„Ich nehme nur einheimische Laubbäume. Damit habe ich Erfolg.“ Frank Jesse ist Deutsch- und evangelischer Religionslehrer an der Hans-Scholl-Realschule. In einem früheren Beruf war er Gärtner. Seine Kenntnisse nutzt der Pädagoge seit Jahren für die Wahlfachleitung „Bonsaigarten“ an der Schule. Jedes Jahr gewinnt der Studienrat bis zu zehn Schüler für das Projekt. In diesem Jahr wurde sein Bonsai, eine Forsythie, zudem bei der in Europa bedeutendsten Bonsai-Ausstellung im Belgischen Gent unter den fünf besten Laubbäumen nominiert. „Das ist wie die Oscar-Nominierung beim Film“, erklärte er. Bei der Ausstellung gewann Jesse auch den „Bonsai Art Award“, den die renommierte Fachzeitschrift „Bonsai Art“ verleiht. Sein 40 Jahre altes Bäumchen schmückt nun sogar das Titelblatt.
Die "Trophy" besuchten 5000 Menschen, vorrangig Fachpublikum aus ganz Europa, welche die über 100 Exemplare bestaunten. Jesse war zum ersten Mal dabei - mit einer Forsythie aus seiner Privatsammlung. Die wurde über 20 Jahre lang von Othmar Auer aus Brixen in Südtirol gestaltet. Auer hatte den Bonsai aus einem Gartenyamadori (Findling) entwickelt. Mit viel Fingerspitzengefühl. Vor einigen Jahren übernahm Jesse den Bonsai und arbeitete seitdem an dem Baum weiter.
„Das ist eine Kunstfertigkeit für sich. Man braucht gewisse gärtnerische Grundlagen“, sagt er. Richtiges Gießen, Düngen, Krankheiten erkennen. „Man benötigt handwerkliche Techniken und muss sich auf eine jahrzehntelange Entwicklungsphase einstellen.“ Bei besonders wertvollen Exemplaren werde der Baum von Generation zu Generation weitergereicht. „Es sind keine Sonderbehandlungen nötig. Man lässt ihn nicht hungern oder so, um ihn klein zu halten." Ein Bonsai sei immer das Produkt von Schnitttechniken. „Das muss man sich ähnlich wie mit einer Hecke vorstellen, die regelmäßig zurückgeschnitten werden muss, um in der Größe formstabil zu bleiben. Nur achte ich beim Ausschneiden der Struktur darauf, dass hier eine Art Illusion entsteht, von einem altehrwürdigen Exemplar eines Baumes.“ Und zwar anhand eines Bonsais, der so alt gar nicht sei. „Und dass man das nicht erkennt, ist die Kunst."
In jungen Jahren werde der Baum gedrahtet. „Ein junger Baum wächst ja nach oben, und ich sorge dafür, dass die Äste sich nach unten neigen.“ Später werde der Draht entfernt. Und niemand ahne dann, dass die Neigung erzwungen war.
„Die Teilnahme an der ‚Best of 20 Years Trophy‘ stellt schon eine große Herausforderung dar“, sagt der Bonsai-Experte. „Dabei ist man gut beraten, professionelle Hilfe hinzuzuziehen.“ Er konnte für die Präsentation Valentin Brose gewinnen, der durch seine langjährige Erfahrung in Japan viel Know-how mitbrachte. „Ein gelungenes Gesamtarrangement zu kreieren, ist von außerordentlicher Wichtigkeit. Da müssen Baum, Schale und Akzentpflanze eine gelungene Komposition ergeben." Die beiden hatten es sogar geschafft, das Bäumchen exakt während der dreitägigen Dauer der Ausstellung zum Blühen zu bringen. Letztlich komme es aber immer auf den Geschmack der jeweiligen Jury an.
Auf das Thema Bonsai sei er vor 20 Jahren durch einen Fernsehbericht gestoßen. "Ich habe mit einfachem Experimentieren angefangen und mich nach dem einen oder anderen Misserfolg der Materie angenähert." Und weiter: „Wenn man sich nur lange genug beharrlich um den Erfolg einer Sache bemüht, bleibt dieser letztendlich nicht aus.“
Seinen Schülern aus dem Wahlfach Bonsaigarten versuche er, einen emotionalen Bezug zur Natur vermitteln. „Mit Sicherheit geht keiner von ihnen in den Wald, um dort einen Baum zu schänden." Der Grund: „Wer jahrelang seinen Bonsai gepflegt hat, erkennt das Ergebnis seines Handelns.“ Seine Schüler hätten Beharrlichkeit, Ausdauer und Genauigkeit gelernt. „Das sind drei wichtige Erziehungsziele." Als Dankeschön bekomme jeder Zehntklässler, der das Wahlfach besucht habe, den von ihm betreuten Bonsai zum Geschenk.
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