Weiden in der Oberpfalz
18.11.2024 - 09:16 Uhr
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Gesund und trotzdem krank geschrieben?

Dr. Burkhard Schulze. Bild: exb
Dr. Burkhard Schulze.

Von Rechtsanwalt Dr. Burkhard Schulze

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erbringt zunächst den Beweis, dass der/die Arbeitnehmer/in erkrankt ist, das heißt eine Arbeitsleistung nicht erbringen kann und Anspruch auf Entgeltfortzahlung und nach sechs Wochen auf Krankengeld hat.

Seit 1. Januar gilt die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Man meldet sich per Telefon oder E-Mail beim Arzt, teilt mit, dass man krank ist und beschreibt dies kurz. Daraufhin erfolgt die elektronische Krankmeldung, ohne dass weitere Tätigkeiten erforderlich werden. Diese Vereinfachung bietet natürlich einen zusätzlichen Anreiz, sich bereits bei Unwohlsein „krankschreiben“ zu lassen. Der Arbeitgeber erfährt die Diagnose nicht.

Bloße Zweifel berechtigen diesen nicht, hiergegen arbeitsrechtlich vorzugehen und zum Beispiel die Lohnzahlung einzustellen. Allerdings kann der Arbeitgeber ernsthafte Zweifel an der behaupteten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit äußern, muss hierfür allerdings tatsächliche Umstände darlegen und beweisen. Neben der Möglichkeit, den Medizinischen Dienst der Krankenkasse einzuschalten – wobei allerdings auch schon ein bestimmter Anlass erforderlich ist -, hat die Rechtsprechung Kriterien entwickelt, wie diese Erschütterung des Beweiswerts zu erfolgen hat.

In einer neueren Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass zum Beispiel eine unmittelbar nach Eigenkündigung der/des Arbeitnehmerin/s vorgelegt Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die genau den Zeitraum der Kündigungsfrist erfasst, sich „Zweifel an der Richtigkeit ergeben können“. Eine passgenaue Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der Kündigungsfrist und danach die Aufnahme einer neuen Beschäftigung unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründen derartige ernsthafte Zweifel (BAG Urteil vom 13.12.2023, AZ: 5 AZR 137/23). In diesem Fall trägt der Arbeitnehmer die Beweislast für seine Erkrankung, muss aussagekräftige Dokumente vorlegen und/oder auch den behandelnden Arzt unter Entbindung vom Arztgeheimnis als sachverständigen Zeugen benennen. Dann wird es für den Arbeitnehmer natürlich besonders schwierig, wenn er sich ohne Arztbesuch mit Telefon oder E-Mail krank gemeldet hat. Wird der Arbeitnehmer wiederholt nicht zu Hause angetroffen und hat der Arzt kein Ausgangsverbot verhängt, wird der Beweiswert der AU-Bescheinigung noch nicht erschüttert. Anders ist dies, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit ankündigt, zum Beispiel für den Fall der Nichterteilung von Urlaub mit Arbeitsunfähigkeit droht, Schwarzarbeit verrichtet oder ganztätig auf einer Eigenheimbaustelle arbeitet. Auch wiederholte Erkrankungen vor einem Urlaub oder nach einem Urlaub sind Indizien gegen eine Erkrankung.

Der Arbeitsrichter wird sich aus dem ihm unterbreiteten Gesamtsachverhalt ein Bild machen und für oder gegen den Arbeitnehmer entscheiden. Liegt keine Krankheit vor, muss der Arbeitnehmer nicht nur den Arbeitslohn zurückzahlen, sondern sieht sich auch der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung wegen „Arbeitszeitbetrug“ ausgesetzt.

Natürlich stellt ein solches Verhalten auch wenn das Arbeitsverhältnis noch besteht, einen Anlass zur Kündigung dar. Beide Parteien sollten sich jedenfalls darüber klar sein, dass jeder auf den anderen letztlich angewiesen ist und ein Grundvertrauen in einem Arbeitsverhältnis unerlässlich ist.

 
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