Das Schwarz-Weiß-Foto macht betroffen. Es zeigt eine jüdische Familie aus Weiden vor dem Weidener Bahnhof, wie sie unsicher in die Kamera lächelt und nicht so recht zu wissen scheint, was auf sie zukommt. Am Tag, als das Foto gemacht wurde, fuhren die beiden Söhne, Levi (damals 15 Jahre) und sein 17-jährigen Bruder Hermann, mit ihren Eltern von Weiden nach Regensburg. Und dann mit Güterzügen weiter in die Ostgebiete, wo die komplette Familie von den Nazi-Schergen ermordet wurde.
Das P-Seminar des Kepler-Gymnasiums hat sich diesem schrecklichsten Kapitel jüdischer Geschichte angenommen. Wegen der verschärften Corona-Situation stellten die am P-Seminar mitwirkenden Schülerinnen und Schüler nun ihr Projekt vor. Und zwar im Rahmen einer Videokonferenz über das Tool „Visavid“. Dort wurde auch das Schreckliche an jenem Foto bekannt: Nämlich, dass im April 1942 von der Stadt Weiden in Auftrag gegeben wurde, um mit der Botschaft zu glänzen, dass Weiden von jenem Tag an judenfrei gewesen sei. "Da war man damals stolz darauf."
So viel Regionales steckt in Geschichtsstoff
Ziel der Keplerianer war es, die schlimmen Schicksale Weidener Jüdinnen und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus für Schülerinnen und Schüler aufzubereiten. Es entstand ein digitaler Stadtführer, der Jugendliche zu den Wohn- und Geschäftshäusern der Familien Hausmann, Engelmann, Krell/Murzinsky und Rosa Hoffmann führt. „Wir möchten auf diese Weise einen regionalen Bezug des Geschichtsstoffes ermöglichen und zeigen, dass damals auch Menschen in unserem Umfeld von den Taten der Nationalsozialisten betroffen waren und nicht nur in Regensburg oder München. Auch in unserer Heimatstadt Weiden", sagte P-Seminarleiter, Studiendirektor Tobias Wagner.
Mit einer App zum Stadtführer
Viele Schülerinnen und Schüler hatten sich bereiterklärt, mitzuarbeiten. In der Folge seien der Projektarbeit Corona-bedingt allerdings viele Knüppel zwischen die Beine geworfen worden. "Wir konnten lange nicht arbeiten. Das Stadtarchiv musste wegen Corona schließen. Auch Schulschließungen hätten dazu beigetragen, dass die ganze Angelegenheit nicht leicht lief." Ein großer Dank galt dem Historiker Sebastian Schott. Am Ende sei ein wirklich interessanter digitaler Stadtführer mit der App "Actionbound" entstanden. Wie ein Schüler berichtete, wird der Bound für weitere Jahre bereitgestellt und von Geschichtslehren für nachfolgende Schülergenerationen am Kepler-Gymnasium weiterentwickelt werden.
2021 feiert die Bundesrepublik Deutschland das Festjahr „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“. Bundeskanzlerin Angela Merkel sah darin eine Riesenchance, die reichhaltige Tradition jüdischer Kultur in Deutschland zu vergegenwärtigen. Sie fand, es sei ein Vertrauensbeweis, dass jüdisches Leben nach dem Menschheitsverbrechen der Shoa in Deutschland wieder eine Heimat gefunden habe. Schulleiterin, Oberstudiendirektorin Sigrid Bloch, dankte Schülern und Lehrkräften für die herausragende Dokumentation, die am Kepler-Gymnasium geleistet worden sei.
Jüdisches Leben in Deutschland
- Weltweit gibt es etwa 15,2 Millionen Jüdinnen und Juden.
- Lebten im Jahr 1990 30.000 Juden in Deutschland, sind es mittlerweile 200.000.
- Die Hälfte davon ist Mitglied einer Jüdischen Gemeinde, von denen es insgesamt 132 gibt – mit den unterschiedlichen Ausrichtungen wie orthodox, liberal, konservativ und rekonstruktivistisch.
- Durch die hohe Anzahl der in den 1990er-Jahren aus der Sowjetunion und den Nachfolgestaaten zugewanderten Juden sind 90 Prozent der Mitglieder der Jüdischen Gemeinden russischsprachig.
- (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung)
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