Der Jakobsweg ist ein Dauerbrenner. Nur so lässt sich der tolle Besuch bei den 90. Weidener Filmgesprächen am Mittwochabend im "Neue Welt Kinocenter" erklären. Filmemacherin Gabi Röhrl war drei Mal auf dem Camino unterwegs, erstmals 2011. Aus ihren letzten beiden Pilgerwanderungen, jeweils im Mai/Juni 2018 und 2019, schnitt sie "aus unfassbar vielem Material" ihren preisgekrönten Film "Nur die Füße tun mir leid". Der Weg könne süchtig machen, sagte sie.
Ob Hape Kerkelings 2006 veröffentlichtes Buch "Ich bin dann mal weg" der Auslöser für ihre erste Pilgerreise war, ließ Röhrl unerwähnt. "Aber ich habe Hape Kerkeling verflucht. Der hat doch nur Märchenstunden beschrieben, die es nicht gibt." Vorwürfe machen wolle sie ihm nicht. "Ich bin halt etwas später bei mir angekommen. Bei Hape war das vielleicht früher." Denn Pilgern sei eine individuelle Sache. Es seien Grenzsituationen, die das Wandern auf dem Camino so besonders machten.
Während ihrer fünfwöchigen Auszeit interviewte sie viele Mitpilger. Eine der wichtigsten Botschaften war: "Es reicht nicht über etwas nachzudenken. Du musst es tun." Wer den Jakobsweg einmal gegangen sei, sei hinterher nicht mehr der Alte. Aus den vielen Kontakten von unterwegs entstünden oft lebenslange Freundschaften. "Der Weg ist ein Spiegel des Lebens", philosophierte der Pilgerbeauftragte der Evangelischen Landeskirche, Michael Kaminski ("bin schon 18000 Kilometer gepilgert"), der sich als großer Fan von Pilgerherbergen darstellte. Über die Art der Unterbringung könne man nämlich geteilter Meinung sein.
"In den Herbergen erlebt man das Miteinander. Dort entsteht die Pilgergemeinschaft." Zwischen 5 und 15 Euro koste das pro Nacht und schone den Geldbeutel. Natürlich sei es jedem freigestellt, ins Hotel zu ziehen. Der Jakobsweg müsse nicht unbedingt im mittelalterlichen Örtchen Saint-Jean-Pied-de-Port am französischen Fuß der Pyrenäen beginnen. "Der Jakobsweg beginnt auch an der eigenen Haustür und führt dann nach Santiago de Compostela." Man müsse nicht christlichen Glaubens sein. Auf dem Camino seien alle Nationalitäten und Religionen unterwegs.
Betrachte man mittelalterliche Karten, ähnle der Jakobsweg einem Spinnennetz, das das heutige Europa zeigt. "Der Jakobsweg hat Europa geprägt", ist sich Röhrl sicher. Nicht jeder pilgere aus religiösen Gründen. Es gebe viele, die machten sich einen Sport daraus. Andere seien auf einem Selbstfindungstrip. 2008 waren 125.000 Menschen auf dem Camino unterwegs. 2018 bereits 300.000. Eigenartig sei das schon, sagte Bettina Hahn von der Evangelischen Erwachsenenbildung. "Wir haben ziemlich viele Kirchenaustritte, aber das Pilgern nimmt zu." Ihr persönlich hätten die drei Pilgerreisen viel gebracht, räumte Röhrl ein. "Sie haben mich gelehrt, wieder den Blick auf die einfachen Dinge zu richten."
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