Weiden in der Oberpfalz
29.10.2018 - 19:54 Uhr

K5: Gegen alles, was extrem ist

Bizarr. In einem Nachlass findet sich ein Bierkrug mit dem Hakenkreuz darauf. Ist das verboten? „Man darf das haben“, klärt Erster Kriminalhauptkommissar Johann Brandl auf. Aber man darf es nicht öffentlich zeigen.

Johann Brandl leitet das Kommissariat 5. Vor ihm liegen Fundstücke von Durchsuchungen, darunter ein Handbuch für Reichsbürger („Wenn das die Deutschen wüssten“) oder auch Hitlers „Mein Kampf“ mit Kommentaren. 	Bild: Schönberger Bild: Schönberger
Johann Brandl leitet das Kommissariat 5. Vor ihm liegen Fundstücke von Durchsuchungen, darunter ein Handbuch für Reichsbürger („Wenn das die Deutschen wüssten“) oder auch Hitlers „Mein Kampf“ mit Kommentaren. Bild: Schönberger

Sprich: Wenn der Besitzer den Humpen ins Fenster zur Straße stellt, macht er sich strafbar. Das Kommissariat 5 der Weidener Kriminalpolizei befasst sich mit politisch motivierten Straftaten. Dafür käme im Prinzip alles in Frage: von der Beleidigung bis zum Mord. In der alltäglichen Praxis geht es sehr oft um Fragen rund um den Paragraph 86a des Strafgesetzbuches: das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Das ist ein rechtlich komplexes Terrain: Wann ist ein Kennzeichen verfassungswidrig? Die Sigrune der SS ist es. Aber damit nicht automatisch jeder Pott vom Mittelaltermarkt, auf dem eine Rune prangt.

Zweite Frage: Wird das Kennzeichen öffentlich zur Schau gestellt? Die Entscheidung trifft das K 5 im Zweifel in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Weiden. Dabei geht es um ganz praktische Problemstellungen: Ist das Hakenkreuz auf dem Schlüsselanhänger für andere sichtbar? Aber auch um virtuelle Verstöße: Stellen Statusbilder auf Whats-App – die nach 24 Stunden wieder verschwinden – Öffentlichkeit dar? Brandl neigt zu Ja, weil die Bilder oft geteilt und damit verbreitet werden.

Immer mehr Hass-Postings

Seit zwei, drei Jahren befasst sich das K 5 immer öfter mit Hass-Postings. Die Staatsschützer forschen die Kette der Versender bis zum Verfasser zurück, unterstützt von den Cybercrime-Experten des K 11. Am Ende steht nicht selten ein Fake-Account im Ausland. „Aber wir stellen uns jedes Mal wieder der Herausforderung, weil man Hass-Postings einfach nicht dulden kann“, sagt Chef Brandl. Die Bevölkerung sei sensibilisiert, zeige verstärkt volksverhetzende Nachrichten an. „Darüber sind wir dankbar.“ Die Zahl der Fälle liegt pro Jahr im „höheren zweistelligen Bereich“.

Neben Chef Brandl zählen die Kriminalhauptkommissare Stefan Berger, Josef Kaltenecker und Birgit Detter-Schneidhuber zum K 5. Mit Medienauskünften sind sie in der Regel eher zurückhaltend: Die Staatsschützer unterliegen aufgrund der Sensibilität der Materie besonderer Geheimhaltung. Sie befassen sich mit Rechtsextremen genauso wie mit Linksextremen (Brandl: „Wir sind weder auf dem rechten Auge noch auf dem linken Auge blind“), mit Extremismus bei Ausländern („überschaubar“) und Salafismus. Hinweise zur salafistischen Szene gehen direkt an die KPI für Zentralaufgaben in Regensburg weiter.

„Wir stehen ein für die freiheitlich demokratische Grundordnung, egal welche Sachbearbeitung wir übernehmen“, betont Brandl. „Wir sind dem Staat verpflichtet und unseren Bürgern.“ Der rechtsextreme Bereich fordert das Kommissariat dabei mehr als der linksextreme, was sich in den Fallzahlen zeigt. Froh ist man, 2017 die Niederlassung der „Aryan Brotherhood“ in Altenstadt/WN verhindert zu haben. Mit der Polizeiinspektion Neustadt führten die Kommissare einige „Gefährderansprachen“ durch. So früh wie möglich sollen Auswüchse im Keim erstickt werden: Auch als im östlichen Landkreis Neustadt Kinder einen fragwürdigen Fackelzug abhielten, sprachen Vertreter des K 5 bei den Familien vor.

Rechte Szene „immer da“

Gerne vermittelt man weiter an die BIGE, die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus Nürnberg. Sie berät Kommunen und Landratsämter, aber auch Schulen. Eine Rektorin aus dem Landkreis Tirschenreuth bat jüngst um Schützenhilfe, weil es rechtsextreme Tendenzen bei Schülern gab. Beamte der BIGE hielten Workshops in den Klassen.

Aktuell gibt es nach Einschätzung des K 5 in der Region keine straffe Neonazi-Organisation wie einst das „Freie Netz Süd“, dessen Ausläufer in den Landkreis Neustadt ragten. Derzeit existieren verstreute Gruppen. „Das geht auf und ab“, meint Kommissar Kaltenecker: „Die rechte Szene ist immer gegenwärtig, aber wir haben sie aufmerksam im Blick.“

Sehr spezielles Straßenschild im Landkreis Tirschenreuth. Bild: Kriminalpolizei
Sehr spezielles Straßenschild im Landkreis Tirschenreuth.
Info:

„Das Thema Reichsbürger beschäftigt uns seit 2016“, so K 5-Leiter Johann Brandl. Im Einzugsbereich der Kriminalpolizei Weiden (NEW, WEN, TIR) kann ein Personenkreis „im oberen zweistelligen Bereich“ als zugehörig gezählt werden. Die Bandbreite ist groß und reicht von Staatsangehörigen selbst gegründeter Freistaaten bis zu hin zu „Selbstverwaltern“, die auf ihren Grundstücken ein eigenes Land erklären. Zwei davon gibt es im Kreis Tirschenreuth.

Zu allen „Reichsbürgern“ hat das K 5 persönlich Kontakt aufgenommen und seine Einschätzung den Sicherheitsbehörden weitergegeben. Einige sind im Besitz von Waffen. In Anhörungsverfahren legen die Landrats- und Ordnungsämter fest, ob diese in ihrem Besitz bleiben dürfen oder von den Personen eine Gefährdung ausgeht. Im Landkreis Tirschenreuth kam es 2017 zu Durchsuchungen bei einem Angehörigen des „Bundesstaates Bayern“ im Rahmen einer bayernweiten Aktion. Gefunden wurden Armbrust, Bolzenschussapparat und Elektroschocker.

 
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