche Belastung sinkt die Bereitschaft der niedergelassenen Kollegen, weitere Dienste am Standort Waldsassen zu übernehmen. Denn durch längere Ausfallzeiten wird die Versorgung der eigenen Patienten in den Praxen verschlechtert", erklärt der 66-Jährige.
Beim Notarztdienst gibt es eine Tag- und Nachtschicht (8 bis 18 Uhr, 18 bis 8 Uhr). Während in Tirschenreuth und Kemnath tagsüber die Notärzte durch die Klinken AG gestellt werden, ist die Versorgung in Waldsassen durch die freiwilligen Dienste der niedergelassenen Mediziner gewährleistet. Beim Blick auf die Dienstpläne für August und September alarmieren ihn die Ausfallzeiten in Tirschenreuth und Kemnath mit jeweils über 20 Tagdiensten. Daher habe er auch schon mit den Verantwortlichen der Klinken AG gesprochen. "Es wurde mir versichert, dass alles versucht wird, diese Fehlzeiten noch zu besetzen."
Dies sei unbedingt nötig. Denn falls die Waldsassener auch den Bereich Tirschenreuth und Randgebiete Kemnaths während dieser Zeit zusätzlich versorgen müssten, sei dies nicht mehr zu schultern. "Der eingehende Appell der Notärzte von Waldsassen geht daher an die Kliniken AG, diesen Missstand sofort zu beheben und den Notarztstandort in Kemnath und Tirschenreuth wieder rund um die Uhr zu besetzen", so Dr. Fortelny.
Durch den Einsatz des Rettungshubschraubers könne lediglich ein kleiner Teil der Notarzteinsätze abgedeckt werden. "Ist dieser gebunden, muss die Bevölkerung davon ausgehen, dass es sehr lange Zeit dauert, bis ein entsprechender Notarzt zur Einsatzstelle kommt." Für den Internisten ist das alles ein Zeichen, dass sich nicht nur durch die Schließung von Krankenhäusern die Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum verschlechtere, sondern auch im gleichen Maße durch das Nichtbesetzen des Notarztstandorts.
Fortelny ist nach 35 Jahren als Notarzt trotzdem noch motiviert. Er spricht von einer Verpflichtung gegenüber den Menschen, der er gerne nachkomme. "Wenn wir mehr Notärzte hätten, könnte ich kürzer treten. Dies ist aber leider nicht der Fall", so der 66-Jährige. Er führe diese Aufgabe weiter, "so lange man mich halt braucht".
"Sehr gute Besetzungsquote"
Der Sicherstellungsauftrag für die Besetzung des Notarztdienstes liegt bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). Nicht zu verwechseln ist er mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst, der nachts und am Wochenende für die kleineren Blessuren zuständig sind.
Wie funktioniert in Bayern der Notarztdienst?
Der Gesetzgeber sieht laut KVB-Sprecher Michael Stahn bei Problemen mit der Sicherstellung des Notarztdienstes die Heranziehung geeigneter Kliniken vor. Für die Notarztstandorte Kemnath und Tirschenreuth gibt es eine vertragliche Regelung mit der Kliniken Nordoberpfalz AG, nach der sie sich verpflichtet, die beiden Standort werktags tagsüber zu besetzen. "Jedoch ist es auch für die Kliniken sehr schwer, ausreichend entsprechend ausgebildetes Personal für den Notarztdienst zu finden."
Die Teilnahme am Notarztdienst in Bayern ist eine freiwillige Leistung und beruht maßgeblich "auf dem besonderen Engagement der in Bayern tätigen Notärzte". Diese sind in der Regel niedergelassene Ärzte oder Ärzte, die den Notarztdienst neben ihrer Haupttätigkeit - zum Beispiel als Krankenhausarzt - erbringen.
Wie ist die Besetzungsquote der drei Notarztstandorte im Landkreis Tirschenreuth?
"Die Notarztstandorte im Landkreis Tirschenreuth weisen grundsätzlich eine sehr gute Besetzungsquote auf", legt Stahn Zahlen vor: In Kemnath waren es von Januar bis Juli 95,71 Prozent, in Tirschenreuth 98,28 Prozent und in Waldsassen 99,83 Prozent. Eine Verschlechterung der Besetzungssituation im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zu 2018 sei nicht erkennbar.
Was passiert, wenn ein Notarztstandort nicht besetzt ist?
Stahn bestätigt, dass dies am Mittwoch, 28. August, bei der Tagschicht in Kemnath und Tirschenreuth der Fall war. Allerdings sei im Landkreis am Mittwoch tagsüber der Notarztdienst durch den Notarzt am Standort Waldsassen durchgehend besetzt gewesen. Zudem seien die nächstgelegenen Notarztstandorte Marktredwitz, Wunsiedel, Bayreuth, Eschenbach und Neustadt/WN besetzt gewesen.
Aber auch in solchen Fällen gebe es ein gut funktionierendes System, um die notärztliche Versorgung der Bevölkerung zu sichern: Über nicht besetzte Dienste würden umgehend der zuständige Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung und die jeweilige Integrierte Leitstelle (ILS) informiert. Dadurch könne im Bedarfsfall der nächstliegende Notarzt oder der Rettungshubschrauber durch die ILS alarmiert werden.
Wer erstellt die Dienstpläne?
Dies erfolgt je nach Standort durch den Gruppensprecher des Notarztstandortes, der einen Dienstplanvorschlag bei der KVB einreicht, beziehungsweise in den Fällen, in denen das Amt des Dienstgruppensprechers nicht besetzt ist, durch die KVB auf Basis der von den Notärzten vorab eingereichten Dienstwünsche. Für die Einteilung von Notärzten durch die am Notarztdienst beteiligten Kliniken ist das jeweilige Krankenhaus verantwortlich.
Notärtzlicher Nachwuchs
Es gibt immer weniger notärztlichen Nachwuchs. KVB-Sprecher Michael Stahn verweist unter anderem auf die Arbeitsverdichtung in Praxis und Klinik und die damit eingeforderte Work-Life-Balance. Niedergelassene Ärzte seien zusätzlich auch einem ganz erheblichen Loyalitätskonflikt ausgeliefert, wenn sie den Notarztdienst während ihrer Sprechzeiten erbringen.
Mittlerweile würden viele seit langem engagierte Notärzte das Rentenalter erreichen. Gleichzeitig sei notärztlicher Nachwuchs schwer zu finden, da die Anforderungen im Rettungswesen – und damit auch an die Notärzteschaft – deutlich und stetig gestiegen sei. „Die heute obligatorischen Zusatzweiterbildungen in der Notfallmedizin erfordern einen hohen persönlichen und zeitlichen Aufwand des notärztlichen Nachwuchses“, so der Sprecher.
Dies erhöhe auch das Berufsalter der in den Notarztdienst einsteigenden Ärzte. Notärzte in Bayern haben laut Homepage der ILS Nordoberpfalz eine mindestens 18-monatige klinische Erfahrung und eine Fachweiterbildung für Notfallmedizin besucht. (rti)
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