Eine Zwiebel ("Kein Apfel. Skulptur, 2011") ist alles, was Museumswärter Dave (Feinripp, Goldkettchen, Klebetattoos) noch bleibt. Das Kunstwerk "Nipple Jesus", das er hier eigentlich hätte bewachen sollen, wurde zerstört – nun passt er eben auf eine Zwiebel auf. Und auf eine Banane, die mit Panzertape an die Wand geklebt ist, einen Gartenzwerg, der den Hitlergruß zeigt (von Ottmar Hörl) oder die "Wandernde Kiste" von Joseph Beuys. Was hier Requisite ist und was Kunst, erschließt sich dem Zuschauer nicht auf den ersten Blick – das gehört zum Konzept und verleiht der Inszenierung von Marcus Hinterberger eine äußerst charmante Note.
Der derb-pointierte Monolog des ehemaligen Türstehers Dave (grandios verkörpert von Johannes Lukas) zog am vergangenen Samstag zur Premiere – das Stück hatte zwar schon in der vergangenen Spielzeit auf dem Spielplan gestanden, wegen Corona-Maßnahmen kam es aber nie zu einer öffentlichen Aufführung – überdurchschnittlich viele junge Leute in den Kunstverein Weiden.
Kunst oder Blasphemie?
Museumswärter Dave teilt mit den Zuschauern seine intimsten Gedanken – über seine Freundin Lisa, die junge Künstlerin Martha Marshal, seinen vorherigen Job als Club-Türsteher (auf den er keine Lust mehr hatte, "erst recht nicht in Weiden") und eben auch über die Kunst, was sie darf – und was nicht. Ein Bild von Jesus am Kreuz wird bei näherem Betrachten eine Collage, zusammengesetzt aus vielen weiblichen Brustwarzen, ausgeschnitten aus Pornoheften: Ist das moderne Kunst oder doch Blasphemie?
Da wirkt es fast schon wie ein Teil der Inszenierung, dass "Nipple Jesus" schon im Vorfeld einige Gemüter erregt hatte: Wie man denn ein Stück mit solch einem Titel in der katholischen Oberpfalz spielen könne, wurde sich da empört. Eine Antwort gibt das Landestheater Oberpfalz mit Nick Hornbys Stück zwar nicht, wirft aber mit viel Humor und immer wieder provokant weitere Fragen auf: Wie bildet sich Meinung? Wie sinnvoll ist der moderne Kunstbetrieb?
Ein Abgesang auf den High-Society-Kunstbetrieb
Bei all dem fühlt es sich für den Zuschauer gar nicht an, als würde er einem Monolog lauschen: Ist der Museumswärter doch im ständigen Dialog mit dem Publikum – neben, hinter, zwischen ihnen – oder auf einmal mitten in einem Boxkampf. In all seiner kindlichen Naivität der Kunst gegenüber entlarvt Dave so ganz nebenbei einen High-Society-Kunstbetrieb, inklusive selbsternannter Kunstkenner und deren Gehabe.
Das Stück über den ehemaligen Türsteher, erzogen von einem Vater, der gerne gegen Asylanten hetzt, verleiht dabei dem "kleinen Mann" eine Stimme, regt an zur Kontroverse über die subjektive Betrachtung von Kunst – und beschert obendrein äußerst unterhaltsame eineinhalb Stunden.
Zum Stück "Nipple Jesus"
- Autor: Nick Hornby, bekannt u.a. durch seine Romane "About a Boy", "Fever Pitch" oder "High Fidelity"
- Inspiration des Autors: Andres Serrano, US-amerikanischer Fotokünstler und Schöpfer des vielumstrittenen Werkes "Piss Christ", einem Foto von einem Plastik-Kruzifix in einer Flüssigkeit – der Künstler selbst sagte, es handle sich um seinen eigenen Urin
- Weitere Aufführungstermine im Kunstverein Weiden: Freitag, 25. November (20 Uhr); Donnerstag, 15. Dezember (20 Uhr); Freitag, 16. Dezember (20 Uhr)
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