Weiden in der Oberpfalz
06.02.2020 - 16:23 Uhr

Identitäre Bewegung: Neue Strukturen in Weiden und Amberg

Deutschlandweit hat die Identitäre Bewegung (IB) stark an Boden verloren. Doch in der Oberpfalz versucht sie, sich neue Strukturen zu verschaffen. Das sagt Rechtsextremismus-Experte Jan Nowak bei "Weiden ist bunt".

Rechtsextremismus-Experte Jan Nowak spricht über die Identitäre Bewegung. Bild: Bühner
Rechtsextremismus-Experte Jan Nowak spricht über die Identitäre Bewegung.

Über das Thema „Die Identitäre Bewegung – Neofaschisten in der Oberpfalz“ sprach der Rechtsextremismus-Experte Jan Nowak auf Einladung des Aktionsbündnisses "Weiden ist bunt". In zwei Abschnitte war der Vortrag im vollen Bürgersaal des Café Mitte eingeteilt. Nowak informierte zunächst generell über den Charakter des Rechtsextremismus in Deutschland und die Ideologie der IB. Ausführlich widmete er sich der aktuellen Situation der IB in der Oberpfalz.

Noch vor einem Jahr hätte er geglaubt, dass diese „neue Rechte“ in der Oberpfalz ähnlich wie in Deutschland insgesamt erheblich an Mitglieder und an Bedeutung verliert. Geschwächt habe sie unter anderem die Beobachtung durch den Verfassungsschutz, der Wechsel einiger Aktivisten zur AfD und die Abschaltung ihrer Accounts bei Facebook. Bundesweit halte dieser Abwärtstrend weiterhin an, stellte Nowak fest. Doch vor allem im Raum Amberg und ansatzweise auch in Weiden seien neue Strukturen aufgebaut worden. "In dieser Situation der Schwäche findet hier in der Region etwas statt.“ Alles konzentriere sich dabei auf das vergangene Jahr. Anders als bis zum Jahre 2015 seien aber die neuen Strukturen nicht mehr akademisch geprägt, zum Beispiel durch eine Regensburger Burschenschaft. Nowak sprach von einer „Hinwendung zu neuen Gruppen“ und nannte unter anderem Facharbeiter. Dann zählte er eine lange Reihe von Aktionen dieser „neuen“ IB, weit überwiegend im Raum Amberg, auf. Teilnehmer einer Demokratieveranstaltung seien im Mai 2019 eingeschüchtert worden, eine Sonnwendfeier sei veranstaltet und Aktivisten geschult worden. Unter dem Namen „Eisengau“ sei die Gruppe auf Instagram erschienen.

Nowak schilderte auch einen Angriffsversuch auf den „alternativen Kulturtreffpunkt Hutfabrik“ in Amberg. Vor allem im zweiten Halbjahr 2019 hätte sich diese Gruppe stärker konstituiert und gefestigt. Im Oktober 2019 ist es dann laut Nowak zu einer Welle von Straftaten „im Zusammenhang mit der Identitären Bewegung gekommen“. Einen Beleg über die Beteiligung konkreter Personen der Identitären Bewegung gebe es allerdings noch nicht, da die Ermittlungen der Polizei noch nicht abgeschlossen seien. Polizei und Presse würden die Vorfälle aber sehr ernst nehmen.

Als Beispiele wurden der Einwurf einer Autoscheibe und die Beschädigung einer Türverglasung durch größere Steine genannt. Auf zahlreichen Bildern zeigte Nowak Personen, die er zur Szene der IB in der Oberpfalz zählt. Exakte Namen nannte er allerdings nicht. Einige von ihnen seien der Kampfsportszene zuzurechnen. Fast alle hätten eine Vorgeschichte im Rechtsextremismus. Nowak sprach auch von Verbindungen der IB „zu Neonazis und auch zur AfD“. Und er sieht eine „Gefahr der Normalisierung eines neonazistischen Gedankenguts auch im Umfeld der AfD“.

Auf die Stadt Weiden bezogen sprach Nowak von einem derzeitigen „Versuch der IB, Stadtstrukturen aufzubauen“. Zwei konkrete Personen aus Weiden ordnete er der Szene zu, ohne ihre Namen zu nennen. Gezeigt wurden Bilder von Aufklebern der IB an „Orten, wo junge Leute sind“. Von Amberg könne man lernen, sagte Nowak und empfahl „Solidarisierung über die Parteigrenzen hinweg“ und „ein offenes Auge der Zivilgesellschaft“. Den extremen Rechten müsste man das Gefühl nehmen „die schweigende Mehrheit zu vertreten“.

Hintergrund.

Info:

Ideologie der Identitären Bewegung laut Jan Nowak

Zentrales Thema der IB ist laut Nowak ein bevorstehender „großer Volksaustausch“. Ähnlich wie generell im Rechtextremismus sieht man eine existentielle Bedrohung des deutschen Volkes. Dahinter steht die Vorstellung, dass die einzelnen Völker rassisch, ethnisch und sozial ungleich sind. Gesprochen wird von einem „Ethnopluralismus“. Angestrebt wird vor allem „die ethnische Homogenität des einzelnen Volkes“. Die Gemeinschaft hat dabei Vorrang vor dem Individuum. Gleichmacherei müsse beseitigt werden. Laut Nowak gibt es zwar unterschiedliche Ausprägungen des Rechtsextremismus, gemeinsam ist aber allen die „völkisch nationale Haltung“. Feindbilder seien hauptsächlich die liberalen Demokraten, die Politiker der Einwanderungsparteien, globale Konzerne und die gesellschaftlichen Eliten. Die IB sieht sich in der „Traditionslinie der extremer Rechten, die mit dem Nazionalsozialismus nichts zu tun hat“. (sbü)

Rechter Störversuche:

Extremisten pöbeln am Rande der Veranstaltung

Als wollten sie beweisen, dass der Vortrag seine Berechtigung hat: Am Rande der Veranstaltung mit Jan Nowak unter dem Titel „Neofaschisten in der Oberpfalz“ pöbelte der bekannte Neonazi Patrick Schröder am Eingang zum Café Mitte. Türsteher erkannten den verurteilten Neonazi und verhinderten, dass er ins Innere gelangte. Gegen Ende des Termins tauchte zudem ein Aktivist der Identitären Bewegung aus Weiden auf, der selbst Gegenstand des Vortrags war. Für den Referenten sind diese Einschüchterungsversuche nicht neu. Bei etwa 25 Prozent seiner Vorträge gebe es solche Störungen, schätzt Nowak. „Entsprechend ist Sicherheit ein Thema, das wir immer mitdenken müssen.“ (wüw)

Der Sprecher des Bündnisses Weiden ist bunt Veit Wagner zusammen mit Rechtsextremismusexperten Jan Nowak. Bild: Bühner
Der Sprecher des Bündnisses Weiden ist bunt Veit Wagner zusammen mit Rechtsextremismusexperten Jan Nowak.
 
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