Weiden in der Oberpfalz
04.11.2019 - 09:49 Uhr

Junge Weidener erzählen vom Freiwilligendienst in Issy-les-Moulineaux

Dreijährige mit Smartphones und verstörende Armbänder: Zwei Weidener erzählen vom Freiwilligendienst in der französischen Partnerstadt.

Barbara Schmucker aus Letzau ist seit September in Weidens Partnerstadt Issy-les-Moulineaux. Archivbild: Gabi Schönberger
Barbara Schmucker aus Letzau ist seit September in Weidens Partnerstadt Issy-les-Moulineaux.

Seit 2018 gibt es zwischen Weiden und Issy-les-Moulineaux europäische Volontariate. Junge Menschen verbringen acht Monate in der jeweils anderen Stadt und arbeiten dort in den Rathäusern mit.

Von Weidener Seite nahmen Philipp Franz und Barbara Schmucker das Angebot an. Der eine ist seit Ende Juli wieder zurück in Weiden und am Studienort Regensburg, die andere hat heuer Abitur gemacht und lebt nun seit sieben Wochen in Frankreich.

Das ist beileibe kein Kulturschock, aber es hat das Leben der beiden und ihre Sichtweise darauf doch verändert. Da ist schon mal die Großstadterfahrung - und das dann gleich in Paris, wo die Weidener Freiwilligen in einem Wohnheim unterkommen, in dem junge Leute aus rund 20 Nationen leben, die an ähnlichen Programmen teilnehmen.

Stadt der Liebe wird Ruf gerecht

Für Barbara hat das Klischee von der Stadt der Liebe bereits verfangen. Außer für Montmarte und Eiffelturm war sie bald für einen jungen Inder hin und weg. Auf der anderen Seite fällt ihr die Anonymität in der U-Bahn nach Issy auf. "Du siehst jeden Tag Hunderte neue Gesichter, aber nie dieselben."

Auch mit einer anderen Eigenart in der Metro machte sie Bekanntschaft. Die beiden Klappstühle nahe den Eingangstüren der Waggons bleiben meist frei, selbst wenn der Zug hoffnungslos überfüllt ist. Es könnte ja jemand den Notsitz noch dringender brauchen - außer den Touristen, die dieses ungeschriebene Gesetz unwissentlich brechen.

Diese Art Disziplin und Höflichkeit ist auch Philipp in angenehmer Erinnerung. Sollte es beim U-Bahn-Fahren mal eng und hektisch zugehen, seien die Pariser und Issyer schnell mit einem entschuldigenden "Pardon" zur Stelle, das auch der Türöffner für netten Small Talk sein kann.

Den zelebrieren die Kollegen aus dem Rathaus von Issy gerne in der zweistündigen Mittagspause, die sie entweder in der Kantine im dritten Stock oder bei gutem Wetter auf dem Markt verbringen. "Jetzt fällt mir erst auf, wie alles schnell, schnell in unserer Unimensa abläuft", sagt Philipp.

Weiden in der Oberpfalz26.09.2019

Patente Kollegen

Das Essen und der gesellige Austausch seien den Franzosen zwar heilig, aber die Arbeit deswegen schleifen lassen? Jamais, niemals. Die Bürozeiten sind von Montag bis Samstag. Wenn mal was nicht fertig wird, wird schon eine Stunde drangehängt, weiß Philipp. "Irgendwie sind sie dabei entspannter", hat Barbara den Eindruck. Und gebe es mal Kritik, werde dies offen angesprochen und geklärt.

Die 18-jährige Letzauerin fing wie vorher Philipp im Büro für internationale Beziehungen unter den Fittichen von Ulrike Maronnie an. Die gebürtige Schwäbin ist für die Bande nach Weiden mitverantwortlich. Mittlerweile begleitet Barbara schon mal Gruppen aus Togo und China durch die Stadt, wertet für das Tourismusbüro Bewertungsbögen aus und gibt in einer Jugendeinrichtung Tipps zum richtigen Umgang mit dem Handy.

Philipp hat unter anderem Social- Media-Kanäle der Stadt mit Mitteilungen gefüttert und die Klickzahlen ausgewertet. Zudem hat er an einer Schule Deutschunterricht gegeben. Das will auch Barbara noch tun.

So sehr beide ins Schwärmen geraten, bleiben ihnen Schattenseiten im Alltag nicht verborgen. Philipp erinnert sich an Zwei- bis Dreijährige in Buggys, denen Eltern Smartphones in die Hand gedrückt haben, um die Kleinen ruhig zu halten. "Da war ich echt schockiert. Die Kinder wissen schon genau, wo sie hinfassen müssen, um irgendein Spiel zu machen."

Zudem haben die Freiwilligen Mühlen der Bürokratie durchlitten. Sie müssen an vier Seminaren des deutsch-französischen Jugendwerks an wechselnden Orten in den beiden Ländern teilnehmen. An sich kein Problem, aber: "Du musst dann dauernd dem Geld für die Reisekostenerstattung hinterherrennen, und wenn du dort anrufst, geht keiner ran", bestätigen Philipp und Barbara fast wortgleich.

Brutale Friedenszeichen

Barbara Schmucker ist Weidens Botschafterin in Issy. Bild: exb
Barbara Schmucker ist Weidens Botschafterin in Issy.

Was soll's? Die Faszination, im Wohnheim miteinander zu kochen und an einem Tisch zu sitzen, an dem fünf Sprachen gesprochen werden, entschädigt für vieles. Dabei sind kuriose Szenen vorprogrammiert. Philipp war als Neuankömmling baff, als sich ihm gleich am ersten Tag in Frankreich ein Junge aus Mali vorstellte - in fließendem Deutsch. Barbara schmunzelt über einen indischen Mitbewohner, von dessen Armband sie zunächst fassungslos war: lauter kleine Hakenkreuze. Als sie ihn darauf ansprach, war der junge Mann völlig verdutzt. "Er hat mir erklärt, dass das in seiner Heimat Zeichen des Friedens sind."

Solche Erlebnisse, zu denen täglich neue dazukommen, lassen Barbara vergessen, dass sie ab und an mal die Oberpfälzer Wurstauswahl und eine anständige Breze hätte. Wenn sie aus Issy zurückkehrt, will sie Medizin studieren. Philipp zieht sein Lehramtsstudium durch, in den Schuldienst drängt es ihn aber nicht mit Gewalt. Die Monate in Issy haben ihm die Tourismusbranche oder internationales Management schmackhaft gemacht. Gerne wieder im Metrobereich von Weidens Partnerstadt. "Schließlich ist Paris die schönste Stadt der Welt."

Philipp Franz war Weidens Botschafter in Issy. Bild: exb
Philipp Franz war Weidens Botschafter in Issy.
 
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