Weiden in der Oberpfalz
12.12.2019 - 16:05 Uhr

Gibt es bald Patente für Kühe?

Seit gut 40 Jahren wird über Gentechnik diskutiert. Im Zuge der Digitalisierung brach auch hier ein neues Zeitalter an. Ein Vortrag informierte nun über Details.

Sonja Schumacher vom Kreisverband Weiden von Bündnis 90/Die Grünen hat den Agrarexperten Karl Bär eingeladen. Bild: Bühner
Sonja Schumacher vom Kreisverband Weiden von Bündnis 90/Die Grünen hat den Agrarexperten Karl Bär eingeladen.

„Meine Position heißt, die neue Gentechnik ist noch viel gefährlicher“, sagte der Agrarexperte der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Karl Bär aus München, gleich zu Beginn seines Referats. Damit fasste er zusammen, was er anschließend in zweieinhalb Stunden ausführlich begründete. Zum Thema „Gentechnik 2.0“ hatte der Kreisverband Weiden von Bündnis 90/Die Grünen eingeladen. Mit Grundlagen der Gentechnik begann der Vortrag im Café Mitte.

Bär erläuterte, dass sich in den früheren Jahrzehnten Gentechnik hauptsächlich mit der Übertragung von Genen zwischen verschiedenen Arten oder innerhalb einer einzigen Art beschäftigt hat. Heutzutage gehe es „um die Veränderungen im Genom selbst“. Dass jedoch bereits die früheren Gentechniken, anders als ursprünglich versprochen, viele negative Auswirkungen hatten, zeigte der Referent am Beispiel der Landwirtschaft. Genetisch verändertes Saatgut hätte im Ergebnis zu immer höherem Pestizideinsatz geführt. Auch könnten gentechnisch veränderte „Auskreuzungen“ nicht mehr rückgängig gemacht werden. Eine Koexistenz zwischen gentechnisch veränderten Pflanzen und gentechnikfreier Landwirtschaft sei nicht möglich, stellte Bär dazu zusammenfassend fest. Ökosysteme seien immer sehr komplex.

Kritik übte er auch an „skandalbehafteten und korrupten Zulassungsverfahren“ und an „von Monsanto bezahlten Studien“. Die Entwicklung seit dem Jahr 2012 hätte die Gentechnologie nicht nur beschleunigt, sondern auf völlig neue Basis gestellt. Vor allem der Einsatz digitaler Techniken in der Genetik sei entscheidend. Bär sprach von „ungeahnten Möglichkeiten für Eingriffe in Organismen und Ökosysteme“ auch von einer „Chance für die Revolution in der Medizin“. Vorgänge können digital simuliert werden und es kann dabei auch auf riesige Datenbestände zurückgegriffen werden. Die neuen Technologien verbergen sich hinter den Begriffen „CRISPR-Cas“ und „Gene-Drive“. Mit der Methode „CRISPR-Cas“ können Gene eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden. Bär sprach vom „Zerschneiden von DNA und dem Einbau von Gensequenzen“. „Gene Drive“ schaltet die klassischen Vererbungsregeln aus und sorgt dafür, dass alle Nachkommen die gleiche Ausprägung besitzen.

Digitale Techniken kämen dabei immer zum Einsatz. Bär stellt dazu fest, „diese Techniken werden so immer präziser und deshalb mächtiger“. Eines Tages würde dafür auch der Nobelpreis verliehen werden. Allerdings hätten Anwendungen der Methode „CRISPR-Cas“ bei Nutzpflanzen in jedem vierten der wenigen, überhaupt untersuchten Fälle, ungewollte Nebenwirkungen entfacht. Viel zu selten würde nach Nebenwirkungen gesucht, meinte Bär. Gewarnt hat er auch vor der „Kommerzialisierung der Wissenschaft“. Noch sei nicht alles in der Hand der Konzerne. Auch spiele das Militär eine erhebliche Rolle. Außerdem seien die neuen Techniken auch immer im gesellschaftlichen Umfeld zu sehen. Entschieden werden müsse auch die Frage des Charakters einer Gensequenz. Ist sie eine biologische Ressource und durch die Konvention über biologische Vielfalt geschützt oder ist es ein Datensatz, der einem Freihandelsabkommen unterliegt. „Ich plädiere für die biologische Vielfalt“, sagte Bär. Auf jeden Fall sollte man den Molekularbiologen nicht die Entscheidung alleine überlassen. Noch fordere der Europäische Gerichtshof eine Kennzeichnungspflicht, wenn Gentechnik zum Einsatz kam. „Wir Grünen sind für die Erhaltung dieses Schutzes“ sagte Bär. Aber längst lägen beim Europäischen Patentamt Anträge für „patentierte Kühe“.

 
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