Wolfgang Weyer steht vor den Kerzen in der Kirche St. Josef und betet. Er ist angekommen – in Weiden und in seinem Leben. "Ich habe gemerkt, die Kirche ist meine Heimat", sagt er. Und zu dieser Heimat gehört seit September auch die Stadtpfarrei Sankt Josef in Weiden. Hier ist er jetzt der neue Kaplan. Was ihn nun erwartet? "Ich weiß es nicht. Augen zu und durch."
Bis zu diesem Punkt, dem Ankommen, hat Wolfgang Weyer 56 Jahre gebraucht. Erst in diesem Jahr wurde er in Regensburg zum katholischen Priester geweiht. Früher war er Mitglied der evangelischen Kirche. Er war verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Tochter und seinen Sohn hat er lange alleine groß gezogen. Sein Geld verdiente er als Friseur. Über 40 Jahre schnitt und wusch er Haare.
"Dass ich mit 56 erst am Boden gelegen bin, das sollte so sein", sagt er und meint damit die Priesterweihe, welche die Geweihten traditionell im Liegen empfangen. Von seinem bisherigen Leben bereue er nichts. "Ich habe es geliebt und ich habe meinen Beruf als Friseur bis zum Ende geliebt." Doch irgendwann sei er aufgewacht. So beschreibt er es. "Ich habe mein Leben erlebt und gelebt." Die Höhen und die Tiefen. "Ich weiß auch, was eine gescheiterte Ehe heißt, und das wünsche ich keinem."
"War nicht gläubig"
Wolfgang Weyer führte damals in der Nähe von Wiesbaden ein Leben, welches nicht gerade außergewöhnlich daher kommt. Er war verheiratet, wenn auch nur standesamtlich, war Vater von zwei Kindern und arbeitete als Friseur. Damals gehörte er noch einer anderen Kirche an. "Ich war evangelisch, aber ich war nicht gläubig", sagt er. Seine damalige Frau und die beiden Kinder sind dagegen schon immer Katholiken.
Durch die Kinder näherte er sich der katholischen Kirche an. Er merkte, dass er sich dort wohl fühlte. Und er hatte mit dem damaligen Pfarrer der Familie einen wichtigen Gesprächspartner gefunden. Irgendwann hat Wolfgang Weyer ganz klar gemerkt: "Ich will konvertieren." Das hat er dann auch getan.
Der Glauben und der Pfarrer in seiner alten hessischen Heimat halfen ihm dann auch durch die dunkelste Zeit in seinem Leben. Die Ehe von Wolfgang Weyer ging in die Brüche. Es gab viel Streit und Schuldzuweisungen. Gerettet hätten ihn die Beichte und die Gespräche mit seinem Pfarrer. "Er hat mich immer wieder reingehen lassen ins Leben", sagt Wolfgang Weyer. Es gab nämlich auch heikle Momente der Krise. Die Zwietracht um die Kinder machte ihm besonders zu schaffen. "Es gab einen Punkt, an dem ich nicht mehr wollte."
Für die Kinder leben
Sein Pfarrer erkannte die Gefahr. "Er sagte zu mir: 'Du kommst heute Abend, besorg' dir einen Babysitter'". Die Sätze des Pfarrers, die in den damaligen Gesprächen der Krise gefallen sind, kennt Weyer noch heute zu gut. Sie sprudeln aus ihm heraus. "Du musst für deine Kinder leben. Du findest vielleicht noch einmal eine Frau, du findest vielleicht noch einmal diese Liebe, die jetzt gebrochen ist oder vielleicht wirst du sogar noch Priester."
Für Wolfgang Weyer begann dann ein völlig neuer Lebensabschnitt. Er zog mit seinen Kindern nach Regensburg. Er war nun alleinerziehender Vater. Alltag, Schule, Pubertät – all das meistere er in seiner Rolle als alleiniges Familienoberhaupt. "Ich war Vater und Mutter in einem." Es sei nicht immer einfach gewesen. "Bei uns wurde es auch schon mal laut." Doch missen wolle er diese Zeiten nicht.
Sein Geld verdiente Weyer auch in Regensburg als Friseur. "Mein Beruf war die praktischste Übung", sagt er. Denn damals hatte er seinen Beichtstuhl quasi schon vor sich. Nur mit dem Unterschied, dass gegenüber ein Spiegel an der Wand hing und er den "Beichtenden" die Haare schnitt. "Alles, was mir die Kunden gesagt haben, musste ja immer bei mir bleiben", erklärt er.
Suche nach der Schönheit
Er liebte seinen Beruf, vor allem weil er den Menschen als Friseur eine Würde geben konnte. "Jeder Mensch hat eine eigene Schönheit. Wenn du die gefunden hast, dann kannst du was bewegen", sagt Wolfgang Weyer.
Während er ständig die Schönheit bei seinen Kundinnen und Kunden suchte, brauchte er aber etwas, um seine wahre Bestimmung zu finden. Mit Anfang 50 setzte er sie aber in die Tat um. Er studierte an der Universität Regensburg Theologie. Sein Studium finanzierte er sich zu dieser Zeit aber noch mit einer Stuhlmiete in einem Friseursalon. Dann folgte in Regensburg das Priesterseminar. Im Juni 2020 hörte Wolfgang Weyer endgültig mit dem Haare schneiden auf.
Genau zwei Jahre später im Juni 2022 wurde er dann zum Priester geweiht. Sein Sohn war mit dabei. "Er hat sich darüber gefreut." Seine Tochter zeige weniger Verständnis für die Entscheidung. "Aber das akzeptiere ich", erklärt er.
Nun will er für seine Gemeinde in Weiden da sein – und das zu jeder Tages- und Nachtzeit, wie er betont. Und er wolle auch nicht, dass die Menschen in seiner Gemeinde zurückstecken müssten. "Den Zölibat unterschreibe ich zu 100 Prozent. Man kann nur einem Herren dienen", sagt Weyer, der durchaus strenge Ansichten zu Glaubensfragen hat. "Es gibt bestimmte Regeln für die Kirche, die will ich auch ganz klar vertreten", sagt er.
Außerdem wolle er präsent sein und sich in der Altstadt immer offen als Priester präsentieren. "Auch, wenn ich dann vielleicht mal angepöbelt werde." Er suche den Dialog. Denn Wolfgang Weyer hat seine Berufung nun gefunden. Er ist angekommen – in Weiden und in seinem Leben.
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