So empfing der evangelische Pfarrer Hans-Martin Meuß als Vorstandsmitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit die vielen Musikfreunde im barocken, herbstlich dekorierten Ambiente der Michaelskirche im Rahmen des ersten „Weidner Klezmer-Herbstes“. Er wurde anlässlich mehrerer Jubiläums- und Gedenktage ins Leben gerufen: 30 Jahre christlich-jüdische Gesellschaft, 70 Jahre Staat Israel und – leider auch – 80 Jahre Pogromnacht. Zusammen mit der Jüdischen Gemeinde war die Gruppe „Klez & mehr“ eingeladen worden: ein guter Griff. Denn die Zuhörer wurden nicht enttäuscht, erlebten gar im akustisch hervorragenden Raum ein musikalisches Feuerwerk profimäßiger Klarinettenklänge.
Klezmer ist eigentlich jüdische Volksmusik, basierend auf religiösen Traditionen. Sie ist charakterisiert durch an die menschliche Stimme erinnernde ausdrucksstarke Melodien und vermag gleichsam zu singen, zu jubeln, zu lachen und zu weinen. Die Gruppe „Klez & mehr“ orientiert sich namensgemäß darüber hinaus auch auf Musik aus dem Balkan und dem Orient. Sie entstand aus der Kreismusikgruppe Tirschenreuth und einer Jazzcombo. Ihr Rezept: Man nehme als Leiterin eine junge virtuose Klarinettistin, Franka Plößner aus Fuchsmühl. Die angehende Abiturientin spielt das Instrument seit 12 Jahren, entlockt ihm die beeindruckendsten Töne und moderiert dazwischen ungekünstelt. Man füge ihren Musiklehrer, Vàclav Eichler aus Wiesau, hinzu, einem Meister auf Quer- und Piccoloflöte, Englisch-Horn, Oboe und Tárogató - dem in Ungarn entwickelten, in der Form der Klarinette, im Klang dem Saxophon ähnelnden Holzblasinstrument. Als Backgroundmusiker am E-Bass und am Keyboard sowie der Gitarre fungieren Vater und Sohn, Rainer und Daniel Zaus aus Ebnath. Schließlich bedarf es noch des Berufsmusikers Helmut Eisel aus Saarbrücken, der als Komponist und Arrangeur für die meisten Stücke des Ensembles verantwortlich zeigt und quasi aus der Ferne für Franka eine Art zweiter Lehrer darstellt.
Der erste Teil wurde mit fröhlichen, beinahe heimatlichen Klängen eröffnet: „A Klezmer in Bavaria“, Titelsong der Gruppe, hatte bayerische Volksmusikeinschläge. Ihm folgte das bekannte Tanzlied „Hava nagila“. Eisel beleuchtet in seinem Stück „Two Sides of Jerusalem“ die heilige Stadt mit herrlichen Melodieläufen der Bläser und den arabischen Markt, rhythmisch betont und mit hämmerdem Bass. Zwei Melodien wurden Filmen entnommen: „Le Grand Blond“ (Der große Blonde mit den schwarzen Schuhen) und ein „Tango Oriental“ aus „Pulp Fiction“. Gerade hier zeigte sich die perfekte Abgestimmtheit zwischen den beiden Bläsern bei Zweiklängen und Soli. Die klagende Klarinette kam voll zur Geltung, der Bass begleitete mit einem Ostinato. Während der NS-Zeit entstand in den USA die Melodie „Joseph, Joseph“ (Gypsy Jewish Story) im in Deutschland verbotenen Musikstil. Um sie dennoch spielen zu können, machten deutsche Musiker daraus „Sie will nicht Blumen und nicht Schokolade“. „Klez & mehr“ spielte das Original mit verblüffend schnellen Bassläufen und Gitarrenbegleitung. Mit hellen, von der Piccoloflöte unterstützten Klarinettentönen entließ das Standardstück „Le Xayim“ (auf deutsch „Prost“) die Besucher in die Pause.
Danach erklang „Klezmer im Elfenpalast“, ein marschmäßiges Zwiegespräch zwischen der Bassklarinette und dem Englisch-Horn. Der bekannte ungarische Nationaltanz „Csárdás“ von Vittorio Monti begann langsam, erhöhte schrittweise das Tempo, um in perfekt beherrschter Schnelligkeit aller vier Musiker zu enden. Hohe Anforderungen an die Begleitung stellten auch die orientalisch geformten und für europäische Ohren bearbeiteten „Greetings from the Balkan“ mit ihren unregelmäßigen Rhythmen. Als Solostück für die Tárogató erwies sich das Traditional „Alter jiddischer Tanz“, bei dem die Klarinette weitgehend als Begleitinstrument fungierte. Anlässlich eines Workshops in Jerusalem fand Komponist Eisel nur schwer zu seinem Hotel zurück. Sein guter Freund Yoram nannte ihm als „Navi“ eine ungewöhnliche Brücke. So entstand das Stück „The Fucking Thing“, das Eisel aber für ein Konzert orthodoxer Juden in „Yoram’s Freilach“ umtitelte. Erneut begeisterten hierbei Frankas Klarinette und Vàclavs Tárogató mit ihren Soli. Danach folgte mit „Donna, Donna“ ein besinnliches, nachdenkliches Werk, aus dem Warschauer Ghetto stammend und entstanden unter dem Eindruck der Deportation der Eltern des Komponisten.
Der „Slovenski Cszardas“, ein äußerst virtuoses Stück mit accelerando und extrem schnellen Läufen bildete den Abschluss des ungewöhnlichen, mit Zugaberufen bedachten Konzertes. Denen kam das Ensemble gerne nach: mit dem aus einem jiddischen Musical stammenden Swinglied „Bei Mir Bist Du Schoen“ sowie der wehmütigen Abschiedsmelodie von Helmut Eisel „Forget the tears, it’s beautiful“, in der Hoffnung, sich wiederzusehen. Das ist bereits am 27. Oktober in Tröstau möglich. Standing Ovations begleiteten die Künstler von der Bühne.
Pfarrer Alfons Forster, zusammen mit Werner Friedmann von der jüdischen Gemeinde drittes Vorstandsmitglied der christlich-jüdischen Gesellschaft, erinnerte an das zweite Konzert des „Klezmer Herbstes“: Am Sonntag, 21. Oktober 2018 findet um 17 Uhr in der Max-Reger-Halle das Musikfestival „Phoenix“ statt. Geiger FAIQ, Tenor Juri Zemsky und Pianist Alexander Goldenberg interpretieren Meisterwerke der jüdischen, europäischen und orientalischen Klassik.













Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.