Es war ein Abend voller Emotionen, tiefsinniger Worte, die nachdenklich machten, und extravaganter Musik. Und es war wahrlich schwere Kost. Wer sich jedoch darauf einlassen konnte, hat vieles dafür bekommen: Impro-Jazz von zwei Profis aus dem Weidener Jazz-Zirkel und Lyrik aus der Feder von Ingo Cesaro erlebten die Zuhörer und Zuhörerinnen am Samstag im Kunsthaus Waldsassen.
Begleitet vom Wilfried Lichtenberg am Kontrabass verblüfften die drei erfahrenen Künstler mit einer Hand in Hand gehenden Symbiose von Worten und Klängen. Bald war das Kunsthaus erfüllt vom Impro-Jazz und Worten eines durchwegs kritischen und politischen Dichters, die teils tief unter die Haut gingen. Während Cesaro schonungslos die Gräueltaten und Verfehlungen in der aktuellen Weltpolitik in große Worte fasste, lyrisch interpretiert, improvisierten die Jazzmusiker die geeignete Musik dazu. Teils ließen sie ihre Instrumente während der Lesung leise im Hintergrund mitschwingen, um dann wieder die großen Worte des Lyrikers musikalisch ausklingen zu lassen. Ingo Cesaro nimmt kein Blatt vor den Mund, geht es darum, in Worten darzustellen, wie Menschen mit Menschen umgehen.
Fragen zwischen den Zeilen
Der Abend war geprägt von intellektueller Kunst dreier Freunde, die sich ihren Passionen ein Leben lang gewidmet haben. Einheitlicher hätte dieses Zusammenspiel nicht sein können. "Sie werden sehen. Ich werde versuchen, so viel wie möglich zu lesen. Und die Musiker werden versuchen, so viel wie möglich zu spielen", erklärte Ingo Cesaro dem Publikum den Ablauf dieses Jazz- und Lyrikabends. Cesaro widmete sich den zeitgenössischen Märtyrern und ging unter anderem wortgewandt zurück bis zu den Gräueltaten im Naziregime, als Sophie Scholl ermordet wurde. Aber auch Gegenwärtiges ließ er nicht ruhen.
Der Dichter fragte zwischen den Zeilen nach dem Grund, warum im italienischen Bergamo über 100.000 Menschen an Corona starben. "Seit Corona malen die Maler nur noch schwarze Engel", lautete das Fazit des Schriftstellers und in dieser düsteren Stimmung flimmerte die Musik der Jazzer von der Bühne hinab ins Publikum. Leise, sehr leise lauschten die Zuhörer, niemand wagte es mehr, zwischen den Beiträgen zu klatschen.
Drei Zeilen mit je 17 Silben
Auch für die Flüchtlingsdramatik im Meer fand Cesaro deutliche Worte. Dabei klagte er nicht an. Vielmehr schilderte der Wortkünstler viele dieser menschlichen Weltdramen, die meist lieber aus dem Kopf verdrängt werden, deutlich und schonungslos realistisch. In eigener Sache ging es weiter mit einer unterhaltsamen Lyrik über die Suche nach dem einen Wort, um das wohl jeder Schriftsteller immer und immer wieder ringt.
Gegen Ende der Veranstaltung lernte das Publikum, was Haikus sind und wie drei Zeilen mit jeweils 17 Silben ganze Geschichten erzählen können. Mit fein aufeinander abgestimmter Musik ließen die Musiker die nachdenklich stimmenden Worte gegen 22 Uhr ausklingen. Leicht verdaulich war dieser erstmals im Kunsthaus stattgefundene Jazz- und Lyrikabend nicht. Wer sich aber darauf einlassen konnte, ging tief beeindruckt nach Hause.
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