Weiden in der Oberpfalz
08.05.2019 - 10:46 Uhr

Ingenieure schneller als Mediziner

Ohne Kernspintomographie ist die Medizin heutzutage nicht mehr vorstellbar. Wie es dazu kam und was damit noch gemacht werden kann, das hat ein bekannter Physiker ausführlich erläutert.

Professor Rainer Kimmich von der Universität Ulm Bild: Bühner
Professor Rainer Kimmich von der Universität Ulm

„Die Erkenntnisse der Quantenphysik lehren uns, dass die atomistische Welt anderen Gesetzen folgt, als wir sie gewohnt sind“. Mit diesem Satz beendete der Physiker Professor Rainer Kimmich seinen Vortrag beim Freundeskreis Weiden der evangelischen Akademie Tutzing. „Kernspin-Tomographie, eine wundersame Reise durch die Welt der Physik, Ingenieurkunst und Medizin“ lautete der Titel. Den Begriff „wundersam“ verwendete der Wissenschaftler aus Ulm vor allem deshalb, weil sich atomare Teilchen und ihre Bestandteile völlig anders verhalten, als es in der physikalischen Welt von Gegenständen und Körpern der Fall ist.

„Unter dem Mikroskop gibt es andere Naturgesetze“, stellte Kimmich fest. Dass Kernspin-Tomographie auf diesen „wundersamen Abläufen“ in der Quantenphysik basiert, erklärte Kimmich sehr ausführlich. Im starken Magnetfeld könnten in der Kernspin-Tomographie vor allem die Molekülbewegungen im menschlichen Körper erfasst werden, wodurch Schnittbilder erzeugt werden können. Strukturen und Funktionen der Gewebe und Organe im Körper werden sehr exakt abgebildet. Der Wissenschaftler schilderte ausführlich die Geschichte der Entdeckung dieser Technik, die unter anderem mit Namen wie Albert Einstein, Max Planck, Werner Heisenberg, Josef von Fraunhofer und Felix Bloch verbunden ist. Alle waren Physiker, die laut Kimmich „zunächst nicht wussten, was sie mit ihren Entdeckungen machen sollten“.

Als Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts erste Laborcomputer zur Verfügung standen, sei es zu einem „Weckruf durch die Biophysikalische Medizin“ gekommen. Innerhalb von wenigen Monaten sei die klinische Bedeutung der Kernspin- und Magnetresonanztomographie vor allem unter Mithilfe der großen Pharmafirmen entdeckt worden. Den Vorteil dieser Technik sieht Kimmich vor allem darin, dass „keine belastenden Röntgenstrahlen entstehen“. Allerdings hätten die Radiologen erst lernen müssen, für die Beobachtung einzelner Organe unterschiedliche Verfahren anzuwenden.

Kimmich zeigte die breite Palette der Anwendungsmöglichkeiten der Kernspin-Tomographie auf und machte deutlich, dass die wissenschaftliche Entwicklung noch längst nicht abgeschlossen sei. Nach einem Gehirnschlag könne zum Beispiel untersucht werden, ob Gewebe noch intakt sei und gerettet werden könne. In der neurologisch-psychologischen Forschung arbeite man daran, Gehirnaktivitäten zu beobachten, „um einen Schaltplan des menschlichen Gehirns aufzustellen“. Bei Astronaut Alexander Gerst beispielsweise konnten die Veränderungen im Gehirn durch den Aufenthalt im Weltraum nachgewiesen werden. Eingesetzt werde diese Technik auch außerhalb der Medizin, unter anderem zur Beobachtung des Stoffwechsels von Pflanzen und sogar bei Erdölbohrungen, der Lebensmittelindustrie und der Autoreifenproduktion. „Was mit einer Gewebestruktur zu tun hat, kann untersucht werden“, sagte Kimmich. Zusammenfassend stellte der Wissenschaftler dann fest: „Alles auf der Welt ist Quantenphysik“.

 
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