Weiden in der Oberpfalz
16.03.2020 - 18:26 Uhr

Aufnahme von Flüchtlingskindern: Weidener Rechtsdezernat rät von Unterzeichnung der "Potsdamer Erklärung" ab

Die Stadtratsfraktionen von SPD und Grünen machen sich für die freiwillige Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen stark. Am Dienstag wird der Ausschuss für Jugendhilfe und soziale Fragen das Thema diskutieren.

Kinder beim Wasser holen im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos. Angesichts der Zustände in Griechenland appellieren die SOS-Kinderdörfer an die EU: "Wir müssen die Flüchtlingskinder jetzt aus der Gefahrenzone holen! Ein Flüchtlingscamp ist kein passender Ort für ein Kind." Bild: SOS-Kinderdörfer/Moutafis
Kinder beim Wasser holen im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos. Angesichts der Zustände in Griechenland appellieren die SOS-Kinderdörfer an die EU: "Wir müssen die Flüchtlingskinder jetzt aus der Gefahrenzone holen! Ein Flüchtlingscamp ist kein passender Ort für ein Kind."

Anlass für die Debatte ist ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von SPD und Grünen. Darin fordern sie die Stadt Weiden dazu auf, die "Potsdamer Erklärung" der "Städte Sicherer Häfen" zu unterzeichnen und sich mit der Initiative "Seebrücke" zu solidarisieren, um die Aufnahmebereitschaft der Stadt aufzuzeigen. Hintergrund seien die Berichte über die unmenschlichen Zustände in den überfüllten Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln. Insbesondere das Schicksal von Kindern und Jugendlichen in diesen Lagern dürfe die Stadt nicht unberührt lassen.

Oberbürgermeister Kurt Seggewiß hatte bereits vor Weihnachten signalisiert, die Stadt sei bereit, 50 unbegleitete Minderjährige aufzunehmen. Der "Runde Tisch für neues Engagement" sprach sich im Januar für die Aufnahme von 5 bis 10 Waisenkindern aus, je nachdem, was die Hilfsorganisationen vor Ort und die Stadtverwaltung leisten könnten. Pfarrer Hans-Peter Pauckstadt-Künkler ("Runder Tisch") verwies auf ein entsprechendes Netzwerk in der Stadt (wir berichteten).

Im Vorlagebericht für die Sitzung des Jugendhilfeausschusses machen das Amt für soziale Dienste und das Rechtsdezernat jedoch eine ganze Reihe von verwaltungstechnischen und rechtlichen Bedenken geltend. Das Amt für soziale Dienste weist darauf hin, dass der zusätzliche Betreuungsaufwand mit dem vorhandenen Personal des allgemeinen Sozialdienstes nicht zu leisten wäre. Für etwa 30 bis 35 unbegleitete Minderjährige wäre eine zusätzliche Vollzeitstelle nötig.

Zudem seien die speziellen Einrichtungen für unbegleitete Minderjährige in und um Weiden seit 2017 nach und nach geschlossen worden. Eine teure stationäre Unterbringung wäre somit unausweislich. Deshalb müsste noch abgeklärt werden, ob der Bezirk Oberpfalz, der normalerweise die Kosten für jeden zugewiesenen unbegleiteten Minderjährigen übernimmt, dies auch bei Kindern und Jugendlichen macht, die eine Stadt freiwillig aufnimmt.

Grundsätzliche juristische Bedenken gegenüber der Unterzeichnung der sogenannten "Postdamer Erklärung" der "Städte Sicherer Häfen" - die Beteiligten planen im Juni in Berlin den Kongress "Sichere Häfen. Leinen los für kommunale Aufnahme" - und der Solidarisierung mit der Initiative "Seebrücke" meldet das Rechtsdezernat an. In der "Potsdamer Erklärung" gehe es um die Aufnahme von aus Seenot im Mittelmeer geretteten Menschen, nicht um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus griechischen Lagern, heißt es zum einen.

Zum anderen solle die Bundesregierung mit dem Antrag dazu bewegt werden, neue rechtliche Grundlagen für die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen zu schaffen, merkt das Rechtsamt an. Es liege jedoch nicht in der Kompetenz eines Stadtrats, in derartigen Fragen politischen Druck auf die Bundesregierung auszuüben. Dies sei vielmehr Aufgabe der politischen Parteien beziehungsweise von entsprechenden Verbänden, wie dem Deutschen Städtetag. Das Rechtsdezernat verweist zudem auf die laut Stadtbau GmbH ohnehin angespannte Wohnungssituation in Weiden.

Die Empfehlung der städtischen Juristen an den Ausschuss lautet deshalb, die "Potsdamer Erklärung" nicht zu unterzeichnen. Stattdessen solle der Oberbürgermeister vom Stadtrat beauftragt werden, die gewünschten Ziele im Bayerischen und Deutschen Städtetag vorzutragen und von Entscheidungsträgern der Europa-, Bundes- und Landespolitik eine umgehende Beseitigung der Missstände in den Flüchtlingslagern einzufordern.

Zur Information: Die Große Koalition hat am 9. März beschlossen, „etwa 1000 bis 1500 Kinder auf den griechischen Inseln zu unterstützen“. Wie viele von ihnen nach Deutschland geholt werden sollen, ist noch offen.

Weiden in der Oberpfalz17.01.2020
 
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