Voll besetzt waren die Gasträume des Naturfreunde-Wanderheims in Weidens östlichstem Zipfel. "Dort wo Weiden beginnt. Wo die Sonne aufgeht", stellte Günther Grabs fest, der den Festakt initiiert und organisiert hatte. Oberbürgermeister Kurt Seggewiß erinnerte an die Feier des 950. Jubiläums der Schenkung von 1043, die vor 25 Jahren in der Max-Reger-Halle gefeiert wurde, und an den kürzlich verstorbenen Altbürgermeister Hermann, der sich um die Eingemeindung von Muglhof, Matzlesrieth und Trauschendorf verdient gemacht hatte. Am Samstag war er zu Grabe getragen worden.
"Selten komme es vor, dass "die Tochter älter ist als die Mutter", sagte Seggewiß. Während Weiden erstmals 1241 urkundlich erwähnt wurde, datiert die Schenkungsurkunde von Trauschendorf von 1043. Seggewiß berichtete von einem Großbrand im Jahr 1811, bei dem Trauschendorf bis auf vier Anwesen vernichtet wurde, von der Eingemeindung im Jahr 1972 und vom alten "Schaller-Hof", der nun im Freilandmuseum Neusath- Perschen zu bewundern sei.
Auch das Jubiläum der Naturfreunde-Ortsgruppe würdigte das Stadtoberhaupt. Als Bewegung "aus der Arbeiterschaft", der die Mitgliedschaft in bürgerlichen Vereinen damals verwehrt gewesen sei, seien die Naturfreunde noch vor dem Ersten Weltkrieg entstanden.
Dank für Integrationsarbeit
Er lobte auch das Engagement des Vereins zur Integration. 25 Prozent der Weidener hätten inzwischen Migrationshintergrund. Weiden habe nach 1945 Flüchtlinge, später Gastarbeiter, Aus- und Übersiedler, Asylsuchende Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Ohne sie wäre die Max-Reger- Stadt heute ein Städtchen wie Vohenstrauß oder Neustadt/WN, so Seggewiß. Als Vorsitzender der Sparkasse Oberpfalz Nord übergab er eine finanzielle Zuwendung zugunsten der Jugendarbeit an Zweiten Naturfreunde-Vorsitzenden Herbert Schmid.
Nazis contra Naturfreunde
Schmid referierte über die 1895 in Wien gegründete Organisation, die heute in Deutschland 70 000 Mitglieder in 600 Ortsgruppen zählt. Am 1. März 1913 hätten 14 Porzellanarbeiter im Gasthof Keimel die Weidener Ortsgruppe ins Leben gerufen. Nach dem Ersten Weltkrieg, im Juli 1919, seien erstmals Frauen zu den Naturfreunden gekommen. Auch sei damals bereits eine Fotogruppe gegründet worden. In späteren Jahren (1960 bis 2000) sei diese das Aushängeschild der Ortsgruppe geworden.
Durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten, die die Naturfreunde verboten und Grundstück und Geld beschlagnahmten, hoher Auflagen bei Letzau sowie Versagen einer Baugenehmigung für Bergnetsreuth durch das Landratsamt scheiterte der Bau eines Vereinsheims mehrmals. Erst 1972 gelang es, das Bergnetsreuther Grundstück gegen das in Trauschendorf zu tauschen und mit viel Eigenleistung das Wanderheim zu bauen. Dieses konnte 1985 eröffnet werden.
Durch Unterlagen aus dem Staatsarchiv Bamberg hatte sich Franz Josef Lang (Irchenrieth) über die Ernennungsgeschichte von Trauschendorf kundig gemacht. Der gebürtige Ingolstädter, der als Entwicklungsingenieur von Siemens vor 40 Jahren in die Oberpfalz kam, beschäftigt sich seit Langem mit Familienforschung und Mineralienkunde, wofür der Steinbruch von Ödenthal beste Voraussetzungen bietet. Der 74-Jährige schilderte unterhaltsam die Geschicke des Orts Trauschendorf von der Schenkung Heinrichs III. durch die Fürsprache der Gisela von Schwaben an Berengar bis heute. Sein mit vielen Anekdoten untermaltes Referat erhielt stürmischen Beifall.
Die Trauschendorferinnen Martina Uschold und Sandra Grabs berichteten bemerkenswerte Begebenheiten aus dem Dorf. Auch Günther Grabs wusste interessante Details.
• Martina Uschold schilderte die Entdeckung von 2003 beim Aushub in einer Scheune, wo in 30 Zentimeter Tiefe 705 Münzen aus der Zeit um 1400 gefunden wurden. Wahrscheinlich habe der damalige Hofbesitzer sie wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen und plündernder Soldaten vergraben.
• Sandra Grabs erzählte die lustige Geschichte des Hüt-Buben, der bei einem Brand beim „Adlbauern“ zum Hilfe holen nach Kaimling geschickt wurde und in der Aufregung barfuß losgelaufen war.
• Günther Grabs berichtete, dass der Trauschenbach, der die Grenze des Stadtgebiets Weiden zu Vohenstrauß markiert, heuer erstmals ausgetrocknet war. Weiter berichtete er von der Flurbereinigung von 1961 bis 1968 und vom höchsten Punkt des Gebiets, welcher auf 601 Meter Höhe liege.
Grabs, den OB Kurt Seggewiß als den „Kümmerer“ des Ortsteils bezeichnete, bedachte alle Referenten am Festtag mit einer Gedenktasse „Trauschendorf“, deren Auflage durch eine Spende der Firma Scharnagl möglich gemacht wurde.
Franz Schindler (Schwandorf), bis vor Kurzem Mitglied des Landtags, erinnerte beim Festakt in Trauschendorf an die Ausrufung des Freistaats Bayern vor 100 Jahren in München.
Der Sozialdemokrat Kurt Eisner habe den Niedergang der Monarchie proklamiert und das Ende einer Geschichte eingeläutet, die bis dato nur durch Herrschaftszeiten von Königen, Kaisern & Co. geprägt worden war. Die Millionen von Toten im Ersten Weltkrieg, bei dem erstmals Massenvernichtungswaffen eingesetzt worden waren, die schlechte Versorgungslage, die damit zusammenhängenden Bewegungen zur Beendigung des Kriegs und die Klassenunterschiede in der Bevölkerung hätten dazu geführt, dass es im Volk gegärt habe.
So sei der 8. November 1911 zum Beginn einer neuen Zeitrechnung geworden. Man habe eine Verfassung ausgearbeitet. Erstmals sei das Frauenwahlrecht verankert worden, die Abschaffung des Lehrerinnen-Zölibats und die Abschaffung der Oberhoheit der Kirchen über die Schulen. Eisner, dessen Partei USPD bei der späteren Wahl vernichtend geschlagen wurde, habe allerdings nur 100 Tage Ministerpräsidenten bleiben können. Im Januar 1919 habe Graf Arco ihn erschossen. Dieser sei dann zum Tode verurteilt worden, drei Jahre später aber frei gelassen worden.
Naturfreunde-Vize Herbert Schmid wusste hinzuzufügen, dass Eisner der sogenannte „Schwammerl-Paragraf“ – das Wald- und Seeufer-Betretungsrecht – in der Verfassung zu verdanken sei. OB Kurt Seggewiß merkte an, dass Eisner glücklicherweise vor seiner Ermordung noch die Kreisfreiheit der Stadt Weiden unterschreiben habe können. Schindler schloss mit einem Plädoyer für Demokratie, Freiheit und Frieden.
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