Papa Noel y la Reina, der Weihnachtsmann und die Königin. Mit diesen Spitznamen werden die argentinischen Besucher kurzerhand beim Fotoshooting versehen. Lucas setzt sich die Kapuze des Weihnachtsmannes auf. Agostina lächelt dazu das Lächeln einer Schönheitskönigin, der „Reina de la Reunificación Alemana“: Sie wurde im vergangenen Jahr zur „Königin der deutschen Wiedervereinigung“ gekürt. Schönheitsköniginnen sind wichtig in ihrer Heimat und der Bezug zu deutschen Wurzeln bei vielen Menschen nicht minder.
Lucas und Agostina stammen aus Misiones, der nordöstlichsten Provinz Argentiniens. Misiones grenzt an Paraguay und Brasilien. Da, wo die drei Länder aneinanderstoßen, stürzt der Río Paraná die weltberühmten Fälle von Iguazú herab, fließt an Montecarlo vorbei, der Heimatstadt der beiden, durchs halbe Land, bevor sich seine Wassermassen bei Buenos Aires in den Río de la Plata ergießen.
Viel ursprünglichen Wald gibt es noch in Misiones. Dessen Grenzen korrespondieren auf dem Satellitenbild mit den Landesgrenzen zu Paraguay und Brasilien, wo die Motorsäge längst ein anderes, von Soja-Pflanzen beherrschtes Landschaftsbild gezeichnet hat. Doch auch in Misiones rattern große Trucks mit dicken Urwaldriesen oder Mate-Tee auf den Ladeflächen die wenigen Überlandstraßen entlang. Industriell gefertigte, devisenbringende Güter oder Maschinen finden sich darauf eher selten.
Von hier also stammen Lucas und Agostina. Im vergangenen Jahr hatten sich die beiden 17-Jährigen gemeinsam mit anderen Schülern ihres Gymnasiums, des Instituto Carlos Culmey, auf große Reise begeben: drei Monate Europa, Weihnachten und Neujahr, Winter auf einem anderen Kontinent. Ihre Reise führte sie durch viele deutsche und europäische Metropolen, ihre ersten, vorweihnachtlichen Eindrücke sammelten sie jedoch in der Oberpfalz, in Weiden – im Zuge eines Schüleraustauschs mit dem dortigen Augustinus-Gymnasium.
Jetzt, ein Jahr danach, blicken sie zurück …
ONETZ: In Deutschland träumt man von weißen Weihnachten. Bei euch dagegen ist es immer grün. Auf der Silberhütte, am bayerischen-böhmischen Grenzkamm, habt ihr im Dezember 2018 zum ersten Mal Schnee gesehen. Wie war das für euch?
Agostina: Genau genommen hatte ich zuvor schon einmal Schnee gesehen, auf einer Reise durch den Süden Argentiniens. Dort ist es kälter und gebirgiger. Es war aber nur ganz wenig und er taute bereits. Aber in Deutschland konnte ich ihn zum ersten Mal genießen, einen Schneemann bauen, eine Schneeballschlacht machen, Skifahren. Das war ein total schönes Erlebnis!
Lucas: Für mich war es das allererste Mal, dass ich Schnee erleben konnte. Das war wirklich berührend! Und Schneeballschlachten sind einfach toll.
ONETZ: Advent, Weinnachten, Neujahr: Im vergangenen Jahr habt ihr diese Zeit zum ersten Mal außerhalb Argentiniens und ohne eure Familien verbracht. Waren diese Tage und Wochen in Europa anders als bei euch zu Hause?
Lucas: Ja, klar. Ganz anders. In der Oberpfalz waren wir auf wunderschönen Weihnachtsmärkten, zum Beispiel in Falkenberg, einer schönen
Burg. Dann die festlich geschmückten Altstädte von Weiden und Regensburg! Solche Kulissen gibt es bei uns nicht. Weihnachten und Silvester selbst habe ich mit argentinischen Mitschülern in Leverkusen verbracht. In der Oberpfalz waren wir ja nur eine Woche. Meine Freunde und ich feierten, lachten und sangen gemeinsam, und am Ende gab es Geschenke. Dennoch war Weihnachten so weit weg von zu Hause natürlich ganz anders. Eines ist mir aufgefallen: In Leverkusen waren die Menschen eher ruhig und gelassen. Auch an Silvester. Das kenne ich von Argentinien her ganz anders. In der Silvesternacht überraschte mich aber das Feuerwerk, mit dem man hier das neue Jahr begrüßt. Wir feierten mit den Einheimischen auf der Straße. Deutsches Bier durfte dabei natürlich nicht fehlen. In Argentinen feiern wir Weihnachten übrigens auch mit einem Weihnachtsbaum. Bei uns in der Familie singen wir sogar deutsche Lieder, meine Mutter hat nämlich österreichische Vorfahren. Viele Menschen in Misiones haben deutsche oder, wie in meinem Fall, österreichische Wurzeln und halten die Traditionen hoch. Es gibt sogar einen Radiosender, der einmal in der Woche ein deutschsprachiges Programm ausstrahlt.
Agostina: Die Vorweihnachtszeit in der Oberpfalz war anders als bei uns. Vor allem die Kälte war ungewohnt, zu dieser Zeit ist es in Misiones besonders heiß. Weihnachten und Silvester habe ich dann bei argentinischen Freunden in der Schweiz verbracht. Das Weihnachtsfest haben wir im Kreise der Familie und ruhig gefeiert. Das war eigentlich wie zu Hause, mit Weihnachtsbaum und Geschenken. Silvester war ich auf einer Party mit Freundinnen. In Argentinien tanzen wir zu Hause und gehen dann auf die Straße, wo es viel Musik gibt. In der Weihnachtszeit gibt es bei uns in Misiones übrigens noch etwas Besonderes: In einer Nachbarstadt besteht die ganze Weihnachtsdekoration auf den Straßen und Plätzen aus alten Kunststoffflaschen. Krippenfiguren, Weihnachtssterne – alles aus Plastik.
ONETZ: Abgesehen von Weihnachten und Silvester, welche Unterschiede zwischen Europa und Argentinien sind euch besonders aufgefallen?
Agostina: Bei uns trifft man sich mehr mit Freunden und Familienmitgliedern. Wir unterhalten uns, grillen, lernen oder arbeiten zusammen. Man macht einfach mehr gemeinsam.
Lucas: Misiones ist anders als alles, was ich in Europa erlebt habe. Wir haben viel Natur, keine großen Städte. Europa me ha fascinado, pero la tranquilidad y la paz de Misiones – no la cambio por nada – zu deutsch: Europa hat mich fasziniert, aber die Ruhe meiner Heimat würde ich gegen nichts anderes eintauschen.
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