Weiden in der Oberpfalz
14.04.2025 - 14:52 Uhr

Hasnain Kazim bei den Literaturtagen: Den Deutschen "aufs Maul" und in die Seele geschaut

Es war ambitioniert, was sich Bestseller-Autor und Journalist Hasnain Kazim vorgenommen hatte: Während einer 3.300 Kilometer langen Radtour zu ergründen, was Deutschland zusammenhält. Einblicke gewährt er bei den Weidener Literaturtagen.

Hasnain Kazim las und erzählte bei den Weidener Literaturtagen Bild: stg
Hasnain Kazim las und erzählte bei den Weidener Literaturtagen

„Deutschlandtour“ nennt sich das Buch, das am Ende des Projekts stand. Eines Projekts, das eigentlich schon viel früher starten sollte. „Im Januar 2020 sollte die Tour losgehen, alles war geplant – und dann kam Corona“, erzählt Kazim. In der Folge habe er zwei Bücher „vorgezogen“, von Januar 2023 bis Januar 2024 sei er dann in sechs Etappen mit jeweils rund drei bis vier Wochen Länge quer durch Deutschland unterwegs gewesen, dabei habe er sich an den großen deutschen Flüssen orientiert.

Und nun sitzt er da im Rampenlicht auf der Bühne, er, der Autor, der schon weit über 1.000 Morddrohungen bekommen hat, teilweise unter Polizeischutz lebte und diesen auch noch bei Lesungen in bestimmten Regionen benötigt. Sein Name steht bekanntermaßen auf Todeslisten, die in rechtsextremen Kreisen zirkulieren. „Aber wenn ich nicht mehr auftrete oder keine Bücher mehr schreibe, dann haben die anderen schon gewonnen“, erzählt der 50-Jährige.

Aber warum macht ein renommierter Journalist, der durch seine jahrelange Tätigkeit als Auslandskorrespondent die halbe Welt kennt, eine Tour durch Deutschland. „Was ich nicht kannte, war Deutschland als Ganzes. Und ich wollte mit den Leuten sprechen, um Antworten auf drei mir wichtige Fragen zu finden“, berichtet Kazim. Dabei ging es um den Begriff „Heimat“, was sich dahinter verberge und ob das Wort etwas Gutes oder doch negativ besetzt sei. Kazim wollte weiter ergründen, was es mit der „deutschen Leitkultur“ auf sich habe, von der er selbst das Gefühl habe, dass es als Abgrenzung gemeint sei. Und schließlich wollte der Journalist wissen, warum so viele Leute extremistisch wählen.

Kazim verzichtet darauf, viele lange Passagen aus dem Buch vorzulesen. „Denn Lesen können Sie ja alle selber“, scherzt er. Aber erzählt hat er an diesem Abend, kurzweilig und pointiert, so dass die Zeit wie im Flug verging. Und so nimmt er die Zuhörer beispielsweise mit zu einem zufälligen Treffen in Mecklenburg-Vorpommern: Er klingelt an der Haustür bei einer Frau mit AfD-Aufkleber auf ihrem Auto , die ihn hereinbittet, nachdem sie ihn erkannt hat („Sie waren doch vergangene Woche bei Markus Lanz!“). Am Küchentisch erzählt sie von der dringend nötigen Renovierung ihres Hauses und ihrer Angst, wegen des „Heizungsgesetzes von Habeck“ in die Armut zu rutschen. Und sie berichtet, wie sie alle ehemalige SPD- und Grünen-Wählerin nun bei der AfD gelandet sei. Kazim erzählt von seinen Sorgen, dass die Rechtsextremisten in Deutschland immer stärker werden. „Diese Frau ist sicher keine Rechtsextremistin, auch wenn sie die AfD wählt“, so Kazim. Und so sind es einige Episoden, die Kazim anlas oder erzählte.

Seine Bilanz für Ost und West fällt ähnlich aus: Der große Anteil der AfD-Wähler sind keine Nazis („Die würde ich für unsere Demokratie auch nicht verloren geben!“), auch wenn es die hartgesottenen Rechtsextremisten natürlich auch gebe. „Aber mit denen bin ich nicht ins Gespräch gekommen: Anfragen im Vorfeld der Radtour wurden nicht beantwortet, bei direkter Ansprache war ich dann ja eh ein Vertreter der Lügenpresse“, so Kazim.

Viel Zeit nimmt sich der Autor für die Fragen aus dem Publikum, in denen einige Aspekte noch vertieft werden. Abschließend hat Kazim noch gut zu tun, um viele Bücher zu signieren.

 
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