Dass das Europa-Parlament am Donnerstag den Klimanotstand ausgerufen hat, beeindruckt die Weidener wenig. Ebenso wenig beeinflusst der angekündigte Protestmarsch von "Fridays for Future"-Schüler und Bund Naturschutz, der für den Nachmittag vorgesehen ist, die Mehrheit der Stadträte im Hauptverwaltung- Umwelt- und Energiewendeausschuss.
Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, für Weiden den Klimanotstand zu erklären, hat der Stadtrat schon vor zwei Wochen abgebogen. Übrig geblieben ist - auch aufgrund eines Ergänzungsantrages der Bürgerliste - immerhin der Beschluss, dass die Stadt Weiden ihre Bemühungen und Anstrengungen um den Klimaschutz weiter fortsetzt und im Sinne eines "Klimaschutzplans" intensiviert.
Beschränkter Einfluss
"Die Einflussnahme der Stadt Weiden ist als begrenzt anzusehen. Sie ist auf den öffentlichen Bereich beschränkt", verdeutlicht Rechtsdezernentin Nicole Hammerl. "Für den privaten/gewerblichen Sektor ist man auf die Bewusstseinsbildung durch gute Beratung reduziert." Mit der Gründung des Energie Technologischen Zentrums ETZ sei ein "beispielgebendes Angebot" geschaffen worden. Eine darüber hinausgehende Reglementierung des privaten Sektors sei nicht möglich und beruhe auf Freiwilligkeit.
Für die Umsetzung eines ausreichenden Klimaschutzes zeichne vorrangig der Gesetzgeber verantwortlich. Zudem verweist Hammerl auf die bisherigen Erfolge bei der Energieeinsparung (Gebäudesanierung) und der Erzeugung von Erneuerbaren Energien. Ansonsten sollte es Tagesgeschäft in jeder Kommune sein, die Nachhaltigkeit ihrer Entscheidungen zu prüfen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Dezernentin führt dabei die energetische Sanierung der kommunalen Immobilien, den Erhalt und Stärkung der Grüngürtel im Stadtgebiet, den Verzicht auf Flächenverbrauch, Senkung der ÖPNV-Preise, Erneuerung des Fuhrparks und sogar den Verzicht auf das Feuerwerk beim Volksfest an.
Kein Klimaschutz-Manager
Für die Dezernentin ist wie für die Stadträte klar, dass die Verbesserung des Klimaschutzes konzeptionell gut vorbereitet angegangen werden müsse: Matthias Rösch vom ETZ schätzte die Kosten für eine Kohlendioxid-Bilanz auf 19 600 Euro. Kommt noch ein Maßnahmenkatalog dazu, ist schon mit 41 000 Euro zu rechnen.
Allerdings gibt es für dieses "schlanke" Vorgehen keine Förderung. Die ist erst bei einem Energienutzungskonzept (bis 70 Prozent Förderung) möglich, das aber rund 83 000 Euro kosten dürfte, ober bei einem integrierten Klimaschutzkonzept (bis zu 65 Prozent Förderung), das mit 68 000 Euro veranschlagt werden müsse. Allerdings müsste die Stadt in beiden Fällen einen "Klimaschutz-Manager" - zumindest für zwei Jahre - einstellen.
Die Mehrheit der Stadträte beschränkte sich auf die günstigste Variante, konzentriert sich auf den Verkehr. Deshalb soll das Mobilitätskonzept, das bereits im Zuge des gesamtstädtischen Verkehrsgutachtens in Auftrag gegeben ist, um eine "klimapolitische Potenzialanalyse" erweitert werden. Die Kosten dafür liegen bei 6000 Euro.
Verkehr durchleuchten
Vergeblich plädierte Karl Bärnklau, Fraktionschef der Grünen, für ein umfassendes Konzept: Zur Kohlendioxid-Bilanz gehöre der Maßnahmenkatolog zum Klimaschutz. Gabriele Laurich, Sprecherin der SPD im Ausschuss, sah die Gesetzgeber in Brüssel und Berlin gefordert. Zudem müsse sich jeder Bürger selbst an die eigene Nase fassen, wenn es um den Klimaschutz gehe. Rainer Sindersberger (Bürgerliste) sieht im Verkehr Chancen, schnell Positives erreichen zu können.
Vor allzu hohen Erwartungen warnte Wolfgang Pausch (CSU). Mit dem Klimaschutz würden hohe Kosten auf die Bürger zukommen. Diese könnten sich auch auf die Arbeitsplätze auswirken. "Aber, es ist klar, dass sich vieles ändern muss."
Nicht mal ein Feigenblatt
Die Enttäuschung von Karl Bärnklau, Fraktionschef der Weidener Grünen, ist nachvollziehbar: Seinen Antrag, für die Stadt Weiden den Klimanotstand auszurufen, lehnt der Stadtrat ab, denn dieser Beschluss hätte keine Wirkung, sondern allenfalls Symbolcharakter. 10 Tage später erklärt das Europa-Parlament den Klimanotstand für den gesamten Kontinent. Die Grünen – und die Bürgerliste mit einem Ergänzungsantrag – waren der Zeit voraus – und niemand will’s im Rathaus honorieren.
Die nächste Enttäuschung folgte postwendend, denn obwohl allen Stadträten klar ist, dass der Klimaschutz verbessert werden muss, gehen sie selbst nur einen ganz kleinen Schritt. Es gibt keinen Auftrag, eine Kohlendioxid-Bilanz (19 600 Euro teuer) für Weiden erstellen zu lassen. Noch weniger ist ein Maßnahmenkatalog (41 000 Euro) in greifbarer Nähe. Den Stadträten ist beides für den Klimaschutz zu teuer, zumal es dafür keine Förderung gibt. In weiter Ferne liegt die Einstellung eines Klimaschutz-Managers, der nötig wäre, um an die Fördertöpfe zu kommen. 6000 Euro rücken die Stadträte heraus, um das Mobilitätskonzept um eine „klimapolitische Potenzialanalyse“ zu erweitern. Aber das taugt nicht mal als Feigenblatt für das, was nötig wäre.
Josef Johann Wieder