Weiden in der Oberpfalz
09.05.2019 - 11:46 Uhr

Alle in einem Boot

„Vor drei Jahren hätten wohl bei der Thematik Flüchtlinge die Stühle nicht ausgereicht.“ KEB-Kreisvorsitzender Peter Schönberger eröffnete den Abend zum Vortrag „Refugees welcome! Eine Herausforderung − nicht zuletzt für Christen“.

von FSB
Michael Gmelch bei seinem Vortrag. Bild: fsb
Michael Gmelch bei seinem Vortrag.

Mit dem Referat startete die Ausstellung „Alle in einem Boot. Karikaturen zu Afrika und Europa“, die bis Ende Mai zu besichtigen ist.

Referent war Michael Gmelch. Er ist Militärdekan an der Universität der Bundeswehr in München. Zuvor war er unter anderem Dozent an der Offizierschule der Marine in Flensburg. In dieser Zeit war er auch beruflich mit dem Segelschulschiff Gorch Fock unterwegs und hatte Auslandseinsätze an Bord von Marineschiffen. Noch bevor die große Flüchtlingswelle Europa erreichte, begegnete er als Bordseelsorger und Mitglied des Verpflegungstrupps vor der Küste Libyens und auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa der Hoffnung und Verzweiflung der Menschen, die vor Krieg und Terror geflohen waren.

Von 2014 bis heute ertranken 18.207 Flüchtlinge im Mittelmeer. Deutschland beteiligte sich seit Juni 2015 mit Schiffen an der EU-Operation zur Bekämpfung von Menschenschmuggel auf der zentralen Mittelmeerroute, berichtete er. Gmelch musste, nachdem am 28. Januar 2015 die Marine ins Mittelmeer beordert wurde, auf einem hochbewaffneten Schiff, auf dem niemand wusste, wie eine Rettung vor sich geht, unvorbereitet über Nacht Flüchtlinge in Empfang nehmen.

Deutsche Marinesoldaten retteten 22.534 Menschen aus Seenot und brachten sie nach Italien. Seit Beginn dieses Jahres ist die Beteiligung an der Mission ausgesetzt, da Italien die Aufnahme der Geretteten verweigert. Derzeit sind zur Rettung nach internationalem Seerecht nur private Schiffchen oder Handelsschiffe, die aber deshalb kaum ihre Termine einhalten können, im Mittelmeer bereit. Das Sterben dort geht weiter; jeder fünfte Flüchtling ertrinkt. Gmelch zitierte den Kölner Kardinal Woelki: „Wer Flüchtlinge im Meer ertrinken lässt, lässt Gott ertrinken.“ Er forderte das Aufbrechen nationalen Denkens und europäische Solidarität sowie psychotherapeutische Begleitung und Betreuung, weil Krankheitsbilder bis hin zur totalen Aggression durch das Posttraumatische Belastungssyndrom erst nach Wochen bis Jahren auftreten.

Dann gab Gmelch aus seinem Buch eine Leseprobe. Ihn imponierte der Schreiner Tuccio aus Lampedusa, der, um Resonanz für das Flüchtlingselend zu erzielen, aus Bootsplanken Kreuze schnitzte, sie an Politiker schickte, auch an Papst Franziskus, und erreichte, dass dieser seinen ersten Auslandsbesuch als symbolische Reise zur Insel unternahm. Er oder der Arzt Pietro Bartolo, der 300.000 Flüchtlinge medizinisch behandelte, seien Beispiele des Engagements vieler Menschen, ihrer Nächstenliebe, des Teilens und der Anerkennung der Menschenwürde.

Vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen zeigte Gmelch auf, wie die Christen und Kirchen als Akteure gegen Fremdenfeindlichkeit wirken und der Flüchtlingsfrage ein menschliches Gesicht geben können. Es sei gut, fromme Sachen zu machen wie beten, wallfahren, zur Kirche gehen oder spenden, doch − so seine progressive religiöse Botschaft – entscheidend sei, im Fremden, in jedem Kranken das Antlitz Christi zu entdecken.

Kirche komme „zu sich selbst“ und habe die Chance, ihren gesellschaftlichen Vertrauensverlust zu überwinden, wenn sie in der Flüchtlingskrise ernst mache.

KEB-Kreisvorsitzender Peter Schönberger bei der Begrüßung. Bild: fsb
KEB-Kreisvorsitzender Peter Schönberger bei der Begrüßung.
Ein Dankeschön gibt es in Form eines Ausstellungskatalogs für Michael Gmelch. Bild: fsb
Ein Dankeschön gibt es in Form eines Ausstellungskatalogs für Michael Gmelch.
 
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