Weiden in der Oberpfalz
08.02.2019 - 17:48 Uhr

Junglandwirte: "Da tut einem das Herz weh"

Es läuft was schief, sagen die Studenten der Höheren Landbauschule in Almesbach. Die angehenden Agrarbetriebswirte haben sich die Inhalte des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" genauer angesehen: "Das hat unser Berufsstand nicht verdient."

Was bedeutet das Volksbegehren für die Junglandwirte, die gerade ihre Ausbildung an der Höheren Landbauschule in Almesbach absolvieren? Sie sehen ihren Berufsstand zu Unrecht in der Bringschuld. Bild: Gabi Schönberger
Was bedeutet das Volksbegehren für die Junglandwirte, die gerade ihre Ausbildung an der Höheren Landbauschule in Almesbach absolvieren? Sie sehen ihren Berufsstand zu Unrecht in der Bringschuld.

Ein gemeinsam verfasster Leserbrief war bereits aufgesetzt. "Doch es geht um viel mehr", sagen die 14 Teilnehmer des aktuellen Studienjahrgangs 2018/19 und bitten zum Gespräch. Unterstützt werden sie von Iris Prey, Fachlehrerin am Fortbildungszentrum mit Schwerpunkt Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit und von Helmut Konrad, Leiter in Almesbach. Die Schüler kommen aus sechs Landkreisen von Bayreuth bis Cham.

"Auch wir retten die Bienen, und das nicht erst seit heute", sagen die Junglandwirte. Sie befürchten, dass die Bürger "ihr Kreuz machen", ohne den Inhalt des Gesetzentwurfs überhaupt gelesen zu haben. Darin werde ihrer Meinung nach die alleinige Verantwortung für Maßnahmen auf die Landwirte abgewälzt. "Da tut einem das Herz weh", sagt Andreas Häring aus Marchaney (Landkreis Tirschenreuth). Doch es brauche einen breiteren Ansatz, sagt Tanja Bleil aus Selb. "Es muss ein Miteineinander und kein Gegeneinander geben. Ich fühle mich irgendwie hilflos, und muss mich als Landwirtin ständig verteidigen." "Wir machen schon viel für die Biodiversität", sagt Konrad. Hecken pflanzen, Bienenlehrpfad, Blühstreifen, Ökoseminare, Lehrfahrten - damit die jungen Landwirte auch anwenden können, was sie in der Ausbildung lernen. "Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem."

Das Volksbegehren gefährde vor allem kleinbäuerlichen Strukturen, sagen die Landwirte. "Wenn Sie uns jungen eine Zukunft geben wollen, brauchen wir andere Lösungsansätze, als eine einseitige Änderung des Naturschutzgesetzes, das viele Möglichkeiten ausschließt."

Mehr Öko-Landwirtschaft

Dass bis zum Jahr 2025 30 Prozent der Flächen ökologisch bewirtschaftet werden sollen, hält Andreas Häring für unrealistisch. Schon jetzt gebe es noch zu wenig Nachfrage nach Bioprodukten. Die Preise würden fallen, Anbaufläche noch knapper. "Wir brauchen die Verbraucherwende", sagt Konrad, "und deren Bereitschaft höhere Preise auch anzunehmen." Bis hin zu einer eventuellen Verpflichtung des Verbrauchers, mindestens zehn Prozent seiner Lebensmittel als Bioprodukte einzukaufen, sagen die Junglandwirte. "Doch müssen es regionale Produkte sein, denn der Einkauf von Biobananen hilft den örtlichen Biobauern nicht."

Ausbildung

Natur und Landschaftsschutz sei bereits Bestandteil des Lehrplans. "Unsere Aus- und Fortbildung dauert sechs bis sieben Jahre und wir müssen feststellen, dass manch andere sich für die besseren Fachleute halten." Das Wissen über Landwirtschaft, Ökologie und Naturschutz sollte mehr in die allgemeinbildenden Schulen getragen und gelehrt werden. "Warum nicht Praxistage auf Bauernhöfen anbieten?"

Mehr Blühflächen

Mindestens zehn Prozent der Naturflächen müssen in Blühwiesen umgewandelt werden. "Das machen wir ja schon freiwillig", wirft Martin Frank aus Steinreuth ein. "Auch wenn es die Flächenknappheit noch verschärft, und wir keine Silage daraus machen können." Erschwerend komme dazu, dass diese Flächen erst ab 15. Juni gemäht werden dürfen. Realistisch sei das nicht. "Die Mähzeiten kann man nicht an einem Datum festmachen", so Häring. "Wiesen in höheren Lagen werden zum Beispiel später gemäht. "

Und was ist mit Privatgärten und öffentlichen Flächen? Hier gebe es ihrer Meinung nach großes Potenzial. Steingärten sollten verboten werden, auch Mähroboter im Dauerbetrieb sind den jungen Bauern ein Dorn im Auge. "Sie töten die Kleinlebewesen im Rasen und geben Blumen wenig Chance. Christian Zimmermann aus der Nähe von Bayreuth, selbst auch Imker, hält das Mähen von Wiesen grundsätzlich erst nach der Blütezeit des Löwenzahns für sinnvoll. Auch hilfreich: Weniger Thujenhecken, dafür mehr Blühpflanzen und Obstbäume pflanzen. Auch Kommunen sollten Blühflächen anlegen. Straßenränder und Böschung sollten nicht vor dem 15. Juli und maximal nur ein Mal im Jahr gemäht werden. "Die Kahlschläge entlang der Straßen seien nicht immer nachvollziehbar", ärgert sich Andreas Häring. Als schnell umsetzbare Idee bieten die Jungbauern gemeinsam mit Almesbach Blühpatenschaften an (siehe Infokasten).

Weniger Pestizide

Schonende Ökoanbaumethoden zu entwickeln sei grundsätzlich gut, aber ganz ohne Einsatz von Pflanzenschutzmittel gehe es nicht, sagen die Agrarstudenten. "Dieser muss nur in Maßen erfolgen. Wir spritzen grundsätzlich bienenverträglich", sagt Tanja Bleil. Zum Beispiel nur, wenn mehr als zehn Prozent der Anbaufläche von Schädlingen befallen ist, und auch dann nur den betroffenen Bereich. Dass fordere man auch von Gartenbesitzern, die mit Unkrautvernichtungsmitteln oft weniger sorglos umgingen.

Blühpatenschaften:

Die Studierenden der Höheren Landbauschule Almesbach und das Staatsgut Almesbach bieten Interessierten ab sofort Blühpatenschaften an. Der Aufruf zu mehr Bienenschutz betreffe alle: Landwirte, Kommunen und Verbraucher. "Nicht jeder hat jedoch mangels Balkon oder Garten die Möglichkeit, es blühen zu lassen", sagen die 14 Studierenden des aktuellen Jahrgangs 2018/19. Deshalb stellen sie auf ihren familieneigenen Äckern und das Staatsgut Almesbach auf seinen Flächen für Patenschaften zur Verfügung. Bisher konventionell bewirtschaftete Ackerflächen sollen mit Blühmischungen angesät werden. Alternativ werden auf Wiesen entsprechende Streifen erst nach Mitte Juni genutzt. Die Flächengröße der angesäten Blühmischung bzw. Wiesenstreifen kann individuell gestaltet werden. Für eine Einlage von 10 Euro legen die Studierenden jeweils 20 Quadratmeter Blühfläche an. Auf Wunsch werden die Paten auf einem Schild namentlich erwähnt. Die Flächen können von ihren Paten jederzeit besichtigt werden. Die Junglandwirte stehen für Gespräche gerne zur Verfügung.

Wer in dieser Form aktiv seinen Beitrag zum Bienen- und Insektenschutz leisten möchte, kann sich per E-Mail unter lvfz-almesbach[at]lfl.bayern[dot]de melden.

Schulleiter Helmut Konrad und Fachlehrerin Iris Prey unterstützen die Schüler in ihrem Anliegen: "Der Schutz der Artenvielfalt ist eine gesellschaftliche Aufgabe." Bild: Gabi Schönberger
Schulleiter Helmut Konrad und Fachlehrerin Iris Prey unterstützen die Schüler in ihrem Anliegen: "Der Schutz der Artenvielfalt ist eine gesellschaftliche Aufgabe."
Kommentar:

Brisante Bienen

Die Eintragungslisten für das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ füllen sich und beflügeln die Lobbyisten und die Bürger gleichermaßen. Beim Naturschutz will jeder mitreden. Ein Kreuz für die gemeinsame gute Sache ist schnell gesetzt. Zu schnell?
Die Junglandwirte, die sich gerade in Almesbach zum Agrarbetriebswirt weiterbilden, um ihre Familienbetriebe in eine gute Zukunft zu führen, sind in Sorge. Die Forderungen im Gesetzesentwurf sind zu kurz gedacht, sagen sie. Es gebe Alternativen. Einige nennen sie im Pressegespräch. Doch warum erst jetzt? „Die Brisanz wurde verkannt, auch von uns“, sagen die Studenten selbstkritisch. Deshalb geben sie jetzt Gas und haben nur eine Bitte: „Dass die Leute zweimal hinschauen, bevor sie unterschreiben.“

Stephanie Hladik

"Als Landwirte werden wir oft als Buhmänner hingestellt", sagt Tanja Bleil aus Selb. Sie habe das Gefühl, dass sie sich und ihren Berufsstand ständig verteidigen muss. Bild: Gabi Schönberger
"Als Landwirte werden wir oft als Buhmänner hingestellt", sagt Tanja Bleil aus Selb. Sie habe das Gefühl, dass sie sich und ihren Berufsstand ständig verteidigen muss.
Kommt ein neues Naturschutzgesetz, müssen mindestens 10 Prozent der Naturflächen in Blühwiesen umgewandelt werden. Bild: exb/FBZ Almesbach
Kommt ein neues Naturschutzgesetz, müssen mindestens 10 Prozent der Naturflächen in Blühwiesen umgewandelt werden.
 
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