Weiden in der Oberpfalz
16.11.2018 - 10:25 Uhr

Das K1: die Mordermittler

Das Kommissariat 1 der Weidener Kriminalpolizei ermittelt bei Mord und Totschlag, Brand und Sexualdelikten. Wie im "Tatort". Nur, dass den hier keiner gerne guckt.

Das K 1 unter Leitung von Erstem Kriminalhauptkommissar Richard Hußenöder (nicht im Bild) bilden die Kommissare (von links) Petra Frauendorfer, Norbert Groß, Armin Bock, Wolfgang Achtert, Andreas Lamprecht, Matthias Härtl, Oskar Stark, Lydia Gschrey und Sonja Geiler (nicht im Bild). Bild: Gabi Schönberger
Das K 1 unter Leitung von Erstem Kriminalhauptkommissar Richard Hußenöder (nicht im Bild) bilden die Kommissare (von links) Petra Frauendorfer, Norbert Groß, Armin Bock, Wolfgang Achtert, Andreas Lamprecht, Matthias Härtl, Oskar Stark, Lydia Gschrey und Sonja Geiler (nicht im Bild).
Konradshöhe 2012, ein Fall für das K1: Ein junger Bundeswehrsoldat tötet einen Rentner, der völlig zufällig des Weges kommt. Bild: Karin Wilck
Konradshöhe 2012, ein Fall für das K1: Ein junger Bundeswehrsoldat tötet einen Rentner, der völlig zufällig des Weges kommt.

Auf diese Frage folgt kurzzeitige Empörung: Was haben reale Mordermittler mit "Tatort"-Kommissaren gemeinsam? Gar nichts, sagen die Kriminalbeamten des K 1. Im Fernsehen ermitteln "total geschrottete Charaktere mit angeschlagener Psyche". "Hier sind alle sittlich gefestigt", sagt ein Kommissar trocken.

Und: "Wir sind keine Einzelkämpfer. Das geht überhaupt nicht", korrigiert Kriminalhauptkommissar Armin Bock die Vorstellung vom Ermittler, der im Alleingang den Fall löst. "Das schaffst du nur im Team." Die Soko "Stoppelfeld" nach dem Mord auf der Konradshöhe umfasste zu Spitzenzeiten 40 Köpfe.

Gut, eines ist in den Sokos vielleicht tatsächlich so wie im Fernsehkrimi: Hier ist Raum für Kreativität. "Wir diskutieren offen über den Fall. Nichts wird unterbunden. Jeder kann seine Tathypothesen vorbringen", beschreibt Kommissariatsleiter Richard Hußenöder die Atmosphäre. Jede Soko wird üblicherweise vom Kripochef selbst geleitet, zuletzt Thomas Bauer. Das K 1 übernimmt die "zentrale Sachbearbeitung". Hier laufen die Ergebnisse aus fünf Komplexen zusammen: aus Ermittlungen (wie Vernehmungen, Zeugen), Erkennungsdienst, Überwachungsmaßnahmen, Pressearbeit und Opferbetreuung. Einmal pro Tag - "manchmal auch in der Früh und am Abend" - kommen alle Soko-Mitglieder zusammen. Ziel: "Alle sollen auf dem gleichen Stand sein." Jedes Detail kann wichtig sein.

Beispiel Konradshöhe: Im Januar 2012 wurde ein Rentner (66) beim abendlichen Spaziergang erstochen. Noch in der Nacht nahm das K 1 seine Arbeit auf. "Dann gibt es keine Freizeit mehr", sagt Hußenöder. "Da geht man nur noch zum Schlafen heim." Kriminalhauptkommissar Norbert Groß erinnert sich an je vier Stunden Schlaf in den ersten drei Nächten nach dem Mord. Es zählte jede Minute. Die Täter - ein junger Soldat und seine Freundin - flohen in Bonnie-und-Clyde-Manier über Berlin nach Fuerteventura, wo sie letztlich gefasst wurden.

Geständnis bei Zigarette

Es gibt keine fixe "Anleitung" für die Vernehmung nach der Festnahme. Hier braucht es Gespür. Das Geschick, einen Draht zum Verdächtigen zu finden. Jeder der Kommissare kennt das Phänomen der "Spontanäußerung". Eine junge Mutter gestand gegenüber Kommissar Matthias Härtl bei einer Zigarettenpause die Motive für eine Kindstötung 2010. Vor Gericht war das verwertbar, weil die Frau belehrt worden war.

Der Raubmörder, der 2012 den Wirt des "Ortsrichter-Stüberls" in Reuth erschlagen hatte, gestand im Auto. Der 34-Jährige war nach seiner Festnahme in Polen von den Kommissaren Bock und Norbert Groß abgeholt worden. Auf den 400 Kilometern nach Weiden hielten sie ihm peu a peu ihre Ermittlungsergebnisse vor. Sein verblüffter Kommentar: "gute Arbeit, gute Arbeit."

Es hat sich bewährt, "so schnell wie möglich beim Täter zu sein". Auch beim "Stoppelfeld"-Mord: Hier nutzte die Kripo den Auslieferungsflug von Spanien nach Deutschland. In getrennten Flügen befragten Groß und Bock den jungen Soldaten und seine Freundin. Die letzten beiden Reihen in den Lufthansa-Maschinen waren für die Kommissare und die Tatverdächtigen frei gehalten worden. Die Piloten waren einverstanden. Die Passagiere ahnten nichts. "Wer würde schon mit einem Mörder fliegen wollen", sagt Groß. Beide legten in 10000 Meter Höhe Geständnisse ab - Basis für die Verurteilung.

Man ist hier froh um die Weidener Gerichtsbarkeit, die deutliche Strafen verhängt. "Es muss nicht immer lebenslänglich sein", sagt Bock, "aber man hat natürlich eine gewisse Vorstellung, wie ein Urteil ausfallen könnte."

Klankermeier ungelöst

Das letzte "lebenslänglich" fiel 2016 gegen den Kindermörder in Vohenstrauß. "Entscheidend war hier unsere Hartnäckigkeit", erinnert sich K 1-Leiter Hußenöder. Im Lauf einer fast sechsstündigen Vernehmung räumte die Mutter des Kindes die Todesumstände ein. Ihr Sohn war von ihrem Bekannten so heftig geschlagen worden, dass er verstarb. Die Frau hatte zuvor unter dem enormen Druck des Täters geschwiegen.

Viele Kommissare sind über zehn Jahre beim K 1. Kein einziges Tötungsdelikt blieb ungelöst. Dafür schlummern in den Archiven einige "Cold Cases". 2013 haben sich zwei Kriminalbeamte monatelang die Klankermeier-Akten noch einmal vorgenommen. Ergebnislos. Es gibt kein Beweismittel, an dem DNA haften könnte. Wieder ist es nicht wie im Fernsehen, wo im "Polizeiruf" vom Sonntag ruckzuck ein Altfall gelöst werden konnte. Relevante Asservate aus Weiden sind regelmäßig "ausgemottet" und eingeschickt worden. Große Hoffnung hat man nicht mehr: "Das ist verbraucht."

Hintergrund:

Ein „Nein ist ein Nein“. Das klingt simpel. K1-Chef Richard Hußenöder bestätigt einen merklichen Anstieg von Anzeigen von Sexualdelikten seit der neuen Gesetzgebung. In der Praxis hat sich die Schwierigkeit der Beweisbarkeit eher noch verstärkt.

Pro Jahr bearbeitet das K 1 rund 300 bis 400 Vorgänge, die Hälfte davon sind Sexualdelikte. Einen markanten Ausreißer nach oben verzeichnete man 2013, bedingt durch ein Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornografie. Die Bilder waren emsig getauscht worden. Am Ende standen 187 Tatverdächtige, von denen aufgrund fehlender Vorratsdatenspeicherung nicht alle namentlich ermittelt werden konnten. Bei den anderen Kunden stand die Kripo auf der Matte. Für Kommissar Andreas Lamprecht muss jedem klar sein: „Hinter jeder Kinderpornografie steckt ein Kindesmissbrauch.“

Asylbewerber spielen aus Sicht des K 1 bei Sexualdelikten keine große Rolle: „Wir sehen das bei uns nicht als problematisch an“, sagt Hußenöder. Zwar seien junge Flüchtlinge „prozentual vielleicht ein bisschen öfter“ unter den Verdächtigen, zu berücksichtigen sei dabei, dass sich in ihrer Bevölkerungsgruppe mehr junge Männer befänden. „Problematischer sehen wir Sexualdelikte innerhalb der Familie an.“ Weit häufiger würden sich Angehörige an Kindern oder Enkeln vergreifen. Der Aufschrei bleibt hier aus: „Die Bevölkerung bekommt das in den meisten Fallen gar nicht mit.“

Das K 1 ist zudem unter anderem zuständig bei Brand, Freiheitsberaubung und der Entziehung Minderjähriger ins Ausland. (ca)

 
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