Weiden in der Oberpfalz
05.11.2023 - 13:45 Uhr

Gedenken an jüdische NS-Opfer: Schule in Weiden erstmals Pate von Stolpersteinen

Die Pestalozzi-Mittelschule wird einen Gedenkstein in der Frauenrichter Straße betreuen. Gewidmet ist er der jüdischen Familie Kohner. Dabei wird es am 11. November aber nicht bleiben: Weiden bekommt 18 neue Stolpersteine.

Sie sind nicht unumstritten, diese Stolpersteine. Kritiker bemängeln, hier würden Erinnerungen mit Füßen getreten. Auch Alfons Forster, Pfarrer in Michldorf und katholischer Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Weiden, war anfangs skeptisch. Ebenso der jüdische Vorsitzende des Vereins, Werner Friedmann. Beide sehen die Stolpersteine heute anders, nachdem sich weltweit zunehmend mehr Angehörige von Nazi-Opfern positiv dazu äußern. Und auch, nachdem jetzt die erste Weidener Schule die Patenschaft für einen Stolperstein übernimmt und dadurch sicherstellt, dass der Stein dauerhaft Teil des Lehrplans wird.

Für Forster ist damit ganz klar: „Die Saat geht auf.“ Jene Saat, die der Verein seit vielen Jahren zu säen versucht und die durch den Tod der Zeitzeugen der Nazi-Herrschaft deutlich erschwerte Wachstumsbedingungen hat. Stolpersteine, die in Gehwege eingelassen sind, erinnern an das Schicksal von jüdischen Mitbürgern in der NS-Zeit. Friedmann sagt, es sei in jedem Fall besser, diese Steine zu verlegen als nichts zu tun. Die ersten 11 Stolpersteine in Weiden gelten seit November 2022 dem Gedenken an die ermordete jüdische Familie Kupfer. Sie sind in der Bahnhofstraße zu finden. Nun folgen insgesamt 18 weitere an fünf Plätzen.

Die Pestalozzi-Mittelschule, die nur einen kurzen Fußweg vom nächsten Stolperstein in der Frauenrichter Straße entfernt ist, wird auf Betreiben der beiden Schulleiter Robert Wittmann und Michael Fleischmann mit Unterstützung von Lehrer Björn Sommer eine Art Pate des Stolpersteins für die Familie Kohner werden – Eduard und Adelheid Kohner sowie deren Tochter Luise, die in den Konzentrationslagern Dachau und Majdanek ermordet wurden. Nachkommen der Familie Kohner, die mit Werner Friedmann verwandt sind, werden bei der Verlegung des Stolpersteins am 11. November anwesend sein.

Pestalozzi-Lehrer Sommer berichtet bei einem Gespräch im Kulturzentrum Hans Bauer in Anwesenheit unter anderem der Kulturamtsleiterin Petra Vorsatz und ihres wissenschaftlichen Mitarbeiters Dr. Sebastian Schott davon, wie sich seine Klasse am konkreten Beispiel der Familie Kohner dem Thema Nazi-Herrschaft genähert hat. Wie vor ihm Forster unterstreicht auch er, dass der Prozess des Annäherns, des eigenständigen Erarbeitens der Fakten weit wichtiger sei als das Ergebnis. Die Familie Kohner sei für die Schüler zusehends greifbar geworden. Und dieses Beispiel solle auch in den kommenden Jahren Schülergenerationen zum Nachfragen motivieren.

Der Berliner Künstler Gunter Demnig, der seit 1996 europaweit Stolpersteine verlegt, wird die Steine heuer möglicherweise ein letztes Mal eigenhändig einmauern. Die insgesamt 18 Steine, die am 11. November verlegt werden, erinnern an Paulina und Walter Steinhart (Unterer Markt 17), Emma, Selma und Hugo Hutzler, Betty, Hannelore, Therese und Julius Kahn (Obere Bachgasse 8), Otto, Rosa, Hermann und Wilhelm Hausmann sowie Josef Engelmann (Luitpoldstraße 8), Hermann Fuld (Wörthstraße 8) und Eduard, Adelheid und Luise Kohner (Frauenrichter Straße 52).

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Weiden in der Oberpfalz14.10.2022
Hintergrund:

Stolpersteine und Gedenken an das Novemberpogrom

  • Des Pogroms vom November 1938 gedenkt die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit am Donnerstag, 9. November, an 18 Uhr in der Konrad-Adenauer-Anlage.
  • Die Verlegung der 18 neuen Stolpersteine an 5 verschiedenen Stellen beginnt am Samstag, 11. November, um 13 Uhr. Die Verlegung erfolgt am Unteren Markt 17, in der Oberen Bachgasse 8, in der Luitpoldstraße 8 (ehemals Sedanstraße 20), in der Wörthstraße 14 und der Frauenrichter Straße 52.
  • In der Oberen Bachgasse wird es stellvertretend für die anderen Stationen gegen 13.20 Uhr ein kleines Programm geben: Bürgermeister Lothar Höher spricht, Pestalozzi-Schülerinnen werden etwas zu ihrem Projekt sagen. Die Bevölkerung ist eingeladen.
  • Im Landkreis Neustadt/WN gibt es derzeit noch keine Stolpersteine, die ersten beiden werden im kommenden Jahr in Vohenstrauß verlegt.
  • Für 120 Euro kann jedermann einen Stein für ein jüdisches Opfer stiften. Interessenten wenden sich an die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit http://www.gcjz-weiden.de.
 
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