Vorrangig ging es beim Arbeitnehmertag 2019 um ein Dankeschön an Betriebs- und Personalräte für ihr ehrenamtliches Engagement. DGB Oberpfalz hatte mit der Stadt Weiden dazu eingeladen. Zunächst jedoch nutzten Regionsgeschäftsführer Christian Dietl und Bürgermeister Jens Meyer die Gelegenheit, grundsätzliche Themen anzusprechen. Mit deutlichen Worten kritisierte Dietl, dass sich immer mehr Arbeitgeber aus der Tarifbindung zurückziehen.
Dietl verglich Tarifflucht mit Steuerflucht und forderte: „Wer sich vom Tarifvertrag löst, sollte genauso wie Uli Hoeneß an den Pranger gestellt werden.“ Dietl forderte auch, dass öffentliche Aufträge nicht mehr an Unternehmen ohne Tarifbindung vergeben werden dürfen.
Zitiert wurde eine Veröffentlichung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. Hiernach beträgt der durchschnittliche Bruttolohn in tarifgebundenen Unternehmen monatlich 3126 Euro, dagegen in nicht-tarifgebundenen Unternehmen nur 2176 Euro. Würden alle Unternehmen den Tariflohn bezahlen, hätte der Freistaat Bayern jährlich 618 Millionen Steuereinnahmen mehr, rechnete Dietl vor. Für Dietl ist die Tarifflucht neben der Deregulierung des Arbeitsmarkts mit ursächlich für die viele prekären Arbeitsverhältnisse. Insofern seien Zahlen zum hohen Beschäftigungswachstum zu relativieren.
Diese waren zuvor von Bürgermeister Meyer als Erfolgsmeldung für die Stadt Weiden mit jetzt 28.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten genannt worden. Meyer und Dietl nahmen abwechselnd zu den von Pressesprecherin Roswitha Ruidisch gestellten Fragen Stellung. Beim Thema Digitalisierung stellte Meyer fest: „Das wird auch uns treffen.“ Vorteile verspricht sich der Bürgermeister unter anderem für Arbeitnehmer, weil es leichter sei, in Heimarbeit seine beruflichen Aufgaben zu erfüllen. Dietl betrachtete die Digitalisierung und die dadurch ausgelösten veränderten Arbeitsbedingungen keinesfalls als hinderlich für die gewerkschaftliche Arbeit in den Betrieben. „Auch Betriebsvereinbarungen können sehr kreativ sein“, stellte der Regionsvorsitzende fest. Nur mit starken Gewerkschaften könnte „Wildwuchs“ verhindert werden.
Dietl und Meyer würdigten beide ausdrücklich die Arbeit der Betriebsräte. Die Veranstaltung sollte vor allem ein Zeichen der Wertschätzung dieser Arbeit sein. Meyer betonte, dass die Betriebsräte „sagen, was notwendig ist und dabei immer die Interessen der Beschäftigten vertreten“. Dietl zählte auf, was im vergangenen Jahr mit Hilfe der Betriebsräte erreicht werden konnte und verwies dabei unter anderem auf die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung, auf die Diskussion über die Grundrente und auf zahlreiche Betriebs- und Dienstvereinbarungen.
Der Arbeitnehmertag wurde in diesem Jahr mit einem im Vergleich zu den Vorjahren deutlich veränderten Konzept veranstaltet. Schon bei der Eröffnung war dies zu erleben, als anstelle von Blasmusik die Gruppe "Kuhl Voices" das für Gewerkschaften symbolträchtige Lied „Lean on me“ sang und auch später wiederholt für die musikalische Umrahmung sorgte. Auf die moderierte Gesprächsrunde folgten Diskussionen der Teilnehmer an drei Thementischen. Dadurch waren die Betriebs- und Personalräte stärker als früher in das Veranstaltungsgeschehen einbezogen. Unter dem Format „Worldcafé“ wurde an Thementischen über „Arbeit und Bildung 4.0“, „Gleichstellung“ und „Tarifrecht“ diskutiert. Die Einzelthemen waren breit gestreut. Dabei ging es unter anderem um das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, um Frauen in Führungspositionen, Vereinbarkeit von Beruf und Leben, verschiedene Lebensmodelle sowie Betreuungsangebote. Diskutiert wurde aber auch über den lebenslangen Bildungsauftrag, Altersdiskriminierung, Weltanschauung und Religion oder sexuelle Orientierung. Viele Anregungen wurden formuliert, so zum Beispiel mehr Transparenz in den Bildungsangeboten zu entwickeln oder frühzeitig mit Bildungsvermittlung in den Kitas zu beginnen.
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