Mitte März bebt die Erde in Kroatien. In Zagreb stürzen Häuser ein, es gibt Verletzte. Bei Jakob Beck (72) und Norbert Götz (71) löst das besondere Erinnerungen aus. Sie waren schon mal in dieser Gegend. Das ist 50 Jahre her. Auch damals bebte die Erde mit einer Stärke von 6,4 auf der Richterskala und traf die Stadt Banja Luka (heute Bosnien und Herzegowina) – rund 200 Kilometer südlich von Zagreb.
Beide waren damals 22 Jahre alt, Beck gerade frisch verheiratet. „Es war aufregend, etwas unheimlich und doch erfüllend zugleich“, blicken sie im Gespräch mit Oberpfalz-Medien auf ihren ersten Auslandsaufenthalt mit dem Technischen Hilfswerk (THW) zurück.
Begehrte Handwerker
Das Beben kam in der Nacht von 26. auf 27. Oktober 1969. Noch heute erinnert eine Standuhr in der Fußgängerzone an das Unglück um genau 9.11 Uhr. Es gab 20 Tote, über 700 Verletzte, und Tausende Menschen wurden obdachlos. In den Wochen danach rückt internationale Hilfe an. Auch der THW-Landesverband Bayern schickt Helfer ins Krisengebiet. Am 7. Februar 1970 erreicht der „Marschbefehl“ die Weidener Ortsgruppe. Zehn Mann werden ausgesucht. „Vor allem Handwerker wie Spengler, Elektriker, Metallarbeiter wurden gebraucht“, sagt Beck, der als Maschinenschlosser ebenso wie sein Bruder Georg und der gelernte Elektriker Norbert Götz zu den Helfern gehören.
Der Weidener Oberbürgermeister Hans Schelter verabschiedete die Truppe persönlich vor dem Alten Rathaus. „Das war schon was Besonderes“, erzählt Götz. Im „Neuen Tag“ heißt es damals: „Schelters Dank galt auch den Firmen, die ihre Beschäftigten für den Einsatz freigestellt haben. Den Bediensteten der Stadt, die an dem Einsatz teilnehmen, überreichte der OB als Wegzehrung jeweils ein Pfund Geräuchertes und eine Flasche Wein.“ „Das war schnell verputzt“, lacht Beck. Denn der Weg war weit.
Gemeinsam mit neun Kollegen aus Amberg und Sulzbach-Rosenberg ging es mit dem Nachtzug von München aus ins rund 900 Kilometer entfernte Zagreb, und von dort mit dem Bus nach Banja Luka. Dort warteten bereits zwei THW-Gerätewagen mit Ausrüstung aus Weiden. „Alles, was wir vor Ort zum Arbeiten gebraucht haben, hatten wir aus Deutschland mitgebracht. Auch unsere eigene Feldküche“, sagt Götz. „Wir wussten ja nicht, wie die Versorgungslage ist.“
Große Gastfreundschaft
Die Weidener richten sich aufs Schlimmste ein. „Wir hatten ja noch nie ein Erdbeben erlebt“, erzählt Beck. Viele Häuser waren eingestürzt oder beschädigt. Die Bewohner hausten in Baracken, schlachteten Hühner zum Überleben.
Die Helfer beziehen in einer Berufsschule Quartier, während dort der Unterricht weiterläuft. „Wir wurden herzlich aufgenommen. Einige Bewohner sprachen aus ihrer Zeit als Gastarbeiter sogar ein paar Brocken Deutsch“, erinnert sich der 72-jährige Beck. Die Arbeit der Helfer bestand vor allem in der Fertigstellung der sanitären Anschlüsse und der Elektrik für das Behelfskrankenhaus. Das umfasste acht Gebäude in Holzständerbauweise. Die Weidener arbeiteten hart und so flott, dass die Einweihung sogar früher stattfinden konnte. „Obwohl wir auch improvisieren mussten, denn Material war knapp.“ Vom Einsatzleiter gab’s damals ein Extralob: „So fleißig war noch keine Gruppe“.
Die Männer in ihren THW-Uniformen waren scheinbar gerngesehen. Nur manchmal blitzte Hass auf, als sie zum Beispiel eine ältere Frau als „dumme Deutsche“ beschimpft. „Das war zum Glück nicht die Regel“, sagt Götz. „Wir konnten uns relativ frei bewegen, spielten mit den Einheimischen Fußball und besuchten abends auch mal einen Club. Wir fühlten uns schon sicher. Da war immer Polizei in Zivil in der Nähe, die aufpasste.“ Staatschef Tito ließ grüßen.
Eindrücke bleiben
Das Behelfskrankenhaus wurde fertig, und die Bevölkerung war dankbar. Auch wenn die Ausstattung so überhaupt nicht dem westlichen Standard entsprach. „Der OP-Tisch war aus Beton mit einer Ablaufrinne“, erzählt Götz. „Da wird man auch als junger Mensch nachdenklich.“ An der Übergabe des Gebäudes am 13. Februar 1970 nahmen auch Vertreter der jugoslawischen Regierung teil. Die 19 Oberpfälzer werden mit dem Wappen der Stadt Banja Luka ausgezeichnet. Die Urkunde von damals hat Jakob Beck noch. Am 19. Februar 1970 ging es zurück nach Deutschland.
Was bleibt sind die vielen Eindrücke und die Kameradschaft. „Wir reden heute noch darüber“, sagen die beiden über 70-Jährigen, die noch immer Mitglied im THW sind. Auch der Ortsbeauftragte Andreas Duschner zollt nach 50 Jahren Anerkennung. „Das war schon einer der bedeutendsten Auslandseinsätze“, sagt er nicht ohne Stolz auf „seine Senioren“.
Die THW-Helfer von 1970
Sie halfen 1970 in Banja Luka: Zugführer Hans Wieland (städt. Bauaufseher), Herbert Bäumler (Zimmermann), Franz Braun (Installateur), Hermann Riedl (Raupenführer), Jakob Beck (Maschinenschlosser), Georg Beck (Installateur), Norbert Götz (Elektriker), Franz Strehl (Elektrolehrling), Siegfried Raudies (Maurer) und Erich Gollwitzer (Industriekaufmann).
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