Weiden in der Oberpfalz
05.11.2018 - 12:58 Uhr

Frauen an die Macht

Das Sünde-Programm ist vorwiegend männlich geprägt. Diesmal sieht das im Weidener Pop-Up-Club anders aus. Auf der Bühne: Frauen. Am Mischpult und Licht: Frauen. Am Einlass: Frauen. Am Ausschank: Frauen. Ein in vielerlei Hinsicht einzigartiger Abend.

Christine Börsch-Supan ist nicht die weichzeichnende Begleitung einer noisigen Jungs-Band. Bei „Hope“ glänzt sie mit theaterhaftem Bühnenauftritt und klar akzentuiertem englischen Gesang. Bild: otj
Christine Börsch-Supan ist nicht die weichzeichnende Begleitung einer noisigen Jungs-Band. Bei „Hope“ glänzt sie mit theaterhaftem Bühnenauftritt und klar akzentuiertem englischen Gesang.

"Frauen.Macht" - so hatte das "Sündikat" diesen Abend überschrieben. Kaum ein Mensch im Publikum wusste, welche Künstlerinnen ihn erwarten. Und das war auch gut so. Denn sicher wären einige nicht gekommen - und hätten so viel verpasst: emanzipatorischen Hip-Hop und zornigen Post-Punk mit düsterem New Wave-Einschlag. Wer über seinen Schatten springt, wird von den Acts reich belohnt.

Die einzigen Instrumente, die "Lisaholic" für Beats und Bässe benötigt, sind ihr Mund und ein Mikrophon. Bild: otj
Die einzigen Instrumente, die "Lisaholic" für Beats und Bässe benötigt, sind ihr Mund und ein Mikrophon.

Lyrisch herausfordernd

Eröffnet wird die XX-Chromosomen-Sause von "Lisaholic" - einer durch und durch außergewöhnlichen Vertreterin des zum Teil ziemlich sexistischen Rap-Games. Die Beats und Bässe kommen nicht aus der Konserve, sondern werden live auf der Bühne produziert, mit Effekten versehen und in die Loop-Station eingespielt.

Die einzigen Instrumente, die die Wahlberlinerin aus Eching dabei benötigt, sind ihr Mund und ein Mikrofon. Es ist phänomenal, wie sie die Bassdrums beatboxt, die Snare zischt, um nur einen Augenblick später eine fett brummende Basslinie darüberzulegen. Es macht Freude, der energiegeladenen Künstlerin beim emsigen Frickeln und Schrauben an den Reglern zuzusehen. Ein weiterer Pluspunkt: Diese Frau kann wirklich singen.

Die deutschen Texte sind in ihrer Tiefe lyrisch herausfordernd: viele Bilder und Metaebenenwechsel. Vornehmlich geht es ums Künstlerinsein, Frausein, Dasein. Geschlagen mit "Hornhautverkrümmung auf dem dritten Auge", rappt sie von Gin und Pharmazeutika. In "Metaebene" disst sie völlig zu Recht die schreibende Zunft, die zur Beschreibung ihrer Kunst wohl auch schon Tic-Tac-Toe-Vergleiche herangezogen hat.

Musikalisch bedient "Lisaholic" sich der unterschiedlichsten Subgenres der elektronischen und Hip-Hop-Szene. Düsterer Trap trifft auf Techno, Breakbeat und Drum'n'Bass. Irgendwann kommt sie dann auch bei 180 Beats per Minute an und regt das Publikum zum Zappeln an.

Zweiter Act des Abends sind "Hope", ebenfalls aus Berlin und nicht minder energetisch, aber um etliche Schattierungen düsterer. Um es pathetisch auszudrücken: Die Band, allen voran Frontfrau Christine Börsch-Supan nimmt die Menschen an die Hand auf dem harten Weg von der Verzweiflung zum Zorn - in der Hoffnung auf Katharsis. "I cut it, I cut it, I cut it. Ich schneid es ab."

Durchdachte Choreografie

Die zierliche Sängerin ist dabei nicht die weichzeichnende Begleitung einer ziemlich noisigen Jungsband. Und so bedient sich ihr Bühnenauftritt auch weniger einer lässigen Rock-Attitüde denn einer dramaturgisch durchdachten Choreografie. Dazu kommt ihr klar akzentuierter englischer Gesang, der ein eindeutiges Alleinstellungsmerkmal von "Hope" darstellt. Der Sound ist Old-School und drängt einige Referenzen auf: Die klangmalerisch düstere Atmosphäre offenbart das Verwandtsein mit dem New Wave und Post-Punk der 80er. Zeitweise lärmt sich die Band dann wieder durch ausschweifende Industrial-Ausbrüche. Gebrochen wird dies durch leisere Ambient-Akzente. In dieser Mischung eine sehr moderne Variante des Dark-Pop.

 
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